Oberhausen. Mit Lesung und Musik erinnern VHS und Verbündete an Oberhausens großen Sohn. Das „Spektakel“ des Theaters gibt’s schon im Schlingensief-Buch.

Für eine volle Veranstaltungsreihe ist „Eine/r von uns“ noch nicht weit gediehen. Im Februar 2020, unmittelbar vor dem ersten Corona-Lockdown, würdigten Literarische Gesellschaft und Künstlerförderverein als „großen Sohn der Stadt“, wie Verleger Wilhelm Kurze sagt, den weltweit konzertierenden Cellisten Rudolf Weinsheimer – und freuten sich über einen vollen Saal. Jetzt gilt es einiges aufzuholen, denn Oberhausener mit Weltkarriere gibt es mehr als einen.

Kurz nach seinem 62. Geburtstag bietet die VHS im Bert-Brecht-Haus nun den Schauplatz für eine Matinee zu Ehren von Christoph Schlingensief am Sonntag, 6. November, um 11 Uhr (Raum 330). Ob der zeitlebens dem Berufsbild eines „Enfant terrible“ frönende Provokationskünstler dergleichen Würdigung heute altersmilde genossen – oder eher mit Vergnügen aufgemischt – hätte, darüber ließe sich zwölfeinhalb Jahre nach seinem Tod trefflich spekulieren. Ein angemessen schrilles „Spektakel“ hatte ihm ja schon das Theater Oberhausen vor zwei Jahren ausgerichtet.

Verleger Wilhelm Kurze (re.) und Autor Kurt-Dieter Jünger mit dem „Christoph Schlingensief“-Buch im stattlichen LP-Format.
Verleger Wilhelm Kurze (re.) und Autor Kurt-Dieter Jünger mit dem „Christoph Schlingensief“-Buch im stattlichen LP-Format. © FUNKE / Foto Services | Gerd Wallhorn

Kurt-Dieter Jünger schließlich komponierte aus all den Aufregungen, die Schlingensief so produktiv zu nutzen wusste, ein Fan-Buch besonderer Art – und eines der wohl ungewöhnlichsten Produkte aus dem Laufen-Verlag: Der Herausgeber von „Christoph Schlingensief“, dieser 126-seitigen Text-Collage aus Zeitungsberichten über das Operndorf in Burkina Faso wie über die Namensgebungsposse um Oberhausens Schlingensief-Straße, übernimmt selbst die Moderation der Matinee und nennt seinen Beitrag „Erinnerungen an einen Multi-Künstler“.

Zu nervenaufreibend für die Gymnasiums-Chronik

Er ist allerdings mehr Verehrer denn Insider, wie etwa Bettina Böhler, die langjährige Cutterin des Film-Berserkers, die im Sommer vorigen Jahres mit ihrer grandiosen Filmbiografie „Schlingensief – in das Schweigen hineinschreien“ aufwartete. Dennoch soll es der Matinee nicht an bewegten Bildern mangeln: Die nur vier bis neunminütigen Kurzfilme, mit denen der Apothekersohn schon als Schüler loslegte, werden das Programm, nun ja, auflockern. Verleger Wilhelm Kurze erinnert sich prompt an den Protest jener Pädagogen, mit denen er einst an einer Chronik des Heinrich-Heine-Gymnasiums arbeitete: Den „anstrengenden“ Gymnasiasten Schlingensief solle man doch bitte aus der Schulhistorie herauslassen.

Meister der Selbstinszenierung: Christoph Schlingensief ergreift 1996 das Megafon in „Rocky Dutschke, 68“ vor dem Karl-Liebknecht-Haus, der Parteizentrale der damaligen PdS.
Meister der Selbstinszenierung: Christoph Schlingensief ergreift 1996 das Megafon in „Rocky Dutschke, 68“ vor dem Karl-Liebknecht-Haus, der Parteizentrale der damaligen PdS. © bildbuehne.de | David Baltzer

Klaus Zwick darf auch so aus einem reichen Fundus schöpfen: Kurt-Dieter Jünger versorgte den Schauspieler aus dem Ensemble des Theaters Oberhausen mit reichlich Textmaterial, um daraus eine Lesung aus „O-Tönen“ des Aktionskünstlers, Autors, Regisseurs und Hochschullehrers zu gestalten. Auch Selbsterkenntnis dürfte dabei sein: „Ich glaube, ich wollte es immer gut machen“, sagte Schlingensief, „habe aber auch vieles falsch gemacht. Und Manchmal ist bei dem Falschmachen ganz Gutes ‘rausgekommen.“

„Sondierung“ für die Denkmal-Idee

Apropos Theater: Der nächste Held der „Eine/r von uns“-Reihe steht für die Macher bereits fest. Im nächsten Jahr wollen sie mit Klaus Weise Oberhausens bisher erfolgreichsten Theaterintendanten würdigen, der im vorigen Jahr mit „Sommerleithe“ einen biografischen Roman über seine Jugend in Gera und Dümpten vorgelegt hatte. „Alle Kultureinrichtungen, auch über das Theater hinaus, haben von seinem Engagement profitiert“, meint Wilhelm Kurze.

Offiziell noch kein Thema der kommenden Matinee ist Kurt-Dieter Jüngers bereits im „Schlingensief“-Buch propagierte Idee eines Denkmals für den so fotogenen wie (selbst-)inszenierungsfreudigen Künstler. Der Ideengeber und mögliche Mäzen „sondiert noch“, sagt sein Verleger vorsichtig.

Der Eintritt zur Matinee am 6. November ist frei; die VHS bittet um Anmeldung unter 0208 825 2385 oder per Mail an vhs@oberhausen.de