Oberhausen. Immer mehr Eltern wollen ihre Kinder schon früh betreuen lassen. Die Stadt allein stößt an ihre Grenzen. Es fehlen Personal und Immobilien.

Die großen Gebäudeblöcke an der Hertastraße stehen, die Fenster sind installiert, der Innenbau schreitet voran. Aber noch fehlen die Möbel, die Tische, die Spielzeuge, mit denen ab dem 1. März des kommenden Jahres fast 100 Kinder spielen sollen. Eine Kindertagesstätte der Lebenshilfe ist noch nicht zu erkennen, trotzdem stehen bereits Eltern mit ihren Kindern auf der Warteliste. „Der Bedarf ist groß“, sagt die zukünftige Leiterin der Einrichtung, Judith Schacht.

Der Fünf-Millionen-Euro-Bau ist der erste dieser Art, den die Lebenshilfe von einem Investor übernimmt. Auf rund 3500 Quadratmetern Grundstücksfläche entstehen eine Kita und ein Therapiezentrum für Kinder mit Autismus.

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Kita in Oberhausen: Fachkräftemangel ist groß

Bezeichnend für den Neubau: Schon vor der Fertigstellung ist der Bedarf nach Betreuungsplätzen absehbar – ebenso wie der Mangel an Fachkräften. Die Lebenshilfe hofft, dass sich bis zum Start noch Personal bewirbt. Ersatzkräfte aus den umliegenden Einrichtungen der Lebenshilfe können nicht bereitgestellt werden. „Die werden ja vor Ort gebraucht“, sagt Schacht.

Das Phänomen lässt sich kommunal-, landes- und bundesweit wiedererkennen. Händeringend werden Kita-Plätze und Personal gesucht. 2023 fehlen laut einer Bertelsmann-Studie mehr als 100.000 Kita-Plätze in NRW. Auch in Oberhausen nimmt die Nachfrage zu. Seit 2012 ist die Zahl der angebotenen Betreuungsplätze kontinuierlich gestiegen: Von 6000 auf fast 8000 im Jahr 2020/21. Vor zehn Jahren haben 12 Prozent der unter Dreijährigen einen Kita-Platz in Anspruch genommen, 2022 waren es rund 24 Prozent. Die Betreuungsquote der über Dreijährigen ist in etwa gleich geblieben: Sie betrug 2012 88 Prozent und 2022 84 Prozent.

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Über 8500 Betreuungsplätze in Oberhausen

Der Bedarf steigt auch im nächsten Jahr: Die Stadt rechnet im kommenden Kindergartenjahr ab August 2023 mit einem Bedarf von 2366 Plätzen für unter Dreijährige. 6275 werden für über Dreijährige gebraucht. Mehr als 500 neue Plätze will die Stadt noch in diesem Kindergartenjahr schaffen. 2023/24 sind 390 Plätze in konkreter Planung.

In Holten konnte die Stadt die dortige Kita baulich erweitern. In der Mitte Oberbürgermeister Daniel Schranz (4.v.l.), rechts daneben Schuldezernent Jürgen Schmidt.
In Holten konnte die Stadt die dortige Kita baulich erweitern. In der Mitte Oberbürgermeister Daniel Schranz (4.v.l.), rechts daneben Schuldezernent Jürgen Schmidt. © Stadt Oberhausen

Die Stadt allein kann die Nachfrage nicht bewältigen. Zwar baut auch sie – so wurde in Holten die Kindertageseinrichtung an der Bahnstraße um zwei Gruppen erweitert. 50 Betreuungsplätzen konnten so zusätzlich geschaffen werden. Doch der Kampf um freie Immobilien tobt. Unbestritten sei es, dass es „im Ruhrgebiet wie auch in Oberhausen zunehmend schwieriger wird, freie Flächen oder umbaufähige Immobilien zu finden“, heißt es aus dem Schuldezernat. Habe man eine Fläche, ergäben sich immer wieder Bauverzögerungen durch fehlende Materialien und fehlendes Personal.

Kita: Stadt sucht händeringend Personal

Für private Investoren ist das Kita-Geschäft lohnenswert. So baut das deutschlandweit operierende Unternehmen „Kitarino“ in Sterkrade-Nord eine Kita mit mehr als 100 Plätzen. Auch die neue Kita, die die Lebenshilfe anbietet, entstammt aus den Händen eines Bochumer Investors.

Angesichts des Personalmangels scheint es leichter zu sein, neue Kitas zu bauen. Um den Bedarf im kommenden Jahr in NRW zu decken, müssten landesweit 24.000 neue Erzieherinnen eingestellt werden. In den städtischen Oberhausener Kitas arbeiten aktuell 372 Fachkräfte, 40 weitere Beschäftigte sind in Elternzeit. Damit seien alle Stellen vergeben, so die Verwaltung. Allerdings: Die 35 Stellen, die zur Kompensation von Elternzeit und Krankheit gefüllt sein sollen, sind verwaist. Heißt: Schon jetzt erleben die Kitas einen Fachkräftemangel, der sich in Zukunft ausweiten wird. „Alle Träger gehen in den kommenden Jahren von einem weiter wachsenden Fachkräftemangel aus, da die geburtenstarken Jahrgänge sukzessive in den Ruhestand gehen“, so das Schuldezernat. Einen Eindruck, den die Lebenshilfe bestätigen kann: „Erzieherinnen und Erzieher können sich die Kita heute aussuchen“, sagt Britta Glass, Leiterin des Bereichs Teilhabe Kinder und Jugend. „Die Jahrgänge, die jetzt Mitte 60 sind, gehen bald in Rente.“ Die Löcher werden in Zukunft größer.