Oberhausen. Große Spielzeug-Läden gibt es kaum noch: Beim Fachhandel Bartz aus Oberhausen treffen Klassiker und Trends auf Kurioses. Ein Blick ins Geschäft.

Das Regal fühlt sich nach Taschengeld an. Der Krimskrams an der Kasse nach Schulweg. Die großen Kartons nach Kindergeburtstag. Kaum eine andere Ladensparte bietet so viel Gefühlskino wie ein Spielzeugladen. Gertrud Bartz vom Fachgeschäft Bartz in Sterkrade weiß: „Kinder haben hier ihren Spaß. Aber es gibt auch Spielzeug-Serien, nach denen vor allem Erwachsene fragen - aus nostalgischen Gründen.“

An der Brandenburger Straße läuft gerade das Weihnachtsgeschäft. Am Samstagmorgen schlendern Großväter mit ihren Enkeln herein. Eine Mutter mit ihrer Tochter. Kunden holen an der Kasse zerknüllte Zettel mit Buchtiteln hervor. Sie lesen erst der Verkäuferin vor - dann dem Kind. Alle Wunsch-Jahre wieder.

Spielzeug: Klassiker dominieren das Weihnachtsgeschäft

An diesem letzten Wochenende vor dem Fest erledigt mancher schnell noch die letzten Besorgungen. „Die Kunden kommen für Weihnachtseinkäufe später als früher“, sagt Gertrud Bartz. Da sei die Präsente-Parade schon im Oktober angelaufen. Mehr Produktauswahl, häufiger wechselnde Kinderwünsche durch stärkere Werbung. Mögliche Gründe gebe es viele.

Bei Bartz befinden sich schwindelerregende 50.000 Artikel im Computer. Auch auf den 600 Quadratmetern Ladenfläche gibt es auf zwei Etagen eine erstaunliche Auswahl. Und das, obwohl die Breite an Spielzeugläden längst verschwunden ist. Und Großgeschäfte wie Bonniland in der ehemaligen Rollschuhhalle im Bero-Zentrum schon lange Geschichte sind.

Klar: Der Online-Handel gibt längst den Ton an. Auch Bartz verkauft heute zusätzlich über eine Internet-Sparte. Ohne dabei den haptischen Handel aufzugeben. Das Traditionsunternehmen hält sich wacker in der vierten Generation. Gertrud Bartz, deren Sohn Sven das Geschäft mittlerweile führt, hat schon viele Weihnachtsfeste begleitet. „In diesem Jahr gibt es nicht das eine, besondere Produkt. Aber viele beliebte Klassiker.“

Gewinner der Pandemie-Zeit: Brett- und Gesellschaftsspiele. Gertrud Bartz deutet auf die Regalreihe, wo das „Verrückte Labyrinth“ neben „Scotland Yard“ (ab 28 Euro) thront. Fabrikneue Klassiker landen häufig an der Kasse. Sie haben mittlerweile manch zerfledderte Erstausgabe aus den Jahren 1986 und 1983 ersetzt.

Spielzeug: Brettspiele sind die Gewinner der Pandemie-Zeit

Doch nicht nur die Großen punkten. „Das Kartenspiel Skyjo wird besonders stark nachgefragt“, sagt Bartz und hält ein Paket mit bunten Spielkarten hoch. Spieler müssen hier eine Kartenreihe aus möglichst niedrigen Zahlenwerten bilden. Im Gegensatz zu den Brettspiel-Giganten hat den Zeitvertreib der Autor Alexander Bernhardt vor einigen Jahren mit einem eigenen Verlag selbst veröffentlicht. Das Spiel kostet knapp 17 Euro und eignet sich für Kinder ab 8 Jahren.

Schon im März kauft man bei Bartz für das Weihnachtsgeschäft ein. Bei Spielzeugmessen gilt es ein Näschen für Trends zu entwickeln. Und ein Händchen für besondere Artikel. Dazu zählt die Entdeckung „Animal Riding“, die ein kleiner niederländischer Spielzeugbauer entwickelt hat.

Dabei handelt es sich um ein Stoff-Pferd, auf dem Kinder reiten können. Der Clou: Das Spielzeug funktioniert wie ein kleines Fahrrad. Die Zügel sind der Lenker, der Pferde-Kopf dreht sich mit der Lenkbewegung, die Steigbügel sind die Pedale. Und mit jedem Tritt bewegen sich die Pferdefüße vor und zurück. Es entsteht die putzige Illusion eines Ritts.

Gertrud Bartz führt das Model vor. Tatsächlich, klappt! Kunden schmunzeln. Das Pferd gibt es in verschiedenen Größen. Die mittlere Variante kostet rund 300 Euro. Viel Geld, aber günstiger als das Reittraining auf einem Pferdehof.

Immer ein Renner: Lego-Bausteine. Wobei längst die Helden der Eltern-Generation nachgebaut werden - Star Wars und Super Mario. Bei Playmobil rollen Knight Rider und A-Team mit Plastikfiguren-Prominenz durchs Kinderzimmer, obwohl die TV-Serien ja aus den 1980er-Jahren stammen. Ob damit mehr Väter als Kinder spielen, ist nicht erfasst. Den Kaufimpuls hat die Spielzeugbranche aber einkalkuliert.

Spielzeug: Bobbycar lässt sich mit Protz-Lenkrad tunen

Auch Plastik-Figuren wie He-Man (um 25 Euro) und Transformers sind längst neu aufgelegt. Für verschwundene 80er-Jahre-Serien wie „M.A.S.K.“ zahlen Sammler mittlerweile hunderte von Euro für noch versiegelte Packungen auf Ebay. Ein echtes Erwachsenen-Ding. Bartz: „Kinder haben mittlerweile andere Helden - vor allem Spiderman ist beliebt.“ Obwohl der Spinnenmann auch schon in den 1960er-Jahren erfunden wurde.

Kreisch! Die in den 90er-Jahren zwischen morgendlichen RTL-Trickfilmen und Li-La-Launebär stark beworbene Baby-Born-Puppe (um 25 Euro) gibt es immer noch. Alte Murmelbahnen aus Holz heißen heute Gravitrax, bestehen aus Metallschienen und lassen sich mit etlichen Sets erweitern. Diese kosten im Kern um 60 Euro.

Und das gute alte quietschrote Bobbycar (Set mit Fußschonern um 63 Euro) lässt sich mittlerweile mit modernen Lenkrädern tunen, die mit lauteren Hup-Geräuschen sowie Radio- und Knatter-Sound (um 30 Euro) bestimmt für helle Freude am Weihnachtsabend sorgen.

Das Füllhorn wirkt unendlich: Doch die verbliebenen Spielzeugläden wie Bartz bleiben ein fragiler Spaß. Nicht nur wegen stark gestiegener Energiekosten. Nur wenn Kunden auch im Fachhandel einkaufen, lasse sich die Stöbertour erhalten, sagt Gertrud Bartz. „Das funktioniert nicht, wenn sich Interessenten zwei Stunden lang im Geschäft beraten lassen und dann woanders im Internet einkaufen.“ Aus diesem Grund musste der Händler schon seine Kinderwagensparte in Sterkrade aufgeben.

>>> Männerabende kehren bei Bartz zurück

Das Spielzeuggeschäft Bartz hatte vor der Corona-Pandemie mit Männerabenden für Aufsehen gesorgt: Kleine Gruppen von Vätern und Nicht-Vätern konnten ganz ohne Kinder einen Abend lang im Geschäft am Kickertisch daddeln oder mit der Carrerabahn spielen.

Das Format soll im kommenden Jahr in das Sterkrader Geschäft zurückkehren. Gertrud Bartz: „Voraussichtlich gibt es im Frühjahr neue Termine.“ Familie Bartz betreibt auch Ladenlokale in Dinslaken und Ratingen.