Oberhausen. Oftmals fehlen Lebensmittelläden. In Oberhausen gehen Bürger auf die Barrikaden, weil ein Markt entstehen soll. Ihr Protest hat Gründe.
Anwohner aus Alstaden haben vor Politikern ihren Protest gegen einen Supermarkt-Bau untermauert. Wertvolles Grün verschwinde, dafür nehmen Verkehr und Lärm zu, so ihre Argumente, und der örtliche Handel gucke in die Röhre.
Im Haupt- und Finanzausschuss stand die Kritik der Nachbarn auf der Tagesordnung. Schon vor Beginn der Sitzung in der Luise-Albertz-Halle hatten sich einige Anwohnerinnen und Anwohner draußen versammelt. Eine Frau, die ihren Namen nicht so gerne in der Zeitung lesen möchte, hält den gültigen Bebauungsplan hoch. „Das hier ist das Grün, auf das wir von unserem Grundstück aus blicken“, zeigt sie auf die dazu passend schraffierte Fläche.
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Anwohnerin hat Haus wegen der Grünflächen gekauft
„Wir haben das Haus vor über 20 Jahren gekauft und damals wurde damit geworben, dass hinter den Wohnhäusern eine Grünfläche besteht.“ Und jetzt solle das nicht mehr gelten, sagt die Anliegerin, die die Welt nicht mehr versteht und der Stadt so etwas wie Wortbruch vorwirft. „Wenn es dabei bleibt, blicke ich demnächst auf einen Supermarkt, habe die Anfahrten für Liefer-Lkw direkt vor der Haustür.“ Von 20 Touren pro Tag sei die Rede.
Drinnen im Sitzungssaal räumt später der Ausschuss Michael Müller fünf Minuten Rederecht ein. Er wohnt an der Straße Rehmer und würde ebenso auf den Baukomplex blicken. Der 62-jährige listet die Bedenken Punkt für Punkt auf: 4000 zusätzliche Fahrzeuge würden demnächst durch das Wohnviertel rollen. Wer trage eigentlich die Folgekosten für den Straßenverschleiß, fragt Müller und kommt auf den Verkehrslärm zu sprechen, der jetzt schon belastend sei.
Ausschuss: Stadt soll Kritikpunkte prüfen
Der Haupt- und Finanzausschuss hat nun die Stadt aufgefordert, dass sie die Kritikpunkte der Bürger prüft und abwägt. Die Vorschläge sollen dann in einen Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan einfließen. Erst wenn ein solcher Beschluss gefasst ist, können Bauarbeiten beginnen.
Zu den Bedenken der Anwohner, durch die Zunahme von versiegelten Flächen, könnten die Kanäle im Fall von Starkregen die Wassermassen nicht fassen, erklärt die Stadt: Es werde eine zusätzliche Versickerungsanlage gebaut und Dachgrün trage ebenfalls zur Regenrückhaltung bei.
Der Betreiber des geplanten Marktes habe ein Lärmgutachten erstellen lassen. Darin würden Lärmschutzwände entlang der Bahnstrecke eingerechnet, die es noch gar nicht gebe. In Lirich würden die Menschen immer noch auf solche Schutzwände warten, so Müller. Bedenken müsse man zudem die Luftbelastungen, die der Verkehr hervorrufe. Die Verwaltung erkläre zwar, dass die Anwohner sich wegen Feinstäuben, Abgasen oder Stickoxiden keine Sorgen machen müssten, aber nach Worten von Müller ist es doch eine „Tatsache, dass die Zahl von 4000 zusätzlichen Kfz die Emissionen direkt erhöht“.
Ziele für das Stadtgebiet bislang nicht erreicht
In der Vorlage für die Sitzung hatte die Stadt bereits zu den Bedenken der Anlieger Stellung bezogen und beispielsweise erklärt, dass nur an einer der beiden Mess-Stellen für Stickstoffdioxid im Stadtgebiet, nämlich an der Mülheimer Straße, der Grenzwert überschritten werde, nicht aber an der Duisburger Straße.
Müller unterstreicht in seiner Rede, dass vor 30 Jahren den Käufern „suggeriert“ worden sei, auf dem Gelände, dem Rehmerland, würden fünf Wohnhäuser, zwei Gewerbehöfe und ein Spielplatz entstehen. „Nun sollen die Anwohner, wenn sie in ihren Garten gehen, auf eine bis zu 15 Meter hohe und knapp 75 Meter lange Wand gucken müssen.“
Die Stadt wiederum argumentiert, dass es nicht gelungen sei, die Ziele für das fragliche Gebiet umzusetzen. Die sahen neben Wohnraum eben auch Handwerkerhöfe vor. Deshalb solle nun entsprechend dem Einzelhandelskonzept „ein zentraler Versorgungsbereich“ entstehen. Damit ist der Supermarkt gemeint.
Grüne und Linke stimmen gegen den Bebauungsplan
Doch für den geplanten Bau werde viel zu viel Grün geopfert, kritisiert Norbert Axt von der Grünen-Fraktion in der Sitzung und erhält sofort Unterstützung von Yusuf Karacelik. Die freien Flächen seien für die Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtteils dringend notwendig und dürften nicht verschwinden, hebt der Linken-Politiker hervor. Beide Fraktionen haben bislang immer gegen den neuen Bebauungsplan gestimmt.
Eine Lanze für die Stadt bricht hingegen SPD-Mann Ulrich Real. Angesichts aller Schilderungen könne man den Eindruck gewinnen, es handele sich bei der fraglichen Fläche um „ein ökologisches Juwel“, sagte der Sozialdemokrat. Dabei drehe es sich um Brachflächen, auf denen früher Betriebe angesiedelt gewesen seien. „Die Grundstücke sind zum Teil versiegelt, darauf haben sich Gestrüpp und Brombeeren breitgemacht.“ Anwohner, die die Diskussion verfolgen, schütteln den Kopf. Auf der Fläche gebe es doch nun mal eine Menge Grün, sagen sie später.
Die Bürger lehnen sich aber nicht nur aus Umweltgründen gegen das Bauprojekt auf. Sie werfen auch die Frage auf, ob ein Vollsortimenter, wie er beabsichtigt sei, an dem Standort überlebe. Früher habe es hier mal Kaiser’s Tengelmann gegeben. Nach dem Rückzug dann sei aber sehr bewusst die Entscheidung gefallen, dass dort ein Discounter einziehe. Zudem sorgen sich die Anlieger, ob die traditionsreichen Cafés und Bäckereien im Stadtteil überleben, wenn beide Angebote auch in den Supermarkt Einzug halten.
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