Oberhausen. In der ausverkauften Stadthalle haben die Oberhausener die größte Karnevalsfete seit Jahren gefeiert. Mit Spektakel - und leisen Zwischentönen.
Ein Puzzle-Spiel erfordert Geschick und Geduld: Eigenschaften, die Karnevalsprinz Rainer Lettkamp (65) bis zu seiner Inthronisierung am Samstagabend ebenfalls an den närrischen Tag legen musste. Durch die Corona-Pandemie scherzt der Regent ein Jahr später als ursprünglich geplant - aber nicht minder herzlich. 1024 Narren verwandelten die ausverkaufte Luise-Albertz-Halle in ein Toll(itäten)-Haus.
„Viele Puzzle-Teile halten die Gesellschaft zusammen“, sagt Lettkamp, für den die Worte als ehemaliger Geschäftsführer der Lebenshilfe nicht nur trockene Theorie sind. Bei Karnevalsfeiern für Menschen mit Handicap ging er schon etliche Mal in die Bütt. „Richtig aufgeregt“, so sagt er, sei er diesmal trotzdem.
Karneval: Prinzengarde stapelt Menschen in Sechs-Etagen-Pyramide
Nun ist er Prinz Karneval. Sein Zepter ziert ein kleiner Mini-Gasometer. Tosender Applaus brandet auf als er mit Gefolge einmarschiert. Mehr als 60 Personen umfasst sein Team. Nicht wild zusammengepuzzelt, sondern sorgsam vorbereitet. Die Blauen Funken stellen Prinz und Prinzengarde. Der Tanz orientiert sich an Kölner Elementen, mit eigner Note und bei den Hebefiguren sogar reichlich Funkenflug. Zum Finale stapeln sich Frauen und Männer zu einer Pyramide aus sechs Etagen in die Höhe. Ein spektakuläres Bild!
„Gemeinsam feiern, singen, tanzen, denn jeder ist ein Teil des Ganzen!“ Das Prinzenmotto lehnt sich an die integrative Maxime der Lebenshilfe an. Der klimpernde Orden ist natürlich in Puzzle-Form gestaltet. Und lässt sich passenderweise in das Umhängsel eines Nachbarn einklinken. Der Regent ist sich sicher: Karneval verbindet!
Das Programm: Eine Mischung aus Tradition und Moderne. Meistens kurzweilig, in Teilen eben auch Geschmackssache. Der sehr gute Kabarettist Kai Magnus Sting erzählt Revier-Dönekes von früher. „Das kälteste Zimmer bei Omma in der Wohnung? Das Schlafzimmer, wo der Kartoffelsalat auf Majo-Basis zum Abkühlen abgestellt wurde. Das Zimmer war kälter als der Kühlschrank.“ Tusch, weil es wahr ist!
Die Casting-Träume bei „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) bekommen dafür ihr Fett weg. „Doof wie Schiffer-Scheiße“, poltert der Kabarettist. „Und das war erst die Jury!“ Dieter Bohlen dürfte aufhorchen.
An diesem Punkt hätte es übrigens nicht geschadet, wenn mehr Narren aufmerksam zugehört hätten, statt zu palavern. Am Ablaufplan lag es nicht. Der Redner kam früh.
Karneval: Schlagerstar sorgt mit Mallorca-Hits für Kontraste
Solche Probleme kennen Stimmungssänger nicht: Schlager-Star Axel Fischer erschien mit Peace-Zeichen in Ukraine-Farben auf dem Shirt und sang weltmännisch vom „Traum von Amsterdam“, von „Norderney“ sowie sämtlichen Mallorca-Stränden.
De Bajaasch hätten wahrscheinlich am liebsten noch den Kölner Dom aus ihrer Heimatstadt eingepackt. Wenn „Mir kumme mit alle Mann vorbei“ erschallt, wissen Jecken, dass nur Festpiraten gemeint sein können. Den Cover-Song der Höhner konnten sie alle problemlos mitsingen. Und über den Gemeinschaftstanz der Oberhausener Garden mit knapp 80 Tänzerinnen und Tänzern dürften selbst die Kölner gestaunt haben.
Viel Spektakel, doch eine feine Note brachte Prinz Rainer I. in seiner Proklamation ins närrische Spiel: Normalerweise formulieren Regenten in ihrem Regierungsprogramm mehr oder weniger gelungene Schmunzel-Forderungen, die sich häufig nicht erfüllen lassen.
Lettkamp nutzte den Moment anders: „Wir sollten uns den Karneval nicht vermiesen und verbieten lassen, aber zugleich auch an die Probleme in der Welt denken.“ Dazu steckte sein Prinzenteam Puzzle-Teile mit Stichwörtern für den Alltag wie „Integration“, „Vielfalt“, „Mitgefühl“, „Nachhaltigkeit“, aber auch „Zufriedenheit“ und „Wertschätzung“ auf eine Tafel. Ein neuer Ansatz.
>>> Prinzenteam erstmals mit Zwillingen als Paginnen
Das Team von Prinz Rainer I. besteht aus Hofmarschall Reinhold Fischer und Minister Mark Notthoff, der Pagin Susana Nippa sowie den Paginnen Jasmine und Jaqueline Lettkamp - beides Töchter der Tollität. Damit sind erstmals Zwillinge mit dem Prinzen unterwegs. Fünf Prinzenfahrer sind an Bord - und wechseln sich ab.
Die ersten Prinzen-Orden der Session erhielten Hauptausschuss-Präsident Ludger Decker und Sitzungspräsident Marcel Habendorf, die gewohnt quirlig durch das viereinhalbstündige Sitzungsprogramm führten.