Oberhausen. Viele Behandlungen sollen die Krankenhäuser in Oberhausen gar nicht mehr anbieten. Auch die Palliativmedizin ist betroffen.

Wie viele Krankenhäuser und welche Stationen benötigt eine rund 210.000 Einwohner starke Stadt? Eine Frage, über die hinter den Kulissen längst heftig zwischen den örtlichen Klinikbetreibern und den Krankenkassen gestritten wird. Es geht ans Eingemachte. Die ersten Auswirkungen der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und den Ländern geplanten Krankenhausreform schockieren schon jetzt Tausende Patientinnen und Patienten in Oberhausen.

Der Schweizer Krankenhausbetreiber Ameos preschte kürzlich vor und kündigte an, seine Schmerzambulanz und die Schmerzklinik im Marienhospital in Oberhausen-Osterfeld zum 15. Dezember 2023 zu schließen. Behandelt werden dort rund 2400 Patienten pro Jahr. Im ebenfalls zu Ameos gehörenden St. Clemens Klinikum in Oberhausen-Sterkrade werden außerdem bald keine Gefäß- und plastischen Operationen mehr stattfinden. Einschnitte planen die Krankenkassen aber auch im Evangelischen Krankenhaus Oberhausen (EKO) sowie in der Helios St. Elisabeth Klinik.

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Überrascht von der unerwarteten Ameos-Ankündigung zeigte sich jetzt im Sozialausschuss Beigeordneter Frank Motschull. „Ich hätte erwartet, dass der städtische Gesundheitsbereich vorab über einen solchen Schritt informiert wird.“ Eine rechtliche Verpflichtung dafür habe Ameos gleichwohl nicht. „Es handelt sich ja um ein privates Unternehmen.“ Allerdings sei es schon bemerkenswert, „dass wir bei Begehrlichkeiten, wie bei zusätzlichen Parkplätzen für Beschäftigte, ganz schnell eingeschaltet werden – in diesem Fall jedoch nicht!“. Einer Ansicht, der auch SPD-Ratsfrau Denise Horn (SPD) zustimmt. „Zumal uns mehrfach von der Krankenhaus-Geschäftsführung versichert wurde, dass es zu keiner Schließung kommen wird.“

Sieben weitere Behandlungsbereiche im St. Clemens Klinikum könnten wegfallen

Im Gespräch mit dieser Redaktion hatte Ameos-Regionalgeschäftsführer Karsten Bepler immerhin versichert, dass zumindest die Schmerzambulanz ans St. Clemens Klinikum in Sterkrade verlagert werden soll. Ab Januar 2024 sollen die betroffenen Patienten dort behandelt werden, wenn das Personal mitzieht. Für das Aus der Gefäßchirurgie gebe es aber keine Alternative. Bereits geeinigt hat sich Ameos mit den Krankenkassen darüber hinaus auf den Verzicht von sieben weiteren Behandlungsbereichen im St. Clemens Klinikum. Dazu gehört die Palliativmedizin (100 Fälle pro Jahr) und die Hals-Nasen-Ohren-Klinik (HNO, ebenfalls 100 Fälle). Wegfallen sollen darüber hinaus die Behandlungsbereiche Speiseröhre (26), Eierstockkrebs (20), Bauchaortenaneurysma (10 Fälle), die Adipositaschirurgie (10) sowie alle Eingriffe an der Leber (10). Ginge es nur nach den Krankenkassen, würden im St. Clemens Klinikum zusätzlich zwölf weitere Behandlungsfelder gestrichen.

Als Deutschlands größter Krankenhausträger mit viel Erfahrung im Krankenhausmanagement kann Helios viele Effizienzvorteile nutzen
Anna Berrischen

Den Rotstift würden die Kassen aber allzu gerne auch in der Helios St. Elisabeth Klinik in Styrum ansetzen. Anvisiert sind folgende Bereiche: HNO (200 Fälle), Endoprothetik (künstliche Gelenke) fürs Knie (160), Endoprothetik Hüfte (140), Revision Hüftendoprothese (also erneute Operationen im Bereich eines bereits eingesetzten künstlichen Hüftgelenkes, 20 Fälle) sowie Revision Knieendoprothese (15).

Doch Helios setzt sich zur Wehr und greift auf die finanziellen Polster des Konzerns zurück. Die Oberhausener Klinikgeschäftsführerin Anna Berrischen betont: „Als Deutschlands größter Krankenhausträger mit viel Erfahrung im Krankenhausmanagement kann Helios viele Effizienzvorteile nutzen, die sich unter anderem aus der Netzwerkgröße, Cluster-Bildung und standardisierten Prozessen ergeben.“ Zudem habe sich das Haus neben der Grund- und Regelversorgung schon vor Jahren zusätzlich auf medizinische Schwerpunkte, wie die Dermatologie, Wirbelsäulen- und Fußchirurgie, Schmerztherapie, Endoprothetik, Pneumologie und Adipositasbehandlung konzentriert, „die dank des großen Engagements unserer Mitarbeitenden zu echten Leuchttürmen in der Region gewachsen sind“.

Auch das Evangelische Krankenhaus Oberhausen kämpft um jeden Leistungsbereich

Auch das Evangelische Krankenhaus Oberhausen (EKO) kämpft – unter anderem um: die Behandlung von Eierstockkrebs (Ovarial-CA , 30 Fälle), Neuro-Frühreha (20) und tiefe Rektumeingriffe (10). Dass es im EKO schon bald aber keine Palliativmedizin (30 Fälle) mehr geben wird, darin sind sich Krankenhaus und Kassen bereits einig. Damit würde mit St. Clemens in einem zweiten Oberhausener Krankenhaus die Palliativmedizin komplett entfallen - und dies ausgerechnet vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft.

„Noch ist aber nichts endgültig entschieden“, betont eine EKO-Sprecherin. „Wir gehen sogar davon aus, dass wir im EKO alle Abteilungen behalten werden.“ Denn zum Glück sei das Krankenhaus wirtschaftlich gut aufgestellt. Allerdings kämen 2024 auf alle Betreiber große finanzielle Herausforderungen zu. „Dazu gehören vor allem die nicht refinanzierten Tariferhöhungen, die wir als Krankenhaus finanzieren müssen, und fehlende Inflationsausgleiche.“

Geprüft werden die Verhandlungsergebnisse von Krankenhausbetreibern und Krankenkassen jetzt von der Bezirksregierung. Das letzte Wort aber hat das Land NRW. Mit konkreten Ergebnissen ist erst Ende 2024 zu rechnen.

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