Düsseldorf. Grundschüler in NRW sollen große Probleme mit Schreiben und Rechnen haben. NRW-Viertklässler schneiden im Ländervergleich besonders schlecht ab.

  • Eine Studie zeigt: Grundschüler aus NRW haben große Probleme im Lesen und Schreiben
  • Ein Vergleich der Jahre 2016 und 2021 zeigt, dass die Zensuren immer größer werden
  • Damit liegt NRW deutlich unter dem Landesdurchschnitt

Immer mehr Grundschulkinder in Nordrhein-Westfalen haben Probleme in den Kernfächern Mathe und Deutsch. Im Ländervergleich schneiden die Viertklässler hier besonders schlecht ab. „Die Ergebnisse sind ein Alarmsignal, mit denen man sich niemals zufriedengeben darf“, sagte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) über den neuen IQB-Bildungstrend. Das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen hatte die Studie im Auftrag der Kultusministerkonferenz durchgeführt. Zwar seien die Resultate von der Pandemie und der Zuwanderung beeinflusst, sagte Feller, dies allein erkläre die schlechten Ergebnisse aber nicht.

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Verglichen mit der vergangenen Datenerhebung 2016 ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die den Regelstandard in den Kompetenzbereichen Mathematik, Lesen, Zuhören und Rechtschreibung erreichen, 2021 im bundesweiten Schnitt Prozent gesunken. Gleichzeitig hat der Anteil der Viertklässler, die den Mindeststandard verfehlen, in allen Bereichen zugenommen. Laut IQB-Leiterin Petra Stanat spielen die Corona bedingten Einschränkungen hierbei eine entscheidende Rolle. Vor allem die Lernumgebung und die technische Ausstattung zu Hause beeinträchtigten die Lernerfolge einiger Schüler, so Stanat.

Viertklässler getestet: NRW liegt in Deutschland deutlich unter dem Gesamtwert

Jeder fünfte Grundschüler (21,6 Prozent) in NRW hat so große Probleme beim Lesen, dass er den Mindeststandard verfehlt. Im Vergleichsjahr 2016 waren es in Nordrhein-Westfalen nur 15,7 Prozent. Noch schlechter als beim Lesen sieht es bei den Schülern bei der Rechtschreibung aus. Laut Studie haben 32, 6 Prozent der untersuchten NRW-Schüler erhebliche Probleme beim Schreiben. Fünf Jahre zuvor waren es nur 23,9 Prozent. Beim Rechnen schafft immerhin fast jeder zweite Viertklässler (47,3 Prozent) den vorgesehenen Standard. Am stärksten sind die negativen Veränderungen bundesweit im Zuhören ausgeprägt.

Auffällig ist: Schüler mit Migrationshintergrund, die zu Hause überwiegend nicht deutsch sprechen, schneiden in diesem Punkt sowie in der Sprachkompetenz besonders schlecht ab. In Zeiten von Homeschooling sei ihre deutschsprachige Kompetenz ins Stocken geraten, erklärt IQB-Chefin Stanat. In NRW sprechen mittlerweile 42,2 Prozent der Grundschüler Zuhause noch eine andere Sprache als Deutsch. Damit liegt das Land über dem Bundesdurchschnitt von 36,2 Prozent.

SPD dringt auf „gemeinsame Bildungskonferenz“ in NRW

„Die Zahlen des Bildungstrends zeigen deutlich, dass wir uns in NRW in einer Bildungskatastrophe befinden“, sagte SPD-Landtagsfraktionsvize Jochen Ott. Hamburg zeige, dass ein anderer Weg möglich sei. Die SPD dringt nun auf eine „gemeinsame Bildungskonferenz“ für NRW.

Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW zeigt sich alarmiert. „Die Ergebnisse der IQB-Studie sind ein deutlicher Weckruf an die Politik, weitaus mehr als bisher in das Bildungssystem zu investieren“, warnte Anne Deimel, Vize-Vorsitzende des VBE in NRW. Überall im Bildungssystem fehlten Fachkräfte, so Deimel.

Wo liegen in NRW die größten Probleme? Ein Überblick.

Mathematik: Beim Rechnen schafft fast jeder zweite Viertklässler (47,3 Prozent) den vorgesehenen Standard, also das, was im Schnitt von Schülerinnen und Schülern in diesem Alter erwartet wird. Damit liegt Nordrhein-Westfalen in Deutschland allerdings deutlich unter dem Gesamtwert. In Bayern erreichen die Grundschüler im Vergleich einen Spitzenwert von 66,6 Prozent. Knapp ein Drittel (28,1 Prozent) der Schülerinnen und Schüler in NRW haben so große Probleme mit dem Schulfach Mathe, dass sie den Mindeststandard nicht vorweisen können. Das sind 8,9 Prozent mehr als noch 2016.

Lesen: Jeder fünfte Grundschüler (21.6 Prozent) in NRW hat so große Probleme beim Lesen, dass er den Mindeststandard verfehlt. Damit liegt das Land über dem Bundesdurchschnitt von 18,8 Prozent. Im Vergleichsjahr 2016 waren es in Nordrhein-Westfalen nur 15,7 Prozent. Im Ländervergleich liegt NRW beim Verfehlen des Mindeststandards gleichauf mit Brandenburg. Schlechter schneiden beim Lesen nur die Bundesländer Berlin (27,2 Prozent) und Bremen (31 Prozent) ab.

Rechtschreibung: Noch schlechter als beim Lesen sieht es bei den Schülerinnen und Schülern mit der Rechtschreibung aus. Nur 39, 6 Prozent erreichen den Regelstandard, während 32, 6 Prozent der untersuchten NRW-Schüler erhebliche Probleme beim Schreiben haben. Fünf Jahre zuvor hatten nur 23,9 Prozent massive Probleme mit der Rechtschreibung. Heute beherrschen gerade einmal 4,4 Prozent der Grundschüler hierzulande eine einwandfreie Rechtschreibung.

Zuhören: Am stärksten sind die negativen Veränderungen bundesweit im Zuhören ausgeprägt. Gerade einmal etwas mehr als die Hälfte (53,6 Prozent) der befragten Grundschüler erreichen hier den Regelstandard. 23,3 Prozent können in der Schule nicht gut zuhören. Damit liegt NRW gemeinsam mit Berlin (27,1 Prozent) und Bremen (27,4 Prozent) über dem bundesweiten Durchschnitt.

Mangelnde Sprachkompetenz bei Schülern mit Migrationshintergrund: Grundschüler mit Migrationshintergrund, die zu Hause überwiegend nicht deutsch sprechen, schneiden in diesem Punkt sowie in der Sprachkompetenz besonders schlecht ab. Gerade in Zeiten des Corona bedingten Zuhause-Lernen sei die deutschsprachige Kompetenz bei vielen ins Stocken geraten, erklärte IQB-Leiterin Petra Stanat. In NRW sprechen mittlerweile 42,2 Prozent der Grundschüler Zuhause noch eine andere Sprache als Deutsch. Damit liegt das Land über dem Bundesdurchschnitt von 36,2 Prozent.

Die Landesregierung: „Der Bildungstrend legt die Schwachstellen unseres Schulsystems schonungslos offen“, teilte am Montag NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) mit. „Den Ergebnissen müssen wir uns stellen und uns fragen, was wir alle gemeinsam besser machen müssen. Wir haben viele gute Maßnahmen, Ansätze und Ideen. Aber offensichtlich ist es uns bisher nicht gelungen, mit den gesellschaftlichen Veränderungen Schritt zu halten.“ Die NRW-Regierung werde nun alle bisherigen Maßnahmen überprüfen. Die schon eingeleitete Stärkung der Grundschulen brauche aber Zeit, um Wirkung zu entfalten.

Die Lehrerverbände: „Alarmierend“, „Spiegel für Personal- und Zeitmangel“, „Zeugnis für das Versagen in der NRW-Bildungspolitik“ – Der Philologenverband, der Verband Bildung und Erziehung (VBE) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW warnen vor einem Weiter so. „Insgesamt dürften Schulschließungen, Unterrichtsversorgung, aber auch bestimmte didaktisch-methodische Ansätze („Schreiben nach Gehör“) für das schlechte Ergebnis mitverantwortlich sein“, so Sabine Mistler, Vorsitzende des Philologenverbandes NRW. Anne Deimel vom VBE sagte: „Die Ergebnisse sind ein Weckruf an die Politik, weit mehr als bisher in das Bildungssystem zu investieren.“. GEW-Landeschefin Ayla Celik forderte eine Fachkräfteoffensive für die Bildung.

Die Opposition: Während die SPD der Landesregierung vorwarf, die „Bildungskatastrophe“ nur zu verwalten und nach einer gemeinsamen Bildungskonferenz zur Sicherung des Schulfriedens in NRW rief, forderte die FDP ein Nachschärfen bei den eingeleiteten Maßnahmen. FDP-Bildungsexperte Andreas Pinkwart nannte den Ausbau der Talentschulen, den „Masterplan Grundschule“ sowie das Programm „Ankommen und Aufholen“.