Oberhausen. Die Ludwiggalerie Schloss Oberhausen zeigt ab 26. Januar Richard Hamilton und andere Künstler mit meisterhaften Collagen und Grafiken

Die britische Pop-Art kommt von der Collage her, die amerikanische vom Plakat. Die amerikanische Pop-Art ist die bekanntere, die britische die künstlerisch anspruchsvollere. Vor allem aber ist die britische Pop-Art die ältere, schon 1954 prägte der Kunstkritiker Lawrence Alloway die Bezeichnung Pop Art. Und Richard Hamilton, der Heros dieser neuen Kunstrichtung schrieb drei Jahre später in einem Brief an befreundete Architekten auf, was Pop Art alles sei: „Populär (für ein Massenpublikum), vergänglich (kurzfristige Lösungen), zum Verbrauch (schnell vergessen), billig, massenproduziert, jung (für die Jugend bestimmt), witzig, sexy, trickreich, strahlend, großes Geschäft“. Zu dieser Zeit war Andy Warhol noch einer der bestbezahlten Werbegrafiker in New York.

Das Cover von „Sgt. Pepper“

Zeit seines Lebens wehrte sich Richard Hamilton dagegen, „Vater der Pop-Art“ genannt zu werden, und in der Oberhausener Ludwiggalerie kann man ab Samstag in der Ausstellung „British Pop Art“ sehen, warum er damit recht hatte – und warum nicht. Denn tatsächlich gehörte Hamilton zu den ersten, die sich inmitten der vorherrschenden Abstraktion der Nachkriegszeit mit den Oberflächen der Konsumwelt beschäftigten, mit Kosmetik, Fernsehen, Schönheitsidealen, Möbeln, Musik und Filmstars. Er tat das in Collagen, die ihre Wurzeln im Surrealismus und dessen Meister Max Ernst haben, aber noch sichtbarer als bei diesem ihre Entstehung aus Schnipseln, Bruchstücken, Fragmenten ausstellen.

Die in Oberhausen zu sehenden, hinreißenden Hamilton-Grafiken stammen, wie 130 weitere in der Ausstellung, aus der legendären Sammlung des Düsseldorfer Juristen Heinz Beck, die im Ludwigshafener Wilhelm-Hack-Museum eine Heimstatt gefunden hat. Und aus der Oberhausens Museums-Chefin Christine Vogt vor drei Jahren bereits eine Schau zur US-Pop-Art in der Ludwiggalerie bestückt hat.

Nun also eine Art späte Entdeckung samt Ehrenrettung für die britische Pop-Art, deren Vielfalt ungeahnt ist, von einem Gesellschaftskritiker und bösen Ironiker in grellschrillen Farben wie Eduardo Paolozzi bis hin zu einem Peter Blake, der das Kunststück fertigbringt, Filigranes plakativ wirken zu lassen – mit dem „Sgt. Pepper“-Album der Beatles als bekanntestem Beispiel, das ja ebenfalls in großen Teilen eine Collage ist. Das EP-Cover zur Wohltätigkeits- und All-Star-Aufnahme „Do They Know It’s Christmas?“ stammt auch von ihm, und spätestens jetzt sieht man, dass es sich um eine „Sgt. Pepper“-Variation handelt.

Die Grafiken (großartige Siebdrucke von Gerald Laing und eines James Miller, bei dem man nicht weiß, wer hinter dem Namen steckt) reichen von den frühen 60ern bis zu den späten 70ern und sind gruppiert nach Themen wie „Auto“, „Sex sells“, „Technik“, „Mondlandung“, „Natur und Garten“ oder „Stars und Sternchen“.

Das Bonbon dieser Ausstellung sind ein halbes Dutzend Fotos von den beiden Beatles-Blitzkonzerten am 25. Juni 1966 in der (bestuhlten!) Essener Grugahalle. Aufgenommen hat sie der Fotograf Rudolf Holtappel (dessen Nachlass in der Ludwiggalerie betreut wird) – und sie zeugen nicht nur von dessen Könnerschaft, sondern auch davon, dass sich die gar nicht unbedingt so jungen Beatles-Fans für das Konzert richtig schick, fast ausgehfein gemacht hatten. Da war die Pop-Musik noch im Anzug.