Oberhausen. Wie kann das nur sein? Die arme Stadt Oberhausen leistet sich einen Topverdiener als Stadtmanager, der kaum noch Arbeit hat. Eine Rekonstruktion.
Nicht alle urteilen so rigoros wie Linken-Fraktionschef Yusuf Karacelik, wenn die Liste der Oberhausener Stadtmanager-Gehälter zwischen 100.000 und 345.000 Euro veröffentlicht wird: „Das sind Geschäftsführer in städtischen Unternehmen, die kaum persönliche Risiken tragen – deshalb sind die Gehälter unhaltbar.“ Andere sind dagegen der Ansicht, dass Menschen mit Verantwortung alleine deshalb gut bezahlt werden sollten, um überhaupt taugliche Kräfte für die Oberhausener Posten zu bekommen.
Doch selbst wohlwollende Bürger wundern sich über ein Gehalt besonders: Hartmut Schmidt, Chef der 100-prozentigen Stadttochter „Oberhausener Gebäudemanagement GmbH (OGM)“ und früherer Vorsitzender des hiesigen SPD-Unterbezirks, kassiert weiter ein hohes Einkommen für das Jahr 2021, als wäre nichts geschehen. Er ist damit der sechstbestbezahlte Manager der Oberhausener Unternehmen mit städtischer Beteiligung.
Dabei ist die frühere Aufgabenfülle der OGM mit ihren einst 600 bis 890 Beschäftigten ziemlich vollständig seit Januar 2021 auf den neuen Rathaus-Eigenbetrieb „Servicebetriebe Oberhausen“ (SBO) mit anderen Geschäftsführern übergegangen.
Letztendlich aus der städtischen Steuerkasse bezieht Hartmut Schmidt mit 216.000 Euro ein stolzes Gehalt wie eh’ und je – obwohl er seit Januar 2021 nur noch dieser Schrumpffirma OGM vorsteht, die gerade einmal zwei Menschen beschäftigt: ihn selbst und eine Kollegin. Das Geschäftsfeld ist auf ein paar wenige städtische Immobilien minimiert, die Zahl der Aufgaben verkümmert, der Arbeitsaufwand überschaubar. Der Umsatz ist im Vergleich zu früher von 100 Millionen (2019) auf nur noch zwei Millionen Euro (2021) völlig eingebrochen.
Von 2001 bis 2020 war die OGM eine mächtige Größe in der Stadt – und mit ihr der heute 61 Jahre alte führende Oberhausener Sozialdemokrat Hartmut Schmidt, der vor seiner Manager-Karriere bei der OGM wichtiger Personalrats-Geschäftsführer und Mitarbeiter beim Oberbürgermeister im Rathaus war. Zentrale städtische Aufgaben hatte Oberhausen aus finanztechnischen Gründen an die GmbH ausgelagert und diese Dienstleistung per Rechnung bezahlt: Friedhofspflege, IT-Service, Vergabe von Aufträgen, Grünstreifen-Pflege, Betreuung der Parks, des Kaisergartens und der Hallenbäder, Immobilienentwicklung, Sanierung von Gebäuden, Wartung der städtischen Immobilien, Bau von neuen Verwaltungshäusern. Mit in der Regel über 90 Millionen Euro war die OGM vor der Umstrukturierung zuletzt von der Stadt ausgerüstet – ein dicker Geldhaufen, der neben einer Menge Aufgaben dem Geschäftsführer einer solchen Gesellschaft auch viel Einfluss bringt.
Aus steuerlichen Gründen, aber auch, weil sich Unmut über Qualität und Preise der OGM-Dienstleistungen in der Stadtverwaltung häuften, läutete die Stadtspitze unter Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) das Ende der OGM ein. Die GmbH soll 2023 sogar komplett aufgelöst werden.
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Kaum Arbeit, aber ein dickes Gehalt als Stadtmanager – wie kann das einer armen Stadt wie Oberhausen passieren? Fragt man Aufsichtsratsmitglieder der OGM (ja, für die Mini-Firma tagt weiter dieses neunköpfige Kontrollgremium), dann hört man schon durchs Telefon das laute Zucken der Schultern – eine gewisse Ratlosigkeit und Ergebenheit in die Umstände scheint sich breitgemacht zu haben. Über Vertragsinhalte darf und will niemand reden. Man spürt aber: Den politischen Kontrolleuren ist die Situation unangenehm.
Vertraglich garantierte Ansprüche für Hartmut Schmidt
So verweist der amtierende OGM-Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Flore (SPD) auf geltendes Recht: „Das sind nun mal die vertraglich garantierten Ansprüche, die Hartmut Schmidt hat. Wir leben schließlich in einem Rechtsstaat.“ Als der Basisvertrag im Jahre 2006 unterzeichnet und durch zusätzliche Aufgaben-Übernahme von der WBO noch auskömmlicher als 2001 dotiert worden ist, war Flore jedenfalls noch nicht dabei. Gleichwohl verteidigt er das Gehalt von Schmidt in den Jahren bis 2020 (damals: 219.000 Euro), dessen Höhe bei der CDU schon seit vielen Jahren umstritten war: „Schmidt hatte früher durchaus sehr viele wichtige Aufgaben, die das Gehalt gerechtfertigt haben.“
Dies sieht Simone-Tatjana Stehr, CDU-Ratsfraktionschefin und stellv. OGM-Aufsichtsratsvorsitzende, vollkommen anders. „Ich kann mich nicht zu Vertragsdetails äußern, aber insgesamt halte ich die Konditionen von Herrn Schmidt für nicht gerechtfertigt und sehr ungerecht.“
Andreas Gadde, Grünen-Vertreter im OGM-Aufsichtsrat, will sich als relativer Neuling im Gremium am liebsten gar nicht äußern. „Verträge sind nun einmal Verträge. Das ist damals so entschieden worden, da war ich noch nicht dabei.“ BOB-Ratsmitglied Peter Bruckhoff findet, dass es hier keine zwei Meinungen unter den Bürgern gibt: „Das Gehalt ist jetzt grob unanständig, das kann man niemandem erklären.“
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OGM-Aufsichtsrat Yusuf Karacelik stößt ins gleiche Horn: „Das Gehalt von Schmidt ist nicht in Ordnung, er sollte freiwillig darauf verzichten.“ FDP-Gruppenvorsitzender Marc Hoff gibt allerdings zu bedenken, dass man bei der Vertragsschließung 2006 noch nicht wissen konnte, dass die OGM mal umstrukturiert und verschwinden wird. „Die Stadt hat hier wohl kaum Spielraum, Schmidt könnte freiwillig darauf verzichten, aber es ist wohl nur allzu menschlich, wenn er das nicht tut.“
Stadtmanager Hartmut Schmidt macht nicht den Eindruck, auf Teile seines Gehaltes verzichten zu wollen
Tatsächlich macht Hartmut Schmidt, wenn man mit ihm über Konditionen und Verträge spricht, nicht den Eindruck, auf Geld verzichten zu wollen. Sein Vertrag garantiert ihm sogar ein Rückkehrrecht ins Rathaus, wenn es mal bei der OGM nicht klappt oder die OGM aufgelöst wird – angeblich zu stabilen Finanzkonditionen, wie man so hört. Und zwar bis zu seinem Ruhestand mit 66,5 Jahren. „Ich warte nun darauf, dass mein Arbeitgeber aktiv wird und mit mir spricht, was er mit mir vorhat, wenn die OGM aufgelöst wird. Ich bin jedenfalls fit und biete meine Arbeitskraft an. Man kann mit mir über alles reden.“ An den Umsatz oder die Größe der Gesellschaft OGM sei das Gehalt bei ihm jedenfalls nicht gekoppelt. „Das ist meines Wissens nach auch bei den Kollegen Geschäftsführer der anderen Stadtgesellschaften nicht der Fall“, meint Schmidt.
Die vertraglich festgelegte Jahresprämie von 15.000 Euro zum Grundgehalt gibt es aber nur, wenn er bestimmte Wirtschaftshürden mit der OGM nimmt – besonders hoch sollen die damals 2006 bei der Vertragsunterzeichnung mit den Unterschriften des damaligen Oberbürgermeisters Klaus Wehling (SPD) und des früheren OGM-Aufsichtsratsvorsitzenden Stefan Zimkeit (SPD) nicht geschraubt worden sein. Einige bewerten das Erreichen der fixierten Ziele für einen OGM-Stadtmanager jedenfalls heute als „selbstverständlich“. Die Prämie erhält Schmidt nach eigenem Bekunden nun allerdings nicht mehr.
Bombenfester Arbeitsvertrag von OGM-Geschäftsführer Hartmut Schmidt
2006 jedenfalls muss Schmidt seinen Vertrag so gut verhandelt haben, dass er bombenfest ist. Ein paar Juristen sollen sich über das Werk gebeugt haben – es ist von der Stadt offenbar nicht auszuhebeln. Der Vertrag war 2016 zum letzten Mal als OGM-Geschäftsführer kündbar; danach waren die Gehaltszahlungen durch die Stadt bis zum Eintritt in den Ruhestand endgültig garantiert.
Garniert soll der Vertrag auch noch mit ein paar Schmankerln sein, wie etwa „Vertrauensspesen“ – Reisen und Bewirtungen, die Schmidt abrechnen durfte, Dienstwagen-Pauschalen, das übliche Weihnachtsgeld und automatische Gehaltserhöhungen nach Tarif. Vor einigen Jahren, so geht die Kunde, soll den Aufsichtsratsmitgliedern nach langen Bitten erlaubt worden sein, mal unter geheimnisvollen Umständen in den Arbeitsvertrag von Schmidt zu blicken. Kopien davon waren streng verboten. „Es herrschte danach Fassungslosigkeit bei allen Parteivertretern, wie gut der Vertrag ausgestattet ist“, sagt ein Kenner der Materie.
Schmidt selbst jedenfalls geht recht offen mit der Situation um, dass er jetzt viel Geld für wenig Arbeit erhält. „Ich habe in den früheren Jahren im Geschäftsbericht notiert, dass das Gehalt des Geschäftsführers angemessen ist“, erzählt er von sich. „Im Geschäftsbericht 2021 fehlt dieser Zusatz.“