Oberhausen/Essen. Neuer Anlauf für die Verlängerung der wichtigen Straßenbahnverbindung zwischen Oberhausen und Essen zum Centro. Die Kosten sind hoch.
Auf der Strecke fehlen nur 3,5 Kilometer Straßenbahn-Schienen, doch diese Lücke der Straßenbahnlinie 105 zwischen ihrem (bisherigen) Endhaltepunkt an der Unterstraße in Essen-Frintrop und dem Centro Oberhausen konnte trotz jahrzehntelanger Planung bisher noch nicht geschlossen worden.
Dabei ist dieser Lückenschluss verkehrswirtschaftlich fürs westliche Ruhrgebiet nach Daten von Verkehrsfachleuten extrem wichtig: Es gäbe eine zusätzliche direkte Schienenverbindung zwischen dem Essener Hauptbahnhof, Essen-Frintrop, dem Centro, Sterkrade und dem Oberhausener Hauptbahnhof. „Die Schiene ist das Rückgrat des ÖPNV-Netzes. Von der Verbindung würde das gesamte Netz der Region profitieren“, sagt die Rathaus-Bereichsleiterin Mobilität, Ricarda Mauksch. „Die vorgeschriebene Kosten-Nutzen-Analyse ergibt hervorragende, überdurchschnittliche Werte.“
Die Stadt Oberhausen und die Mehrheit des Rates sind deshalb fest entschlossen, diesmal die Netzlücke zu schließen. Nach einigem Rätselraten über den genauen Kostenumfang des Lückenschlusses liegt nun von der Stadtführung ein neues detailliertes 25-Seiten-Papier für eine Grundsatzentscheidung des Rates vor, das dieser in seiner ersten Sitzung dieses Jahres am 5. Februar 2024 beschließen soll. Dabei legt der Rat die anvisierte neue Streckenführung der Linie 105 fest und gibt Gelder für die konkrete Planungsphase frei. Später sind weitere Beschlüsse notwendig.
Zwar handelt es sich hier nicht um eine komplett neue Straßenbahnstrecke, sondern nur um ein kleines Teilstück, das errichtet werden muss. Trotzdem sind selbst 3,5 Kilometer Straßenbahn, absolut betrachtet, ziemlich teuer für die Steuerzahler. Die Stadt Oberhausen kalkuliert jetzt mit über 130 Millionen Euro an Bau- und Planungskosten, dabei sind realistische Kostensteigerungen von vier Prozent für Bauten der nächsten Jahre eingerechnet.
Weil der Nutzen an besserer Mobilität für die Region so hoch ist, zahlen Bund und Land hohe Zuschüsse: Sie übernehmen zwischen 90 und 95 Prozent der Baukosten. Inklusive der Aufwendungen für die Planung wird die Stadt Oberhausen je nach Förderungsanteil 15,6 bis 21,6 Millionen aus eigener Tasche übernehmen müssen. Geschultert wird dies über eine wohl verkraftbare jahrzehntelange Abschreibung der Strecke von der Stoag, die in Oberhausen die öffentlichen Busse und Bahnen betreibt. Die zusätzlichen Betriebskosten der Strecke beziffert die Stoag auf fünf bis sechs Millionen Euro.
Im März 2015 hatten die Wähler bei einem vom Rat initiierten Bürgerentscheid die früher geplante Streckenvariante mehrheitlich abgelehnt, obwohl die Fachbewerter den Nutzen der Strecke bereits damals doppelt so hoch einschätzten wie die Kosten von rund 81 Millionen Euro. Zu teuer, zu laut, zu sehr das Stahlwerksgelände durchschneidend und nicht nützlich genug, da man doch auch in den Bus 185 von der Straßenbahn an der Unterstraße umsteigen kann, um zum Centro zu kommen, fanden die Kritiker.
An so einen Bürgerentscheid ist die Politik aber rechtlich ohnehin nur zwei Jahre gebunden. Und: Die 2015 abgelehnte Trasse ist geändert worden: Statt in weiten Teilen aufgeständert quer übers Stahlwerksareal, führt sie nun weitgehend ebenerdig in einem Bogen an einem seit 2019 geplanten neuen Wohnviertel am Mühlenbach vorbei. Über die Osterfelder Straße gelangt sie mithilfe einer Brücke. „Wir führen die Straßenbahnstrecke auf einem Rasengleis über das Stahlwerksgelände durch das geplante Grüngebiet, das die Wohnungen vom Gewerbegebiet trennen wird“, erläutert Stoag-Verkehrsmanager Jochen Sander in einem Gespräch mit der Redaktion. „Durch das Wohngebiet ist die Strecke noch wertvoller, die Nachfrage nach der Bahn erhöht sich.“ Allerdings: Obwohl die teure Aufständerung der alten Streckenführung wegfällt, ist der Lückenschluss mit neuem Trassenverlauf seit 2015 um über 50 Millionen Euro teurer geworden.
Der Zeitplan für die neue Teilstrecke ist durchaus ambitioniert: Die Planung soll inklusive Genehmigungen in den nächsten drei Jahren fertig werden, schon 2027 sollen die Bagger rollen. Bei einer kalkulierten Bauzeit von drei bis dreieinhalb Jahren rechnet die Stoag damit, dass im Laufe des Jahres 2030 Essener und Oberhausener ohne aufwändigen Bus-Umstieg mit der Straßenbahn schnell und komfortabel in die jeweilige Nachbarstadt fahren können. Und das im Zehn-Minuten-Takt zum Centro oder nach Frintrop – und abwechselnd dann alle 20 Minuten vom Centro Richtung Oberhausener Hauptbahnhof und Bahnhof Sterkrade, weil die Straßenbahn mal in die eine, mal in die andere Richtung fährt.
Oberbürgermeister Daniel Schranz und der städtische Planungsdezernent Thomas Palotz rechnen nicht damit, dass es aus der Bevölkerung eine ähnlich große Welle an Kritik gegen eine Straßenbahnverlängerung gibt wie noch 2014 und 2015. „Die Akzeptanz der Elektromobilität ist in Klimawandel-Zeiten in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen“, sagt Palotz. Und Schranz ist überzeugt: „Wir können möglichen Einwänden gegen das Projekt gut begegnen. Es ist doch klar, dass wir den Verkehrsfluss am Centro verbessern müssen. Wir entlasten mit der Bahn den gesamten Bereich der Neuen Mitte.“ Zudem sei die steuerliche Förderung durch Bund und Land im Vergleich zu 2015 sogar noch verbessert worden.
Aus den Fehlern der Vergangenheit haben die Verantwortlichen gelernt: Die Bürger sollen diesmal sehr früh beteiligt werden – sogar mithilfe einer auf Großprojekte spezialisierten Agentur für Öffentlichkeitsarbeit. Das Versprechen in der Beschlussvorlage für den Rat lautet: „Der gesamte Prozess wird durch eine Bürgerbeteiligung und Kommunikation begleitet. Wichtig bei allen Planungsschritten ist, eine transparente Kommunikation zwischen den Entscheidungsträgern, der beauftragten Agentur und den Oberhausener Bürgerinnen zu gewährleisten.“