Oberhausen/Essen. Nach einigem Hin und Her ist es nun amtlich: Die Oberhausener Stadtspitze darf die Verlängerung der Linie 105 planen. Der aktuelle Stand.
- Mit der Straßenbahn 105 von Essen zum Centro Oberhausen durchfahren: Das soll in wenigen Jahren möglich sein
- Seit Jahren beschäftigen die Pläne Bürger und Politik beider Städte
- Nun gibt die Oberhausener Politik das Okay: Die Rathaus-Spitze kann die Pläne nun konkret angehen
Die Lokalpolitiker im Oberhausener Stadtrat haben bei größeren Projekten stets das letzte Wort - und die seit Jahrzehnten geplante Verlängerung der Straßenbahnlinie 105 von Essen-Frintrop zum Centro und weiter nach Sterkrade oder zum Oberhausener Hauptbahnhof ist ein gigantisches Projekt.
Während der stundenlangen Sitzung am späten Montagnachmittag (5. Februar) hat die breite Mehrheit des Stadtrates um 19.29 Uhr den Weg für den Lückenschluss von 3,5 Kilometern Bahnstrecke freigemacht: Die Oberhausener Stadtspitze darf ab sofort die Strecke konkret planen. Bis auf die AfD und Bürgerbündnis-Ratsherr Ulrich Lütte stimmten alle Ratsmitglieder zu. Die Gegner der Straßenbahn finden Busse zwar unkomfortabler, aber deutlich billiger als das Bahnprojekt. Denn allein die Planung des Lückenschlusses kostet 10 bis 12 Millionen Euro, die Oberhausen zum größten Teil selbst tragen muss. Das Bauprojekt (reine Baukosten bis zu 120 Millionen Euro) wird dann allerdings bis zu 95 Prozent von Bund und Land bezahlt.
Straßenbahn 105 zum Centro Oberhausen: Die Trassenführung
Im Unterschied zu der bereits 2014 angestrebten Strecke verläuft die neue Wegführung der Bahn nicht mehr auf einer Hochtrasse quer über das Stahlwerksgelände entlang der Osterfelder Straße, sondern wird in einer Kurve nahe an den geplanten Wohnsiedlungen Newag und Kreativquartier geführt. 2015 war die Verlängerung der Straßenbahn 105 an einem Ratsbürgerentscheid gescheitert: Die SPD war schon vor zehn Jahren für die Straßenbahn, die CDU dagegen, vor allem wegen des damaligen Streckenplans, aber auch aus Kostengründen (80 Millionen Euro). Jetzt sind beide großen Fraktionen für die Bahnverlängerung.
Und doch hat die Mehrheit des Rates mit ihrem Montagsbeschluss bisher nur die Planungsarbeiten abgesegnet. „Der Rat muss das Heft des Handelns in der Hand halten“, ist die Stoßrichtung von SPD-Planungspolitiker Ulrich Real. Auf Betreiben der SPD steht nun ausdrücklich im Bahn-Beschluss des Rates vermerkt, dass das oberste Gremium der Lokalpolitik noch dreimal über Vorlagen entscheiden kann, ehe die Bagger rollen können: erstens zum Abschluss der Planungsphase, zweitens während der Planfeststellung mit einer Stellungnahme und drittens über den Baubeschluss selbst. „Der Rat muss noch eingreifen können, wenn sich doch herausstellen sollte, dass die Kosten höher liegen oder die Fördermittel geringer ausfallen“, erläutert Real im Gespräch mit der Redaktion.
Der Oberhausener SPD-Vorsitzende Dirk Vöpel dringt darauf, dass dieses für Oberhausen so wichtige Infrastrukturprojekt sehr sorgfältig mit allen Details geplant wird. „Wir reden hier schließlich von einer Investition, die bei einer Lebensdauer einer solchen Strecke von 50 Jahren bei jährlichen Betriebskosten von sechs Millionen Euro für die Stoag und Errichtungskosten von 130 Millionen Euro fast eine halbe Milliarde Euro ausmacht.“ Die SPD sei immer für diese Verlängerung gewesen, erinnert Vöpel. „Dieser Lückenschluss ist fürs gesamte Ruhrgebiet super und von einem hohen Kosten-Nutzen-Wert. Wenn es nach der SPD gegangen wäre, könnte die Bahn schon seit mehreren Jahren fahren. Wir sind froh, dass nun auch die CDU für diese Strecke ist.“
Straßenbahn 105 zum Centro: Für die SPD „ein Imagegewinn fürs Ruhrgebiet“
Real räumt in der Ratssitzung allerdings auch ein, dass der geänderte Streckenverlauf durch einen Grüngürtel zwischen neuen Wohnhäusern und Gewerbe auf dem Stahlwerksgelände nun besser ist als vor zehn Jahren. Deshalb wies CDU-Ratsherr Denis Osmann die Kritik aus der SPD zurück, der damalige CDU-Oppositionsführer Daniel Schranz habe 2014 aus wahltaktischen Gründen das Straßenbahn-Projekt abgelehnt und sei heute als Oberbürgermeister plötzlich dafür. „Wir waren damals alle für den Lückenschluss, aber gegen die vorgelegte Streckenführung durchs Niemandsland.“
Die meisten Redner im Rat sahen erhebliche Vorteile für das Ruhrgebiet mit der neuen Straßenbahnstrecke. „Bisher ist die Strecke ein Torso, jetzt wird sie zum Verbund, der für das Ruhrgebiet ein Image-Gewinn bedeutet. Wir verbinden zwei wichtige Städte, Studenten könnten billig in Oberhausen wohnen und nach Essen zur Uni fahren, Theater-Freunde besser Veranstaltungen besuchen und wir binden den vierten Stadtbezirk, die Neue Mitte, ans Schienennetz besser an“, sagte Real im Interview.
Der volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Faktor der Bahnverbindung wird mit 2,04 damals und heute wegen des neuen Wohngebiets mit 2,5 weit höher bewertet als im Schnitt die staatlich geförderten Bahnstrecken im Bundesgebiet (Faktor: 1,2). Ein Weiterbetrieb mit Bussen als Alternative sei unzumutbar, meint nicht nur Real. „Derzeit muss man an der Unterstraße in den Bus steigen, in der Neuen Mitte wieder umsteigen nach Sterkrade. Wer neue Kunden für den Nahverkehr gewinnen will, muss erreichen, dass diese ohne Umstieg komfortabel an ihr Ziel kommen, sonst nehmen sie doch wieder das Auto.“
Der Beschluss des Rates sieht vor, die Bürger besser als 2014 über die Streckenpläne zu informieren. „Das ist damals nicht gut gelaufen“, gesteht Vöpel ein. „Es ist gut, dass das nun frühzeitig kommuniziert wird.“ Und Real: „Da kann man den Menschen verdeutlichen, welche persönlichen Vorteile sie durch die Strecke haben. Deshalb habe ich keine Angst vor einem neuen Bürgerentscheid, falls der kommen sollte.“ Beim Ratsbürgerentscheid im März 2015 stimmten 57 Prozent vor allem wegen der hohen Kosten und des Streckenverlaufs gegen die Verlängerung, 43 Prozent waren dafür - bei einer Wahlbeteiligung von 23 Prozent.
Im Rat sah Linken-Ratsfrau Heike Hansen am Montag die neue Bahnlinie nur als Startprojekt. „Für die Mobilitätswende benötigen wir einen zusätzlichen Ausbau des Nahverkehrs, so dass er gut und verlässlich ist.“ Grünen-Ratsherr Tim Dobnik findet, dass „diese Straßenbahn ein sehr kosteneffizientes Mobilitätsprojekt ist - und wir brauchen den Lückenschluss gegen das Verkehrschaos am Centro.“ Das sei auch schon vor zehn Jahren sinnvoll gewesen. FDP-Ratsherr Marc Hoff will gar nicht mehr darüber diskutieren, wer damals alles falsch entschieden hat: „Fest steht, wir müssen es heute besser machen.“
Schon ab 2030 sollen Fahrgäste die neue Straßenbahnstrecke nutzen können
Der Zeitplan ist durchaus ambitioniert: Die Planung soll inklusive Genehmigungen in den nächsten drei Jahren fertig werden, schon 2027 sollen die Bagger rollen. Bei einer Bauzeit von drei bis dreieinhalb Jahren rechnet die Stoag mit dem Start der Bahn im Laufe des Jahres 2030. Und dann geht es im Zehn-Minuten-Takt zum Centro oder nach Frintrop – und abwechselnd alle 20 Minuten vom Centro Richtung Oberhausener Hauptbahnhof und Bahnhof Sterkrade, weil die Straßenbahn mal in die eine, mal in die andere Richtung fährt.