Oberhausen. Den Wocheneinkauf bequem per Lieferdienst erhalten: Neben Picnic versucht sich auch Aldi in dem Geschäft. Doch wer ist besser?
- Immer mehr Menschen lassen sich Lebensmittel nach Hause bringen. Der Lieferdienst Picnic ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen
- Der Discounter Aldi testet in ausgewählten Städten ebenfalls einen Bringdienst für den Wocheneinkauf
- Wir haben beide Anbieter getestet und miteinander verglichen
Tante Emma hieß früher Helga und Werner Tratnik. Ihr kleines Lebensmittelgeschäft auf der Schillerstraße 7 in Oberhausen gab es von 1955 bis 1997. Die Tratniks kannten ihre Kundinnen und Kunden genau. Sie wussten, wer montags Milch und samstags Bier kauft, wer gerne deftig kocht und wer sehnsüchtig auf die Spargelsaison wartet. Sogar einen Lieferservice für das Marienviertel hatten sie, und ihr Sohn Jörg durfte mehr als einmal ein halbes Pfund Butter zur Nachbarin in den dritten Stock bringen. Im Jahr 2023 heißen die Lieferdienste Picnic und meinAldi, und auch sie kennen ihre Kunden genau. Tante Emma ist heute ein Computer-Algorithmus.
Seit Anfang 2021 beliefert der niederländische Anbieter Picnic in Oberhausener Haushalte, Aldi Süd folgte als „meinAldi“ Mitte 2023. Seitdem buhlen die beiden Giganten mit einem identischen Konzept um unsere Gunst: Online per App bestellen, einen konkreten Liefertermin auswählen und sich die Ware bis vor die Haustür bringen lassen. Geliefert wird mit einem elektrischen Mini-Lieferwagen, der über ein ausgeklügeltes System aus Transportboxen und Barcodes verfügt (lesen Sie auch: Aldi-Süd: Lebensmittel-Lieferdienst bleibt Testballon).
Oberhausener Ehepaar testet Lieferdienste von Picnic und Aldi
Doch gibt es Unterschiede? Wir machen den Test und lassen Picnic gegen Aldi in einem Musterkauf antreten. Unsere Tester sind Daniela und Michael Oelsner, die eine typische Karriere vom Laden zum Lieferservice hinter sich haben: „Corona war für uns der Auslöser“, sagt Michael Oelsner. Anfangs bestellte das Ehepaar einmal im Monat, inzwischen ist es ein wöchentlicher Rhythmus mit bemerkenswerter Disziplin. Daniela Oelsner plant den Speiseplan für die kommende Woche und legt, durchaus über Tage verteilt, die Lebensmittel in den Online-Warenkorb. Mittwochs wird bestellt und der Liefertermin wird in einem engen Zeitfenster genau festgelegt, bei den Oelsners ist das meist der Samstagvormittag.
„Seitdem kaufen wir insgesamt weniger ein“, fasst der Oberhausener die Vorteile zusammen, „wir machen kaum noch Spontankäufe, haben deutlich weniger Verpackungsmüll und kaufen gezielter ein.“ Auch das Umweltargument zählt auf der Habenseite. Die Lieferung erfolgt mit dem Elektromobil, die Fahrt mit dem eigenen Auto entfällt. Und die wichtigste Frage im Land der Discount-Schnäppchenjäger? „Die Preise sind wie im Laden inklusive der Aktionsangebote und die Lieferung ist ab einem Mindestbestellwert kostenlos“, weiß Michael Oelsner.
Die Lieferdienste haben in den Oelsners echte Fans gefunden: „Genau das Richtige für mich“, sagt Michael Oelsner, „Einkaufen ist ein Muss, das sollte so kurz wie möglich sein. Mit dem Lieferdienst gewinne ich Lebenszeit zurück. Keine Hektik im Laden, ich lasse mich nicht von den Verkaufsstrategien der Supermärkte beeinflussen. Grandios!“
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Aldi vs. Picnic: Der Testkauf
Die Bestellung unseres Testkaufs erfolgte in der 47. Kalenderwoche innerhalb einer halben Stunde, als Lieferdatum war Samstag, 25. November 2023 ausgewählt. Wir kauften identisch ein: An Obst und Gemüse fünf Bananen, eine Salatgurke, Champignons, Kartoffeln und Mini-Tomaten. Dazu Haferflocken, H-Milch, Quark, Margarine und Vollkorn-Toast. Aus der Kühlung bestellten wir die Fleischprodukte Salami, Hähnchenbrustfilet am Stück und als Wurst, sowie eine Tiefkühl-Beerenmischung.
Lieferdienste von Aldi und Picnic: Die Preise
Aldi wirbt ausdrücklich mit dem Versprechen, online und in den Filialen die gleichen Preise anzubieten. Tatsächlich war der Lokalmatador aus Mülheim bei einem Warenwert von rund 30 Euro am Ende 2,15 Euro günstiger. Genau: Bei Picnic zahlten wir 30,45 Euro, bei Aldi nur 28,30 Euro. Die meisten Preise waren identisch, zum Beispiel für das Hähnchenbrustfilet, den Quark, die Milch und die Salatgurke. Aldi war günstiger bei Champignons (1,50 Euro statt 1,99 Euro), Kartoffeln (2,19 statt 2,49 Euro), Haferflocken (0,79 und 0,85 Euro), Vollkorntoast (1,19 und 1,25 Euro), Salami (2,39 und 2,99 Euro) und den Minitomaten (2,89 und 2,99 Euro). Die fünf Bananen kosteten bei Aldi 0,95 Euro und bei Picnic 1,29 Euro, waren aber unterschiedlich groß und daher nicht direkt vergleichbar. Auch der Kilopreis hilft nicht weiter, denn Bananen werden im Ladenlokal gewogen, hier aber pro Stück mit einem Durchschnittsgewicht von 160 Gramm gerechnet. Den größten Unterschied gab es bei den Tiefkühlbeeren. Bei Aldi bekamen wir die doppelte Menge (1 kg statt 500 g) zum günstigeren Preis (3,29 Euro statt 3,58 Euro). >>> Auch interessant:Lieferdienst Pottsalat erweitert Speisenangebot
Lieferdienste im Vergleich: Die Qualität
„Alles top, wie immer“, lautet das Fazit von Michael Oelsner über den Einkauf. Er hatte in den letzten Jahren sehr selten Grund zur Beanstandung. Sollte doch einmal ein Produkt nicht in Ordnung sein, wie zum Beispiel ein eingedrückter Deckel beim Quark im Testkauf, kann dies sofort in der App reklamiert werden. Die Mindesthaltbarkeitsdaten waren etwas unterschiedlich, aber alle in Ordnung.
Aldi v.s Picnic: Mindestbestellwert und kostenlose Lieferung
Die Lieferdienste kommen nicht, wie Tratniks früher, für ein Pfund Butter bis vor die Haustüre. Bei Picnic müssen Waren für mindestes 40 Euro im Warenkorb sein, damit eine Bestellung überhaupt möglich ist, Aldi ist großzügiger und kommt ab 20 Euro Mindestbestellwert. Dafür ist eine Lieferung bei Picnic immer kostenlos, bei Aldi erst ab einem Warenwert von 50 Euro, sonst werden 4,50 Euro als Servicegebühr fällig. Es gibt auch Grenzen nach oben. So kann nicht beliebig viel eines Produkts bestellt werden, bei Milch sind es beispielsweise 20 Liter bei Picnic und 50 Liter bei Aldi. >>> Mehr zum Thema: „Super Sache“: Das sagen Kunden zum Aldi-Lieferdienst
Aldi und Picnic im Test: Lieferfristen und Pünktlichkeit
Gekühlte Lebensmittel müssen, im Gegensatz zu Kleidungsstücken, dem Käufer persönlich übergeben werden. Die Lieferdienste haben daher ein System entwickelt, das nur mit Computerunterstützung funktioniert. Bei der Bestellung wählt der Kunde einen Liefertermin, der auch einige Tage in der Zukunft liegen kann. Auch die Uhrzeit kann bis auf maximal eine Stunde genau angegeben werden, bis in den späten Abend hinein. „Das klappt sehr gut“, bestätigen die Oelsners, die bereits über 50 Mal auf diese Weise bestellt haben. Bei unserem Test waren die Fahrer von Picnic und Aldi pünktlich, eine Lieferung wäre bis 22 Uhr (Picnic) und 21 Uhr (Aldi) möglich gewesen.
Lieferdienste: Wiederholte Bestellungen
Es ist erschreckend, wie gut ein Online-Anbieter seine Kundinnen und Kunden kennt. Wer Angst davor hat, zum gläsernen Kunden zu werden, sollte keine Online-Bestellungen tätigen. Die Vorschläge in der App passen zu den bisherigen Einkäufen, Quark und Haferflocken zum Beispiel gehen bei Oelsners immer. Aber auch das ist ein Vorteil für sie, denn unter „Meine Produkte“ bekommen sie Waren angezeigt, die sich wiederholen. Ein Klick darauf und Quark und Haferflocken sind wieder bestellt. >>> Auch interessant:Leere Regale: Warum Rewe und Co. noch länger Artikel fehlen
Aldi und Picnic: Umweltfreundlich
Beide Lieferdienste setzen auf kleine Elektrofahrzeuge, die sich auch äußerlich ähneln. Aldi macht keine Angaben, woher die Lieferungen kommen, unterhält aber einige Zentrallager in der Nähe. Picnic bezieht seine Waren von Edeka und lokalen Produzenten wie Landwirten. Die Waren werden in Herne zusammengestellt und vom „City-Hub“ in Oberhausen ausgeliefert. „Aber“, räumt unser erfahrener Testkäufer Oelsner ein, „Picnic verpackt in Plastiktüten, Aldi in Papiertüten. Ich würde mir ein Mehrwegsystem mit Pfandboxen wünschen“.
Lieferdienste in Oberhausen: Bestellen per App
Die App ist die Schaltzentrale des Einkaufs. Wie gewohnt erhält der Kunde hier die digitalen Kassenbons, sieht seine Bestellungen, hat seine Favoriten und einen großen Berg an Werbung, verpackt in saisonale oder thematische Aktionen wie „Wintergrillen“ oder „Plätzchen backen“. Darin unterscheiden sich die Anbieter kaum, aber, so Michael Oelsner: „Beide Apps von Picnic und Aldi sind einfach zu bedienen. Mir persönlich gefällt Picnic etwas besser, die App ist irgendwie freundlicher, Aldi etwas nüchterner gehalten“.
Aldi vs. Picnic: Das Sortiment
Sowohl Picnic als auch Aldi verstehen das Online-Shopping als Wocheneinkauf für Familien. Das Sortiment entspricht daher dem eines normalen Supermarktes von Aldi oder Edeka, inklusive Getränken. Die Fahrerinnen und Fahrer liefern den Einkauf bis vor die Wohnungstür, wie früher bei Tratniks auch in den dritten Stock.
Lieferdienste Aldi und Picnic: Die Warteliste
Bei beiden Lieferdiensten gibt es eine Warteliste für Neukunden. Mit einer Adresse in Buschhausen mussten wir bei Picnic einen Monat, bei Aldi zwei Monate warten, bis eine Bestellung möglich war. Aldi nennt keine Zahlen, Picnic beliefert derzeit 23.000 Haushalte in Oberhausen.
Picnic und Aldi in Oberhausen: Die Zukunft
Auch hier hält sich der Riese Aldi bedeckt, sagt aber: „Der Online-Handel mit Lebensmitteln ist in Deutschland derzeit kein profitables Geschäftsmodell“ und bezeichnet den Lieferservice als lokal und zeitlich begrenzten neuen Service im Bereich Home Delivery. Picnic sieht das anders und denkt groß. Das Unternehmen plant, sein Sortiment um Drogerieprodukte zu erweitern und auf dem Edeka-Gelände am Goldammerweg in Oberhausen „im zweiten Halbjahr 2024 das größte E-Food-Lager der EU zu eröffnen, um noch mehr Haushalte im Ruhrgebiet mit Lebensmitteln beliefern zu können“.
Lieferdienste von Aldi und Picnic im Test: Das Fazit
Unsere Tester sind sich sicher: Die moderne Variante der „Tante Emma“ bietet mehr als nur eine bequeme Alternative zum traditionellen Einkauf. Beide Dienste überzeugen durch Qualität, Pünktlichkeit und ein umfassendes Sortiment, wobei es kleine Unterschiede in Preisgestaltung und Nutzerfreundlichkeit der Apps gibt. Während Aldi bei den Preisen leicht die Nase vorn hat, punktet Picnic mit einer ansprechenderen App.