Oberhausen. In Oberhausen wurden gut 100 neue Lehrer für NRW-Schulen verabschiedet. Warum sich junge Menschen heute noch für diesen harten Beruf entscheiden.
Die vergangenen Wochen konnten nicht gerade Zuversicht an den NRW-Schulen verbreiten. Zu viele Viertklässler sind schlecht im Rechnen und Schreiben. Und zu wenige Menschen wollen es ihnen in Zukunft beibringen. Dabei ist der Lehrermangel schon in der Gegenwart ein viel diskutiertes Thema.
Wer am Montag die Aula des Oberhausener Bertha-von-Suttner-Gymnasiums betrat, konnte leicht in eine andere Stimmung kommen: Dort saßen sie – diejenigen, die die Bildung in diesem Land retten (könnten). Etwa hundert junge Menschen wurden in den Schuldienst verabschiedet. Sie haben das Referendariat erfolgreich in Oberhausen absolviert und strömen nun in die Städte, zu den weiterführenden Schulen. 149 weitere junge Menschen wurden vereidigt. Für sie beginnt die praktische Ausbildung in Oberhausen.
Junge Lehrerin: „Ich liebe diesen Job“
In der Aula herrschte fast eine Art Abiball-Stimmung. Die ausgebildeten und angehenden Lehrkräfte hatten sich fein gemacht für diesen besonderen Tag. Im Hintergrund warteten Sekt und Orangensaft auf das Stößchen nach der Zeugnisübergabe. Eine Schülerband spielte „Creep“ von Radiohead: „I wish I was special. You’re so fucking special.“
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Besonders fühlte sich auch Karin Knitsch. Sie hat ebenfalls am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung ihr Referendariat beendet. Als Sprecherin ihres Jahrgangs durfte sie außerdem eine Rede halten. „Ich war schon aufgeregt“, sagt sie in einer Atempause vor der Tür. In ihrer Rede rief sie die Herausforderungen der vergangenen 18 Monate in Erinnerung: Da war die Ausbildung, die die jungen Lehrkräfte auch mal zum Zweifeln brachte. Und da waren die Corona-Wirrnisse, die ihr Jahrgang aushalten musste. „Fallen, auffangen, zweifeln und Mut machen“, darauf sei es angekommen. Das seien schließlich auch Qualitäten, die einen guten Lehrer ausmachten.
Direktorin: Lehrer-Beruf braucht Wertschätzung
Die 18 Monate im Referendariat konnten Knitsch nicht davon abbringen, Lehrerin für Mathematik und Philosophie am Bertha-von-Suttner-Gymnasium zu werden. „Ich liebe diesen Job so sehr. Mir macht es einfach Spaß, mit den Kolleginnen zusammenzuarbeiten und die Schülerinnen und Schüler bei ihrer Entwicklung zu begleiten.“
Umzug des Lehrer-Ausbildungszentrums
Das Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) musste in den Vergangenheit Räume auf dem ehemaligen Babcock-Gelände an der Duisburger Straße nutzen.
Nun steht ein Umzug an: Das Lehrer-Ausbildungszentrum zieht demnächst an die Marktstraße. Derzeit bauen Baufirmen mit einem großen Kran ein älteres Gebäudeensemble mit Geschäftslokal (Hausnummer 51 bis 55) gegenüber der Kaufhof-Immobilie (heute Hotel Ana) um.
Die Innenstadt-Lage ist bewusst gewählt, sagt Simone-Tatjana Stehr, Direktorin des Zentrums für Lehrerausbildung und CDU-Ratsfraktionsvorsitzende. Die Idee dahinter: Junge Leute mitten in der Stadt sollen das alte Geschäftszentrum von Oberhausen mitbeleben.
Leander Abel schlägt etwas nüchternere, aber nicht weniger überzeugte Worte an. Er hat sich für das Fach Physik entschieden und wird demnächst in Mülheim unterrichten. „Es ist ein toller und krisensicherer Job“, sagt Abel und wiederholt es noch einmal: „Es ist einfach ein toller Job.“
Klassen sind zu groß
Worte, die Simone-Tatjana Stehr gerne hört. Sie ist Leitende Direktorin am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung. Die aktuellen Ausbildungszahlen unterschreiten erneut die Werte aus den Vorjahren. Über die Verteilung entscheidet die Bezirksregierung. Dass der Lehrerberuf unattraktiv geworden ist, würde die CDU-Politikerin Stehr nicht sagen. Sie sieht eher das Überangebot an Möglichkeiten als Ursache. „Die Auswahl an Studienplätzen ist immens“, sagt sie im Gespräch mit dieser Redaktion. „Ich glaube, dass es wichtig ist, dass diese Gesellschaft diesen Beruf wertschätzt.“ Gerade in den Corona-Jahren hätten Lehrerinnen und Lehrer eine große Leistung vollbracht, indem sie sich Neuerungen wie dem Distanzunterricht angepasst hätten.
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Was Stehr in ihrer Eingangsrede machte, Mut zu sprechen, versteht sie auch als Aufgabe allgemein: „Wir müssen dafür sorgen, dass wir junge Lehrerinnen und Lehrer für Oberhausen begeistern können, dass sie in dieser Stadt bleiben.“
Im Falle von Karin Knitsch stehen die Chancen gut. Sie ging als Schülerin zum Bertha, machte am Bertha Abitur und unterricht am Bertha als Lehrerin. Damit geht ein persönlicher Traum in Erfüllung,
Verbesserungsvorschläge an NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) hat sie dennoch: „Teilweise sind die Klassen so groß, dass man den Schülern nicht mehr gerecht werden kann.“ In kleineren Klassen von 21 Schülern sei ein anderer Unterricht möglich. Die Realität sieht an den meisten Schulen allerdings anders aus.