Oberhausen. Nach einer tödlichen Messerattacke auf einen ukrainischen Basketballer ist nun auch sein Teamkollege verstorben. Das Motiv ist weiter unklar.
- Nach dem Tod eines 17-jährigen Ukrainers in Oberhausen erliegt auch dessen Teamkollege seinen Verletzungen.
- Drei weitere Jugendliche (14 und 15 Jahre) wurden am Freitagmorgen festgenommen.
- Die Polizei sucht dringend Zeugen für die Tat am Hauptbahnhof Oberhausen.
- Das Motiv ist weiterhin unklar, so die Polizei am Mittwoch (21. Februar)
Volodymyr Yermakov floh vor den Bomben in seiner Heimat und starb in dem Land, in dem er sich sicher glaubte. Am Samstagabend, 10. Februar 2024, wurde der Ukrainer vor der Bushaltestelle am Oberhausener Hauptbahnhof erstochen. Er wurde nur 17 Jahre alt. Seit Dienstag trauert sein Verein Art Giants Düsseldorf um ein weiteres Opfer der Attacke. Auch der Ukrainer Artem Kozachenko erlag seinen schweren Verletzungen im Krankenhaus.
Der 18-Jährige wurde am Hauptbahnhof in Oberhausen mit Messerstichen schwer verletzt. Zunächst hatte das ukrainische Außenministerium mitgeteilt, dass sein Zustand stabil sei. Anschließend verschlechterte sich sein Zustand wieder. Er befand sich seit der Gewalttat auf der Intensivstation, teilte der Düsseldorfer Verein am späten Dienstagabend mit: „Leider verschlechterte sich sein Zustand in den vergangenen Tagen so drastisch, dass die Ärzte nichts mehr für ihn tun konnten.“ Am Mittwochmittag teilte auch die Polizei Essen den Tod des Ukrainers mit: Die Obduktion habe ergeben, dass der 18-jährige „bei dem Angriff schwer verletzt worden war und an den Folgen der erheblichen Verletzungen verstarb“.
In diesem Artikel berichten wir über den aktuellen Stand und fassen die wichtigsten Informationen zusammen.
Ukrainer getötet: Die Polizei sucht Zeugen
Die Mordkommission des Polizeipräsidiums Essen sucht mittlerweile dringend Zeugen. Sie wendet sich besonders an Fahrgäste des Busses, mit dem das spätere Opfer nach bisherigem Kenntnisstand zum Hauptbahnhof gefahren war: Gegen 20.05 Uhr stiegen Volodymyr Yermakov und Artem Kozachenko, der bei dem späteren Angriff schwer verletzt wurde, an der Haltestelle Neue Mitte (Centro) in den Linienbus SB 91 in Richtung Berocenter ein. Gegen 20.10 Uhr erreichte der Bus den Hauptbahnhof Oberhausen, wo die Tat an der dortigen Bushaltestelle verübt wurde. Wer ebenfalls mit diesem Bus unterwegs war, soll sich bei der Essener Polizei melden: 0201-8290.
Zwei Ukrainer sterben nach Messerattacke in Oberhausen: Wer ist tatverdächtig?
Am Sonntag nahm die Polizei zunächst zwei Jugendliche fest, einen ließ sie wieder laufen. Drei weitere Jugendliche nahm die Polizei am frühen Freitagmorgen (16. Februar 2024) fest, knapp eine Woche nach der schlimmen Tat: „Heute Morgen vollstreckte die Mordkommission Haftbefehle gegen drei weitere Jugendliche (14-jähriger Deutsch-Grieche aus Herne, 14-jähriger Syrer sowie 15-jähriger Syrer, beide aus Gelsenkirchen), die als dringend tatverdächtig wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung gelten“, teilt die Polizei mit. Der 14-jährige, festgenommene Syrer, wurde bei der Tat ebenfalls schwer verletzt. Laut einem Medienbericht soll er den Ukrainern geholfen haben, allerdings deutet die neue Entwicklung nicht darauf hin.
Bereits am Sonntagmorgen hatte die ermittelnde Polizei Essen zwei Tatverdächtige festgenommen, darunter auch den 14-jährigen Deutsch-Griechen aus Herne. Dieser wurde allerdings im Anschluss seinen Eltern übergeben, weil er nach dem Stand der damaligen Ermittlungen doch nicht zugestochen haben soll. Nun wurde er aber erneut festgenommen. Ein 15 Jahre alter Deutsch-Türke aus Gelsenkirchen sitzt bereits seit Sonntag in Untersuchungshaft und gilt als Hauptverdächtiger.
Die brutale Attacke ist am Donnerstag dieser Woche auch Thema im Innenausschuss des NRW-Landtages. Geplant ist ein Bericht der Landesregierung zum aktuellen Ermittlungsstand.
Ukrainer in Oberhausen erstochen: Was ist über den ersten 15-jährigen Hauptverdächtigen bekannt?
Der 15-Jährige soll dem aktuellen Ermittlungsstand zufolge viele Male auf das Opfer eingestochen und den Ukrainer so getötet haben, sagte ein Polizeisprecher. Er soll bereits sehr oft mit der Polizei in Kontakt gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft Essen sagt, er sei „erheblich kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten“. Die Bild-Zeitung berichtet davon, dass der Jugendliche bekannt dafür sei, Körperverletzungen und Raubdelikte begangen zu haben. Er sei von der Polizei als Intensivtäter eingestuft worden.
Tödliche Messerattacke an jungen Basketballern: Was ist über das Motiv bekannt?
Das Motiv der Messerattacke bleibt weiter unklar. „Die Mordkommission ermittelt sehr akribisch mit starkem Personal“, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Man gehe davon aus, dass die Verdächtigen die Tat im Vorfeld abgesprochen und „arbeitsteilig begangen“ hätten. Als Haupttäter gilt der 15-jährige Deutsch-Türke aus Gelsenkirchen. Er soll mit einem Messer auf die beiden Ukrainer eingestochen haben. Welche Rolle die anderen drei Verdächtigen bei der Tat gespielt haben sollen, sagte der Polizeisprecher mit Verweis auf die Ermittlungen nicht. Von den mutmaßlichen Tätern hätten sich einige bislang in den Vernehmungen geäußert - einige schwiegen aber auch komplett. Zuletzt hieß es, dass auch geprüft werde, ob die mutmaßlichen Täter schon häufiger nach der gleichen Masche etwa bei Raubüberfällen vorgegangen seien.
Hinweise, dass die Tat rassistisch motiviert gewesen sein könnte, gebe es nicht. „Das „Warum“ ist für uns eine ganz wesentliche Frage bei der Aufarbeitung“, betonte der Sprecher.
Die ukrainische Seite allerdings vermeldete in einem ersten Facebook-Beitrag, dass die Ukrainer angegriffen wurden, „nur weil sie Ukrainer sind“. Dies hat sich bisher nach Angaben der Staatsanwaltschaft nicht bestätigt. Der Basketballverband aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew schrieb zunächst von „acht jungen Menschen mit arabischem Aussehen“ und korrigierte den Post später: Nach vorläufigen Erkenntnissen handele es sich um „Jugendliche nicht-deutscher Herkunft“.
Einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge soll der 15-Jährige ohne erkennbares, nachvollziehbares Motiv gehandelt haben. Die Zeitung zitiert einen Polizisten mit den Worten: „Der Angreifer hat bewusst die Auseinandersetzung mit den deutlich älteren, größeren und sportlicheren Ukrainern gesucht und dann sofort rücksichtslos das Messer eingesetzt. Und von Reue war bei der Festnahme nichts zu spüren.“
Junger Ukrainer in Oberhausen erstochen: Wie lief die Tat ab?
Nach Angaben der Bild-Zeitung fuhren beide Basketballer mit dem Bus vom Centro zum Hauptbahnhof, um von dort nach Düsseldorf weiterzufahren. Schon im Bus kam es gegen 20 Uhr zu Streitereien. An der Bushaltestelle vor dem Oberhausener Hauptbahnhof eskalierte die Auseinandersetzung. Zwei Jugendliche, der jetzt festgenommene 14-jähriger Syrer und eine 13-jährige Deutsch-Libanesin, wurden ebenfalls schwer verletzt. Für die Tat gibt es nach Angaben der Ermittler „eine Vielzahl von Zeugen“. Außerdem seien Videoaufnahmen sichergestellt worden.
Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben neue Erkenntnisse zum Tatablauf erbracht. Nach Informationen aus Ermittlerkreisen soll danach eine sieben- bis zehnköpfige Gruppe die Sportler mit abwertenden Sprüchen provoziert haben. Zeugen bekundeten demnach später, dass die Ukrainer versuchten, dem Streit aus dem Weg zu gehen. Die Jugendlichen der Gruppe sollen aber weiter beleidigt und gepöbelt haben. Schließlich wollten sie wissen, ob die drei Fahrgäste Ukrainer seien. Die Frage wurde bejaht.
Am Hauptbahnhof Oberhausen stiegen die beiden Basketballer und ihre Bekannte aus, um den Zug nach Düsseldorf zu nehmen. Die Gruppe der Jugendlichen folgten. Dann soll die Gewalt unmittelbar eskaliert sein. Einer der Sportler musste einen ersten Schlag einstecken. Dann sollen die Angreifer nach Informationen des Kölner Stadtanzeigers die ukrainischen Flüchtlinge eingekesselt haben. Eine Zeugin gab später zu Protokoll, dass sie dem Kreis entkommen konnte. Sie soll sich noch umgeblickt haben und sah demnach, wie der jugendliche Mob weiter auf ihre Opfer eingeprügelt haben sollen.
Der Gelsenkirchener Deutsch-Türke soll dann begonnen haben, auf den Ukrainer einzustechen. Dabei verletzte er auch zwei Mitglieder seiner Gruppe, einen 14-jährigen Syrer und eine 13-jährige Deutsch-Libanesin. Ob die beiden attackiert wurden, weil sie die Bluttat verhindern wollten, ist nach Angaben des Kölner Stadtanzeigers von Donnerstag noch unklar. Jetzt wurde der 14-Jährige festgenommen. Zwei Schwerverletzte sollen sich blutend aus dem Gewaltzentrum gelöst und gebrüllt haben, dass sie angestochen worden seien. Als Polizei und Rettungssanitäter eintrafen, flüchtete die Tätergruppe.
Am Mittwoch betonte ein Sprecher der Polizei: Die Provokation sei nach den bisherigen Ermittlungen komplett einseitig gewesen. „Es hat keine Auseinandersetzung zwischen den Gruppen gegeben. Die ukrainische Gruppe ist provoziert und angegriffen worden und hat immer wieder versucht, sich dem zu entziehen.“
Wie reagiert der Düsseldorfer Verein?
Volodymyr Yermakov galt in seinem Verein als hoffnungsvolles Talent und hatte sogar schon Trainingseinsätze in der Zweitliga-Mannschaft der Art Giants Düsseldorf. Mit bewegenden Worten machte der Verein den Tod des 17-Jährigen öffentlich. Nach der Tat richtete der Verein ein Spendenkonto ein. Das Geld soll die Familie etwa bei der Leichenüberführung und der Beisetzung unterstützen. Verantwortlich ist der Trainer der Junioren-Mannschaft, Marcin Hansen.
Das Spiel gegen die Dresden Titans am vergangenen Sonntag wurde abgesagt. Das kommende Spiel bei den Basketball Löwen Erfurt soll wie geplant stattfinden, teilte die Liga NBBL auf Nachfrage mit. Die Partie ist für den kommenden Sonntag, 16 Uhr, angesetzt. Auf der Homepage der Liga drückt NBBL-Geschäftsführer Uwe Albersmeyer sein Beileid aus: „Wir sind bestürzt und fassungslos. Unsere Anteilnahme gilt der Familie, allen Angehörigen und Freunden des Verstorbenen.“
Im ersten Heimspiel nach dem Tod von Volodymyr Yermakov gedachte der Basketball-Verein dem 17-jährigen Ukrainer. Teamkollegen des Junioren-Spielers trugen T-Shirts mit der Aufschrift: „33 Volodymyr Yermakov – forever in our hearts“. Der Verein veranstaltete eine Schweigeminute und verzichtete auf die Einnahmen des Spiels, um das Geld der Familie zu spenden.
Das Zweitliga-Spiel gegen die Mannschaft aus Paderborn stand unter dem Motto „Zusammen gegen Gewalt“. 2512 Zuschauer kamen am Samstagabend nach Vereinsangaben ins Castello Düsseldorf. Außerdem waren die ukrainische Generalkonsulin Iryna Shum und Stadtdirektor Burkhard Hintzsche in der Sporthalle. Sportlich musste der Verein zwar eine 77:81-Niederlage akzeptieren, war aber überwältigt von der Anteilnahme. Über den Spendenaufruf wurden bislang insgesamt 30.000 Euro gesammelt.
Am Dienstag dann folgte die nächste schockierende Nachricht für den Verein. Auch Kozachenko war fester Bestandteil der Junioren-Mannschaft in der U19-Bundesliga. „Die Art Giants sind zutiefst schockiert, trauern und nehmen Abschied von einem weiteren großen Basketball-Talent aus den eigenen Reihen“, so der Verein. (mit dpa)