Oberhausen. Hipgnosis-Kopf Storm Thorgerson war rabiater als die Rockstar-Kundschaft. Ins Schloss Oberhausen kommt 2024 auch „Zamonien“-Meister Walter Moers.

Wer beim prächtigen Jubiläumsfest der Ludwiggalerie nicht nur mit dem barocken Buffet befasst war, der konnte im gläsernen Foyer des großen Schlosses bereits zwei zuverlässig bizarre Exponate eines kommenden Ausstellungs-Glanzlichts bewundern: Denn dort kauerten in gläsernen Vitrinen großnasige Kreaturen aus dem an Bizarrerien so reichen Universum des Walter Moers.

Der inzwischen 66-jährige Comiczeichner und Großromancier, Erfinder des Käpt’n Blaubär wie des literarisch überproduktiven Lindwurms Hildegunst von Mythenmetz, war zuletzt vor zwei Jahren mit einem zamonischen Wimmelbild in der großen Überblicksausstellung „Unveröffentlicht“ in der Ludwiggalerie präsent – damals an der Seite von Kollegen von Wilhelm Busch bis Rötger „Brösel“ Feldmann. Die letzte Moers’sche Einzelausstellung in Oberhausen liegt allerdings schon volle zwölf Jahre zurück – bei einem so ausdauernd Kreativen dürfte sich da eine Menge angesammelt haben.

Kunstgeschichte in der Manier des „Käpt’n Blaubär“-Papas zeigte 2011 die Ausstellung „Die siebeneinhalb Leben des Walter Moers“. Am 22. September 2024 folgt die provokante Frage: „Was gibt’s denn da zu lachen?“
Kunstgeschichte in der Manier des „Käpt’n Blaubär“-Papas zeigte 2011 die Ausstellung „Die siebeneinhalb Leben des Walter Moers“. Am 22. September 2024 folgt die provokante Frage: „Was gibt’s denn da zu lachen?“ © FFS | Hayrettin Özcan

„Was gibt’s denn da zu lachen?“ lautet, fast despektierlich, das Motto der nun für den Herbst 2024 angekündigten Retrospektive. 2011 zeigten Christine Vogt und ihr Team noch einen verwegenen Galopp durch die Kunstgeschichte: sei es Edvard Munchs „Schrei“ am Anfang der Moderne in einer Moers’schen Variation, sei es eines jener Fetisch-Möbel des britischen Pop-Artisten Allen Jones, die heute kaum noch ein Ausstellungshaus zu zeigen wagt. Da wird bei den Kuratorinnen auch 2024 Feingefühl gefragt sein, wenn es gilt, ein Spektrum zu bedienen, das vom knuddeligen Käpt’n bis zum „Äch bin wieder da!“-Adolf reichen könnte.

Pink Floyd in jungen Jahren – die liebsten Kunden der Designagentur Hipgnosis.
Pink Floyd in jungen Jahren – die liebsten Kunden der Designagentur Hipgnosis. © Presse | Aubrey Powell & Storm Thorgerson / Hipgnosis

Apropos Spektrum: Warum ausgerechnet ein im Prisma aufgefächertes Farbenspektrum auf schwarzem Grund als womöglich größter Geniestreich in der Plattenhüllen-Gestaltung gilt, lässt sich wohl nur mit der Wirkung gepflegten Understatements erklären. Denn das Cover für Pink Floyds rund 50 Millionen mal verkauftes Album „The Dark Side of the Moon“ ist mit dieser Zurückhaltung ziemlich untypisch für die britische Design-Agentur Hipgnosis: Deren kreative Köpfe, Storm Thorgerson (1944 bis 2013) und Aubrey Powell trieben nämlich bei ihren Aufträgen für die Rockstars der Epoche gerne Aufwand bis zum Exzess. Jahrzehnte vor Photoshop hieß das: Für „Wish you were here“ (ebenfalls von Pink Floyd) stand wirklich ein Stuntman in Flammen.

Rockmillionäre gaben knalligen Foto-Surrealismus in Auftrag

Reinreden ließen sich die Hipgnosis-Genies von den damals jungen Rockmillionären nur ungern: Gerade Storm Thorgerson, von norwegischer Sturheit, war gefürchtet für seine rabiate Direktheit – verschaffte Hipgnosis und der nachfolgenden Agentur „Stormstudios“ aber das Renommee einer urbritischen Institution. Auch die jüngere Garde des Progressive Rock wie „Muse“ gaben gern diesen knalligen Foto-Surrealismus in Auftrag. Der überaus entspannte Ausstellungstitel „Hipgnosis. Breathe“ für die bereits am 21. Januar 2024 eröffnende Leistungsschau der Herren Powell und Thorgerson klingt da schon wieder wie britisches Understatement.

Kämpferin während des zwölfmonatigen Streiks der englischen Bergarbeiter 1984/85: Marsha Marshall telefoniert mit der berühmten Unterstützerin Vanessa Redgrave.
Kämpferin während des zwölfmonatigen Streiks der englischen Bergarbeiter 1984/85: Marsha Marshall telefoniert mit der berühmten Unterstützerin Vanessa Redgrave. © Michael Kerstgens | Michael Kerstgens

Auf die „Brexit“-Insel führt die Ludwiggalerie 2024 auch mit ihrer sommerlichen Fotoausstellung. Sie versammelt unter dem pointierten Titel „UK Women – britische Fotografie zwischen Sozialkritik und Identität“ gleich 28 fotografische Positionen. Ein spannendes Konzept, denn große Fotografinnen – von Eve Arnold und Herlinde Koelbl bis zu Regina Relang und jüngst Barbara Klemm – hatte die Ludwiggalerie bisher in Einzelausstellungen vorgestellt. Und für „britische“ Fotografie stand im hiesigen Ausstellungsbetrieb quasi allein der sozialkritische Fotojournalismus des im walisischen Llanelli geborenen Michael Kerstgens. Es gibt also 2024 viel zu entdecken im Schloss Oberhausen.

Letzte Gelegenheit für „It’s a Passion!“

Aktuell steht bei der Ludwiggalerie im Großen Schloss der Wechsel zweier Ausstellungen an: Noch bis Sonntag, 17. September, zeigt die Ausstellung „It’s a Passion!“ die teils amüsanten, teils bewundernswert detailreichen Porzellane der Sammlung Ludwig als Leihgaben aus dem Bamberger Brückenrathaus.

Die Illustratoren für die Kinderbücher und märchenhaften Romane von Michael Ende versammelt anschließend die Schau „Fantastische Reise mit Jim Knopf, Bastian und Momo“, die am Samstag, 23. September, eröffnet.

Der Eintritt kostet 8 Euro, ermäßigt 4 Euro, für Familien 12 Euro, online informiert ludwiggalerie.de