Oberhausen. Stefanie Sargnagel bis Arbeitslosenballett: Zum Geburtstag des verstorbenen Künstlers Christoph Schlingensief gibt’s in Oberhausen viel zu sehen.
Vertraute Geburtstagsfeten haben es zur Corona-Zeit schwer: Darum erinnert das Theater Oberhausen am Wochenende – von Freitag, 23. Oktober bis Sonntag, 25. Oktober – auch mit einem Dreiklang aus Filmen, Aktionen und Inszenierungen an Christoph Schlingensief. Zugeschaut wird auf Abstand, aber thematisch bleibt es dicht.
Auch interessant
Das breit gestreute Kultur-Festival „Schlingensief 2020“ soll ein Spektakel zum Erinnern, Feiern und Weitermachen sein. Der große wie streitbare Oberhausener Künstler wäre am 24. Oktober runde 60 Jahre alt geworden. Vor zehn Jahren verstarb er in Berlin an Lungenkrebs. Seit Wochen läuft in Oberhausen das Warm-up mit Kunst-Ausstellungen im „Supermarkt der Ideen“ und Kino-Abenden seiner Leinwand-Werke in der Lichtburg.
Schlingensief 2020: Kreatives Dreieck zwischen Theater und Altmarkt
Sicher ist sicher. Beim Stichwort „Feiern“ haben sie auf den Veranstaltungsplakaten einen erklärenden Pfeil aufgemalt, der auf das Hygienekonzept hinweist. Alles soll und muss nach dem gültigen Corona-Regelwerk ablaufen. Um Anmeldungen wird gebeten.
Und das Programm liest sich wie eine heiß-kalte Expeditionstour durch ein bewegtes wie bewegendes Leben. Das Theater rückt Christoph Schlingensief nicht nur als Menschen, sondern auch seine Ideen in das Stadtleben.
Hochaktuell, manchmal erschreckend prophetisch. Trashig wie politisch. Die künstlerische Leitung um Elena Liebenstein und Raban Witt errichtet zwischen dem Theater am Will-Quadflieg-Platz, der Lichtburg an Elsässer Straße und dem Altmarkt ein kreatives Dreieck.
Schlingensief 2020: Dorf-Installation steht neben dem Elternhaus
Wo soll man anfangen? Am besten dort, wo Schlingensief aufwuchs. Am Freitag beginnt auf der Terrasse der Kulturgaststätte Gdanska um 18 Uhr – natürlich in Sichtweite zum ehemaligen Wohnhaus und der Apotheke der Eltern – eine dreitägige Retrospektive. Sie gelangt zuerst in den Gehörgang: Der Musiker und Medienkünstler Jan Arlt, kürzlich mit dem „Oberhausen City Arts“-Preis geehrt, spielt „Operation Overload“. Eintritt frei.
Dass Oberhausen ein Dorf ist, wird manchmal geunkt. Die passenden Holzhütten baut das Künstlerkollektiv um Aaron Stratmann (er wirkte mit an der bemalten Bunkerfassade der „Weltbaustellen“ an der Sedanstraße) und Ursula Meyer darum direkt nebenan auf. Ein Dorf neben der Kirche. An allen Tagen geöffnet. Anschauen, mitspielen. Eintritt frei.
Schlingensief 2020: Arbeitslosenballett und provozierende Kunst
Aus dem öffentliche Leben verdrängte Materialien wie Blut, Kot und Dreck sind in „Verschmutzung. Körperzustände. Faschismus. Christoph Schlingensief und die Kunst“ zu sehen. Der „Supermarkt der Ideen“ an der Stöckmannstraße zeigt, von wem der Meister mit provokativen Werken inspiriert wurde und wen er selbst beeinflusst hat. An allen Tagen zwischen 12 und 20 Uhr. Eintritt frei.
Am Samstag und Sonntag, jeweils 15.30 Uhr und 17.30 Uhr, ist das erste Oberhausener Arbeitslosen-Ballett zu sehen. Der Oberhausener Künstler Thomas Lehmen gründete die Formation, die sich aus ALG-II-Empfängern und Arbeitssuchenden zusammensetzt. Das Ballett spannt den Bogen zwischen Kunst, Arbeit und Arbeitslosigkeit. „Ein Arbeitsloser ist auch ein Arbeitssuchender, ein Archäologe unserer Zeit“, zitiert das Theater dazu Schlingensief. Ein Geheimtipp des Festivals. Eintritt 5 Euro.
Schlingensief 2020: Stefanie Sargnagel und Schüler als Superhelden
Auch interessant
Viele Spuren hat Christoph Schlingensief in Oberhausen hinterlassen, neben einem Straßennamen auch an der Christoph-Schlingensief-Schule. Die Klassen 8a und 8b haben multimediale Kunstwerke gestaltet, in denen sie als Superhelden Christoph Schlingensief begegnen. „Whaam! Superhelden*innen treffen Christoph Schlingensief“. Sonntag, 11.15 Uhr, Gdanska-Außenbühne. Eintritt frei.
Kino ohne Ende wartet am Samstag. Um 14 Uhr startet die Trilogie „Phantasus muss anders werden“ (1983), „What happened to Magdalena Jung?“ (1983) und „Tunguska – Die Kisten sind da“ (1983). Um 16.30 Uhr geht es mit „Egomania – Insel der Hoffnung“ (1986) weiter, um ab 21.30 Uhr mit „100 Jahre Adolf Hitler“ (1989) zu enden. Jeweils in der Lichtburg, jeweils 5 Euro Eintritt. Besonderer Höhepunkt: Eine Team-Preview zu „Das Massaker von Anröchte“. Ein Theater-Film von Hannah Dörr, nach dem Drehbuch von Wolfram Lotz. Freitag, 20 Uhr und Sonntag, 15.30 Uhr. Eintritt auch hier: 5 Euro.
Online-Poetin Stefanie Sargnagel schreibt über Feminismus, Aussichtslosigkeit und Depression. Tragisch und humorvoll zugleich. Am Sonntag liest die bekannte Österreicherin ab 20.30 Uhr im Großen Haus des Theaters aus ihrem neuen Buch „Dicht. Aufzeichnungen einer Tagediebin“. Der Promi-Faktor dieses Festivals. 5 Euro Eintritt.
Es wird diskutiert – und angeregt. Was würde Christoph Schlingensief über die heutige politische Großwetterlage sagen? Welche Meinung hätte er zur Corona-Krise? Die Theater-Initiatoren hoffen an drei Tagen „Schlingensief 2020“ auf einen regen Zuspruch.