Oberhausen. Der zwölfte Oberhausener Hilfstransport ist auf dem Weg in die Partnerstadt. Ukrainer berichtet von der ständigen Bedrohung durch Raketen.
Viktor Nesterenko muss schmunzeln. Und die deutsche Übersetzerin beantwortet die Frage, noch bevor es der Ukrainer macht. „Natürlich gewinnt die Ukraine den Krieg“, sagt der Vertreter der Partnerorganisation Saporishja-Oberhausen. „Das ist doch keine Frage.“
Viktor Nesterenko steht am Montagmorgen an der Oberhausener Rettungswache vor 34 Paletten mit Hilfsgütern. Sie werden in den ukrainischen Lkw verladen, dann geht es zum Zoll nach Essen, von da aus 3600 Kilometer nach Saporishja. „Es ist harte Arbeit, aber auch eine motivierende Aufgabe“, sagt der frühere Polizist. Die Spenden würden bei den Menschen für Freude sorgen.
600 Geschenke für ukrainische Kinder
Es ist der zwölfte Hilfsgüter-Transport, den der Verein „Oberhausen hilft“ in die Partnerstadt schickt. Wieder hat der Verein Heizgeräte angeschafft, dazu Winterkleidung, Lebensmittel wie verschweißte Kartoffeln, Dosen. In der Lagerhalle stehen aber auch 600 Geschenke für ukrainische Kinder. Am 1. Juni ist in dem Kriegsland der Tag des Kindes. Fußbälle, Tischtennis- und Lego-Sets sollen den Kindern im Kriegsgebiet ein Lächeln entlocken.
Die Metropole Saporishja ist noch nicht besetzt, berichtet Nesterenko. Schulunterricht kann online stattfinden, Supermärkte sind geöffnet. Aber immer wieder treffen Raketen die Stadt. Die Stromversorgung schwanke. Die milden Temperaturen und der Wille hätten der Bevölkerung geholfen, durch den Winter zu kommen. Doch die Stadt ist gezeichnet vom Krieg. Der Schrecken der Zerstörung ist nah. Eine Ukrainerin, die beim Verpacken hilft, zeigt auf ihrem Handy ein Foto: Eine Rakete, groß wie ein Baum, liegt auf einem Grünstreifen vor einem Mehrfamilienhaus. „Sie ist zum Glück nicht explodiert“, sagt Nesterenko.
Partnerstadt nicht von russischer Armee besetzt
Nach dem Willen des Kriegsführers Wladimir Putin zählt die Region Saporishja zu Russland. „Für uns in der Stadt bedeutet das nichts“, sagt Nesterenko. „Saporishja ist eine Wiege des ukrainischen Staates.“ Allerdings beginne die Frontlinie knapp 40 Kilometer außerhalb der Stadt. Manche Städte, die von Russen besetzt sind, seien zu 80 Prozent zerstört, berichtet Nesterenko. „Viele Menschen haben ihre Häuser und Wohnungen verloren.“
Die Hilfe aus Oberhausen sei deshalb ganz wichtig. „Wie immer in der Not kommen die Freunde zu Hilfe“; sagt Nesterenko. Im Winter schickten Stadt und Verein Kombi-Geräte, mit denen man kochen und heizen kann. Diese hätten sehr geholfen. Bewegend waren allerdings auch die Weihnachtspäckchen. Die Oberhausener hatten 2400 Geschenke für ukrainische Kinder gepackt, die am 6. Januar verteilt wurden. „Die Gesichter der Kinder waren rührend“, sagt Nesterenko.
Atomkraftwerk Saporishja: Russland schießt Raketen auf Dörfer
Auf der Ladefläche des Lkw ist diesmal auch Tierfutter verstaut. Wenn die Menschen vor der russischen Armee flüchten, lassen sie oft ihre Tiere zurück, berichtet Nesterenko. Lokale Vereine kümmern sich um die Tiere, versorgen sie mit dem Nötigsten. „Wir helfen nicht nur den Menschen, sondern auch den Tieren.“
Sorgen bereitet den Menschen aus Saporishja die Lage am Atomkraftwerk. Das größte Werk Europas muss immer wieder in den Notbetrieb gehen. „Wir machen uns Sorgen – die ganze Welt macht sich Sorgen“, sagt Nesterenko. „Die russische Armee beschießt von da aus die Dörfer und versteckt sich dann in dem Atomkraftwerk.“ Nesterenko drückt sich so klar aus wie sein Händedruck. Doch an dieser Stelle verlässt er seine Linie. Dass Russland das Atomkraftwerk besetzt, sei „wie Terror“. „Das ist unvorstellbar.“
Genauso wie Krieg. Und der hält in der Ukraine seit über einem Jahr an.