Oberhausen. Ein halbes Jahrhundert entstand in Oberhausen keine neue Schule. Das wird sich ändern. Das historische Projekt wird teuer.
Als die letzte Schule in Oberhausen neu gebaut wurde, war Luise Albertz noch Oberbürgermeisterin. In die Dienstzeit der berühmten Stadtmutter fiel vor 46 Jahren der Bau des Hans-Sachs-Berufskollegs. Ein halbes Jahrhundert später macht sich die Stadt wieder auf zu neuen Bildungsufern: Auf dem Gelände der ehemaligen Hauptschule St. Michael soll 2024 mit dem Bau einer neuen Gesamtschule begonnen werden. Am Donnerstag wurden die drei prämierten Architektenentwürfe im Bert-Brecht-Haus vorgestellt.
Ausgerechnet Oberbürgermeister Daniel Schranz verpasste den Startschuss des historischen Projektes. Er war krank, dürfte im Lazarett aber nicht minder stolz sein. Mit dem Neubau reagiert die Stadt auf die gestiegenen Schülerzahlen. Zum Schuljahr 2025/26 sollen an der Knappenstraße 1300 Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden. Wie gewaltig das Projekt für die Stadt ist, zeigen auch die geschätzten Baukosten: 85 Millionen Euro wird der Neubau mit 16.000 Quadratmetern Nutzfläche vermutlich verschlingen. Gut angelegtes Geld, meint die Stadtverwaltung. Offen ist, wie viel durch Fördergelder abgedeckt werden kann. „Wir versuchen möglichst alles abzugreifen“, sagt Schuldezernent Jürgen Schmidt, der Schranz im Bert-Brecht-Haus vertrat.
Stadt verhandelt jetzt mit Preisträgern
Auf zu neuen Ufern, aber mit modernstem Kartenmaterial, so könnte man den bisherigen Prozess beschreiben. Der Architekturwettbewerb war ein akribisch ausgearbeitetes Prozedere, an dessen Ende sich das Kölner Büro Lorber Paul Architekten in Zusammenarbeit mit studio grüngrau Landschaftsarchitektur aus Düsseldorf durchsetzte. Was sie planen, sieht auf dem Papier spektakulär aus. Ob sie den Zuschlag wirklich bekommen, wird sich in den Verhandlungen zeigen. Eine Münchener Arbeitsgemeinschaft landete auf dem zweiten Platz, eine aus Stuttgart auf dem dritten. Nun wird ausgelotet, wer das beste Angebot unterbreiten kann. Ergebnisse soll es am 9. Januar geben.
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Was die Entwürfe gemein haben: Sie versuchen, so viele alte Bäume wie möglich zu retten und eine sechszügige Ganztagsschule mit zwei Dreifach-Turnhallen zu schaffen, die sich in das Quartier einbettet. Schule soll nicht nur Schule sein, sondern Gemeinschaftsort. Jürgen Schmidt beschreibt es so: Wurden Schulen damals gebaut, um 60 Jahre zu halten, sollen sie heute Flexibilität mitbringen, um in Zukunft auch in anderer Form einsetzbar zu sein.
Neue Gesamtschule: Kinder sollen Naturerlebnis vermittelt bekommen
Nach Darstellung von Architektin Annette Paul sei der Entwurf für Oberhausen ein „Herzensprojekt“ gewesen. Schule sei heutzutage „ein Lebensraum, wo Gemeinschaft stattfinden kann über den Unterricht hinaus“. Diesen Gemeinschaftsgedanken unterstreicht der Entwurf mit einem „Dorf-Konzept“. In der Mitte soll es einen großen Hof mit Bäumen geben, drumherum sind die verschiedenen Gebäude in Holz-Beton-Mischbauweise angeordnet. Schülerinnen und Schüler müssen über einen Dorfplatz gehen und kommen in den Austausch. Besonders wichtig sei gewesen, die Bäume zu erhalten. „Wir wollen Kindern ein Naturerlebnis vermitteln. Dabei kann diese Schule helfen“, sagt Landschaftsarchitekt Christian Ewers.
95.000 Euro Preisgeld
Das Kölner Architektenbüro erhielt für den ersten Platz 95.000 Euro Preisgeld. 55.000 Euro und Platz zwei gingen an die Architektengesellschaft karlundp sowie den Landschaftsplaner Stadtforschung au Berlin. Platz drei und 35.000 Euro erhielten Tusker Ströhle Freie Architekten und die Landschaftsplaner Anderson&Hinterkopf.
Das Preisgeld mag überraschen, geschätzt wird jedoch, dass ein Entwurf zwischen 30 und 50.000 Euro Kosten verschlingt. Sie werden obendrein anonymisiert eingereicht, um möglichst für Gleichheit zu sorgen. Insgesamt 14 Entwürfe von einer Fachjury ausgewertet. Beraten wird die Stadt zudem von Pesch & Partner.
Die Entwürfe sind für drei Wochen im Bert-Brecht-Haus, Langemarkstraße 19, zu sehen.
Aus einem weniger idealistischen Blickwinkel betrachtet, ist die Errichtung der Schule schlicht dringend notwendig. Die Schülerzahlen in Oberhausen steigen kontinuierlich. Einerseits durch Geflüchtete: Nach Angaben von Dezernent Schmidt sind im vergangenen Jahr 800 ukrainische Kinder und Jugendliche nach Oberhausen gekommen. Andererseits durch geburtenstarke Jahrgänge, die sich an der Nachfrage nach Kita-Plätzen ablesen lassen.
Zudem ist der Neubau eine Antwort auf jahrzehntelangen Rückstau. Zwar habe es immer wieder Anbauten gegeben, aber ein Neubau sei aufgrund des schlechten Haushalts nicht möglich gewesen, sagt Schmidt: „Das führt zu einem enormen Aufholbedarf.“