Oberhausen. Rund 300 Metaller streikten vor MAN in Oberhausen für acht Prozent mehr Lohn. Es ist die erste Eskalationsstufe. Weitere sind möglich.

Die MAN-Verantwortlichen dürften nicht mit angstvollem Blick aus den Fenstern geschaut haben. Eine überschaubare Gruppe von 300 Männern und Frauen hatte sich vor der Zentrale an der Steinbrinkstraße in Oberhausen versammelt. Sie schwenkten für zwei Stunden Fahnen und pusteten in die Gewerkschaftspfeifen. Doch der Warnstreik am Donnerstag könnte nur der Anfang sein in den hartnäckigen Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern. Die IG Metall fordert acht Prozent mehr Lohn in einer Zeit, wo die Nöte und Sorgen wachsen. Die Arbeitgeber-Seite wehrt sich.

Jörg Schlüter, ein Mann von kräftiger Statur, hatte in dieser Woche schon in Mülheim die Metaller auf den Streik eingeschworen. Er arbeitet in Oberhausen und ist bei der Gewerkschaft IG Metall zuständig für die Städte Mülheim, Essen und Oberhausen. Am Donnerstag stand der Bevollmächtigte auf der improvisierten Bühne vor MAN und fand klare Worte. Die Arbeitgeber würden in der Tarifrunde „Angebote aus der Mottenkiste“ unterbreiten, das jüngste nach sechs Wochen „verplemperter Zeit“ sei eine Frechheit gewesen: eine Einmalzahlung von 3000 Euro für 30 Monate Laufzeit. „Damit haben sie gezeigt, dass sie es nicht kapieren“, rief Schlüter. „Sie nehmen uns nicht ernst.“ Deshalb gab es auch eine verbale Warnung: „Fordert uns nicht heraus. Unterschätzt uns nicht!“

Jörg Schlüter, 1. Bevollmächtigter der IG Metall, schwor die Streikenden auf die Forderungen der Gewerkschaft ein.
Jörg Schlüter, 1. Bevollmächtigter der IG Metall, schwor die Streikenden auf die Forderungen der Gewerkschaft ein. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Letzter Erzwingungsstreik schon lange her

Schlüter ist seit 2002 in Oberhausen als Betriebsrat aktiv. Warnstreiks habe es mal gegeben, erzählt er dieser Redaktion. Aber einen echten Erzwingungsstreik schon lange nicht mehr. „Der Warnstreik ist die erste Eskalationsstufe“, sagt Schlüter. Weitere Eskalationen könnten in den nächsten Wochen folgen, „bis hin zum Erzwingungsstreik“. Dann würde die Arbeit nicht nur für einen bestimmten Zeitraum niedergelegt, sondern auf unbestimmte Zeit.

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Schlüter ist fraglos bereit, dafür zu kämpfen. Unklar ist noch, wie viele mitziehen. Am MAN-Standort in Oberhausen sind circa 1500 Menschen beschäftigt. Nur ein Teil fand sich am Donnerstag vor dem Werktor ein. Schlüter sagt, viele Beschäftigte würden im Home Office arbeiten. In seiner Rede rief er aber auch dazu auf, größere Teile der Belegschaft zu motivieren. „Sprecht mit euren Kollegen. Es sind noch welche in den Büros und in den Werkstätten.“

Auch der psychische Druck nimmt zu

Der Druck könnte in den nächsten Wochen steigen. Die Forderung von acht Prozent mehr Gehalt – einem monatlichen Plus von etwa 300 Euro – entstammt aus dem Juli. Seitdem hat sich die finanzielle Krise verschärft, für die Unternehmen, aber vor allem für die Arbeitnehmer. Die Inflation treibt die Preise in die Höhe, der Ukraine-Krieg lässt die Kosten für Heizung und Strom explodieren. Der Gewerkschaft geht es um zweierlei: Wertschätzung für die Zeit, in der Arbeitnehmer geholfen haben, dass Unternehmen wie MAN durch die Corona-Pandemie kamen, und eine Antwort auf die leerer werdenden Portemonnaies. „Es wird immer teurer“, sagt Thorsten Boverkerk, Leiter des Vertrauenskörpers bei MAN. „Es gibt jetzt schon Menschen, die nicht wissen, wie sie den nächsten Winter überstehen sollen.“ Die psychische Belastung nehme zu. Mit einer Einmalzahlung von 3000 Euro sei ihnen nicht geholfen.

In der Belegschaft herrschte am Donnerstag verhaltener Kampfgeist. Die Gruppe, bestehend größtenteils aus Männern, unterlegte die Forderungen mit Trillerpfeifen und Fahnen. Allerdings ist die Belegschaft auch nicht streikerprobt. Viele können sich nicht daran erinnern, dass schon einmal bei MAN gestreikt wurde. „Wir können keinen Druck auf die Allgemeinheit ausüben“, sagt ein Beschäftigter. „Das betrifft ja nur den Arbeitgeber.“ Anders als Piloten oder Lokführer, die mit ihren Streiks konkrete Folgen im Alltag verursachen.

„Alles wird teurer“

Die Beschäftigten spüren sehr wohl den Druck aus Inflation und Ukraine-Krieg. Lebensmittel, Sprit, alles würde teurer, sagt ein anderer Beschäftigter. „Selbst die acht Prozent würden nicht ausreichen.“ Gut möglich, dass dieser Winter noch rauer wird.