Oberhausen. Gewinner? Verlierer? Der Bundesgesundheitsminister stellt die Krankenhausfinanzierung neu auf. Mitarbeitende in Oberhausen bangen um ihre Jobs.
Die Krankenhäuser in Deutschland müssen Berge von Problemen bewältigen. 60 Prozent der deutschlandweit 1900 Krankenhäuser plagen massive finanzielle Probleme. Corona-Pandemie und Energiekrise haben die Situation verschärft. Personalengpässe wirken sich längst auf die Behandlungsqualität aus. Die letzte große Krankenhausreform liegt 20 Jahre zurück. Nun will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Kliniklandschaft und deren Finanzierung neu aufstellen. Doch was bedeutet das für die Krankenhäuser in Oberhausen? Nicht nur im Ameos Klinikum St. Marien in Osterfeld ist die Anspannung groß.
Denn die Schweizer Ameos-Holding hatte bereits Anfang 2022 einen Großteil der Einrichtung freigezogen, dort sind bis heute Flüchtlinge untergebracht. Zugleich versicherte Ameos immer wieder, dass das Hospital in Osterfeld weiterbetrieben wird. Schmerzklinik, Geriatrische Tagesklinik, Kurzzeitpflege, Therapie- und Reha-Angebote im Reha-Zentrum sind noch vor Ort. Doch das galt vor den Reformplänen. Bedeuten sie für das Haus nun das endgültige Aus? Die Mitarbeitenden sind in großer Sorge, heißt es aus Kreisen der Gewerkschaft Verdi.
Das plant der Bundesgesundheitsminister
Lauterbach selbst hat mehrfach von einer „Revolution“ im System gesprochen. Patientinnen und Patienten sollen mehr nach medizinischen und weniger nach wirtschaftlichen Kriterien behandelt werden. Dafür will der Bundesgesundheitsminister zumindest ein Stück weit weg von den seit 2004 geltenden Fallpauschalen. Die grobe Rechnung sieht so aus: 40 Prozent der Gelder sind für das Vorhalten von Leistungen geplant, 60 Prozent sollen die Häuser dann aber doch noch über die Fallpauschalen erwirtschaften. Ausnahmen sollen für Geburtshilfe, Kinderheilkunde und Intensivmedizin gelten.
Komplett ohne Fallpauschalen arbeiten sollen künftig kleine Krankenhäuser, die eine wohnortnahe Grundversorgung – etwa durch Notfallambulanzen – gewährleisten. Kliniken der Stufe 2 sollen die regionale Regel- und Schwerpunktversorgung übernehmen, Häuser der Stufe 3, also Unikliniken, die maximale Versorgung. Das bedeutet aber auch: Dass nur noch Kliniken bestimmte Behandlungen durchführen dürfen, die ausreichend spezialisiert sind. Denn kompliziertere Eingriffe dürfen nur noch abgerechnet werden, wenn das Haus dafür auch die personelle und technische Ausstattung bereithält, wie dies etwa in zertifizierten Zentren bereits heute der Fall ist. Lauterbach will für seine Reform vorhandene Gelder lediglich umschichten, Mehrausgaben plant er nicht. Dies stößt unter anderem bei NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) auf Kritik, der mehr Geld für dringend nötig hält.
So reagieren die Krankenhäuser in Oberhausen
Mit den Ländern wird sich Lauterbach einigen müssen. Denn Bund und Länder stemmen die Krankenhausfinanzierung gemeinsam. Für die Betriebskosten der Kliniken ist der Bund verantwortlich. Sie werden über die Krankenkassen finanziert. Dazu gehören etwa die Kosten für Personal, Medikamente, die Verpflegung der Patienten. Für Neubauten oder Sanierungen sind die Länder zuständig. Sie entscheiden auch, wo ein Krankenhaus gebaut oder geschlossen wird. Doch gerade der Instandhaltungspflicht sind die Länder seit Jahren nicht mehr ausreichend nachgekommen. Das führte dazu, dass viele Krankenhäuser ihre Einnahmen nicht für zusätzliches Personal ausgaben, sondern selbst in den Gebäudeerhalt oder Ausbau investierten. So wie in Oberhausen-Mitte etwa das Evangelische Krankenhaus, das zuletzt stattliche 15 Millionen Euro in den Ausbau seiner Kinder- und Jugendklinik steckte. Dafür stockte das EKO den Förderbescheid des Landes NRW in Höhe von 9,8 Millionen Euro kurzerhand um 5 Millionen Euro aus der eigenen Tasche auf. „Wir schreiben seit Jahren schwarze Zahlen“, hieß es dazu von EKO-Geschäftsführer Dr. Peter Quaschner anlässlich der Vorstellung dieser Pläne.
Entsprechend zuversichtlich begegnet EKO-Sprecherin Silke Sauerwein nun auch den kommenden Reformplänen des Bundes, schränkt aber ein: „Wir gehen nicht davon aus, dass eine alleinige Umschichtung der Gelder ausreichend wäre, da so der Investitionsstau nach wie vor bestehen bliebe.“ Das EKO bewertet die in der Reform des Bundes geplanten Finanzierung der Vorhaltekosten von Technik und Personal positiv. Wichtig sei außerdem, dass die bisherige chronische Unterfinanzierung der Geburtshilfe und der Pädiatrie endlich beendet werden soll. „Im EKO haben wir über 2000 Geburten pro Jahr und bieten eine umfassende Behandlung für Kinder bis 18 Jahren an – hier bauen wir zukünftig auf eine leistungsgerechte Vergütung.“ In welche Stufe das Krankenhaus künftig eingeteilt werden könnte, stehe nicht fest. „Wir schätzen aber in Stufe 2.“ Und: „Wir gehen nicht davon aus, dass wir Abteilungen schließen müssen.“
Aus der eigenen Tasche kräftig investiert
Kräftig investiert hat auch die Helios-Klinikgruppe mit Sitz in Berlin. Sie ist eine der größten privaten Krankenhaus-Betreiber in Europa und investierte etwa rund 20 Millionen Euro in ihr einziges Hospital in Oberhausen, in die Helios St. Elisabeth Klinik in Styrum. 350 Mitarbeitende kümmern sich dort stationär um 9000 Patientinnen und Patienten sowie um 20.000 ambulante Kranke im Jahr. Klinikgeschäftsführerin Anna Berrischen begrüßt mit Blick auf die Reformpläne den Fokus auf mehr ambulante Versorgung, aber auch auf die bessere Finanzierung der zertifizierten Zentren. „Denn Helios bündelt schon heute in Kompetenzzentren die Expertise auf verschiedenen Fachgebieten.“
Auch das Johanniter Krankenhaus Oberhausen (JKO) in Sterkrade begegnet der kommenden Entwicklung mit Gelassenheit. „Wir sind ein wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge, das spiegelt sich einerseits in der zentralen, wohnortnahen Versorgung und andererseits in unserer spezialisierten Ausrichtung wider“, heißt es dazu von Krankenhaus-Sprecherin Jessica Reinartz. Träger des Hauses ist das Evangelische Klinikum Niederrhein, das an der Steinbrinkstraße unter anderem eine Dialyseabteilung und eine Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik betreibt. Groß sei die Erleichterung der Geschäftsführung aber auch darüber, dass die vom Land selbst angestoßene, neue Krankenhausplanung NRW22 und die nun vorgestellten Reformvorschläge des Bundes „zumindest in relevanten Teilen, wie der Einführung von Leistungsgruppen und Leistungsbereichen, Parallelen aufweisen“.
Zwei Reformen müssen unter einen Hut gebracht werden
Tatsächlich scheinen sich Bund und Länder als Verantwortliche inzwischen anzunähern, um diese so dringend benötigte Krankenhausreform gemeinsam voranzutreiben. Einigkeit herrscht jedenfalls schon jetzt über die schrittweise Abkehr von den Fallpauschalen.
Und was bedeutet all dies nun für Ameos und das Klinikum St. Marien? „Aufgrund der sehr komplexen Thematik möchten wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Kommentierung abgeben“, teilt Ameos-Sprecherin Christine Hertrich schriftlich mit. Vielleicht, weil sowohl die Reformpläne des Bundes als auch die des Landes ausdrücklich im Falle einer Überversorgung die Schließung von Krankenhäusern vorsehen? So pocht NRW-Gesundheitsminister Laumann (CDU) schon in seiner Landesreform etwa auf eine 20-Minuten-Regel. Danach sollen 90 Prozent der Bürger innerhalb dieser Zeit mit dem Pkw ein Krankenhaus mit internistischer oder chirurgischer Versorgung erreichen können. Im Ameos Klinikum St. Marien aber gibt es dieses Angebot schon längst nicht mehr.