Oberhausen. Die Straßenbahnlinie 105 soll von Essen übers Centro nach Sterkrade geführt werden. Nahe der Bahn soll ein neues Wohnviertel am Centro entstehen.

  • 3500 Bürger sollen sich am Rhein-Herne-Kanal ansiedeln – und in einem neuen Wohnquartier wohnen.
  • Das Wohnquartier entsteht auf dem Stahlwerksgelände und auf dem früheren Newag-Areal.
  • Das schon 2020 aufgelegte wichtige Immobilien- und Stadtplanungsprojekt soll nun Fahrt aufnehmen.

Schon vor vier Jahren zogen die Verantwortlichen der Stadt Oberhausen die Idee wie ein Zauberer das weiße Kaninchen aus dem Zylinderhut: Auf dem einstigen Gewerbe- und Industriegebiet, dem hinteren Stahlwerksgelände und dem Areal des insolventen Maschinenbauers Newag soll ein neues Wohnquartier für Oberhausener werden. 3500 Bürger sollen sich auf dem 15 Hektar großen Gelände südlich des Rhein-Herne-Kanals ansiedeln – mitten in der Natur in Ein- und Zweifamilienhäusern, in mehrgeschossigen Wohngebäuden.

Doch nach einer aufwendigen offiziellen Vor-Ort-Präsentation im Mai 2020, garniert mit den üblichen Marketing-Sprüchen („Wir planen hier ein Quartier fürs Wohnen im 21. Jahrhundert“ – Oberbürgermeister Daniel Schranz) ist es ruhig geworden um dieses Vorzeigeprojekt der Stadt. Pandemie, Flüchtlingskrisen, Personalengpässe belasteten die Arbeit der strategischen und stadtplanerischen Vordenker. Nun aber soll das Wohn-Projekt Fahrt aufnehmen – der noch immer recht neue Planungsdezernent Thomas Palotz, seit 1. Januar 2022 als Nachfolger von Sabine Lauxen im Amt, trifft sich mit Grundstückseigentümern, um die Lage zu sondieren.

Städtebauwettbewerb für Newag und Stahlwerksgelände geplant

Danach soll ein städtebaulicher Wettbewerb als Ideenschmiede gestartet werden. Dabei überlegen sich bundesweit anerkannte Fachleute, was sich rund um die alten Newag-Industriehallen und am Rande von Hornbach, Pflanzen-Großhändler Landgard und Möbelhaus Poco gestalten lässt, damit sich Tausende Menschen im neuen Quartier wohlfühlen.

Die Einfahrt des früheren Maschinenbauers Newag liegt an der Ripshorster Straße in der Nähe der Riwetho-Siedlung (früher Thyssen-/Gutehoffnungshütte-Werkssiedlung).
Die Einfahrt des früheren Maschinenbauers Newag liegt an der Ripshorster Straße in der Nähe der Riwetho-Siedlung (früher Thyssen-/Gutehoffnungshütte-Werkssiedlung). © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Einfach wird es jedenfalls nicht, den Rathaus-Traum eines architektonisch attraktiven, klimafreundlichen, natur-nahen Wohnquartiers Wirklichkeit werden zu lassen. Denn die Stadt selbst ist nicht Eigentümer der freien Flächen, sondern muss gleich drei unterschiedlich schwierige Besitzer des Areals überzeugen, aus den Grün- und Brachflächen Zukunftsträchtiges wachsen zu lassen.Die Newag-Industriehallen inklusive eines Teils der nahen Umgebung gehört dem Oberhausener Abbruch-Unternehmer Christian Becker mit drei anderen Investoren (PLG-Projektgesellschaft Lokschuppen), ein größeres Grundstück ist im Eigentum der sehr umtriebigen Thelen-Gruppe aus Essen und das gesamte Stahlwerksgelände (früher Thyssen) gehört seit 2006 dem Auktionshaus für Baumaschinen Euro Auctions Ltd. aus dem nordirischen Dromore.

Alle drei Eigentümer mit unterschiedlichen Interessen auf eine Vision einzuschwören, ist eine äußerst schwierige Aufgabe – erst recht in diesen Zeiten, in denen die Baubranche mit extrem gestiegenen Preisen, Lieferengpässen und Facharbeiter-Mangel zu kämpfen hat. 2020 jedenfalls ließ sich Basil O’Malley, Finanzvorstand von Euro Auctions Immobilien, noch begeistert so zitieren: „Die nächste Entwicklungsphase des ehemaligen Stahlwerksgeländes steht im Einklang mit unserem Wunsch, im Business Park O. weitere Arbeitsplätze zu schaffen, eine große Anzahl an Besuchern anzuziehen und einen Ort zu schaffen, den die Menschen sehr gerne und stolz ,Zuhause’ nennen. Ich bin begeistert und kann kaum abwarten, dass wir starten.“

Profil der Zielgruppen von Mietern und Eigentümer herausarbeiten

Doch die nordirische Ungeduld wurde bisher nicht befriedigt – und nun stehen noch zahlreiche Vorarbeiten an, bevor der erste Bauarbeiter den ersten Stein für das Quartier setzt. „Zunächst müssen wir klären, welche Zielgruppen wir in den Blick nehmen: Wer will dort wo unter welchen Bedingungen leben?“, kündigt Palotz im Gespräch mit der Redaktion an. Die beiden Areale, für die man Wohnbebauung anstrebt, seien sehr unterschiedlich ausgeprägt. „Das Newag-Gelände mit der alten, architektonisch durchaus beeindruckenden Industriehalle ist im Grünen gelegen; auf dem hinteren Stahlwerksgelände muss man das Problem lösen, dass die Bewohner hier auf ein Gewerbe- und Handelsgebiet schauen.“

Aus den alten Industriehallen des Oberhausener Maschinenbauers Newag lässt sich etwas Neues zaubern: Co-Working-Spaces, Büroflächen, Kulturstätte, Freizeitevents – all dies existiert in den Überlegungen der Stadtplaner. Auf dem Newag-Areal soll eine neue Wohnsiedlung entstehen.
Aus den alten Industriehallen des Oberhausener Maschinenbauers Newag lässt sich etwas Neues zaubern: Co-Working-Spaces, Büroflächen, Kulturstätte, Freizeitevents – all dies existiert in den Überlegungen der Stadtplaner. Auf dem Newag-Areal soll eine neue Wohnsiedlung entstehen. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Dem obersten Oberhausener Stadtplaner schwebt für das Newag-Gelände ein „auto-armer Stadtteil der kurzen Wege“ vor, mit einer neuartigen Mischung aus leisem Gewerbe (Büroflächen in den Newag-Hallen), Ein- und Zweifamilienhäusern sowie einigen Mehrfamilienhäusern vor. Obwohl in einem Guss geplant, sollen die Häuser individuellen Charakter besitzen.

Ist mit den Eigentümern im Gespräch: Thomas Palotz, oberster Stadtplaner der Stadt Oberhausen.
Ist mit den Eigentümern im Gespräch: Thomas Palotz, oberster Stadtplaner der Stadt Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Viel schwieriger mit Wohnhäusern attraktiv zu bebauen, ist nach Ansicht von Palotz das untere Stahlwerksgelände – trotz seiner Nähe zum oberirdisch verlegten und seit 2017 neu mäandernden Läppkes Mühlenbach. Bei beiden Wohnquartieren strebt die Stadt Oberhausen aber ein Höchstmaß an Klimafreundlichkeit und eine Durchmischung von gut situierten Mietern/Eigentümern und ärmeren Familien in Sozialwohnungen an. „Selbstverständlich denken wir den Klimaschutz bei solchen Neubauten mit – anders würde man auch keine Förderungen mehr generieren können“, sagt Palotz.

Verlängerung der Straßenbahn 105 von Essen-Frintrop zum Centro geplant

So ist es ein großer Vorteil für beide Siedlungen, dass die Straßenbahn 105 bei der geplanten Verlängerung von Essen-Frintrop zum Centro und weiter nach Sterkrade in der Nähe der Wohnareale verlaufen soll. Das sieht zumindest die neue Planungsvariante der Strecke vor, die nicht mehr wie bei der ersten Planung auf Stelzen quer übers Stahlwerksgelände führen wird.

Die Mehrheit von gut 23 Prozent der Oberhausener Wahlberechtigten hatten im Frühjahr 2015 den Bau dieser 3,3 Kilometer Strecke, damals 81 Millionen Euro teuer, abgelehnt. Und das trotz eines Bundes- und Landeszuschusses von 66 Millionen Euro. Die Mehrheit der Oberhausener Politik ist jedenfalls entschlossen, mit dem neuen Masterplan 4.0 für die Neue Mitte rund ums Centro einen neuen Anlauf für die Straßenbahn zu nehmen. Denn dieser Masterplan sieht ebenfalls die Verlängerung der Straßenbahn-Strecke als klimafreundliche Notwendigkeit vor.