Oberhausen. Kathrin Mädler präsentiert als Fiedler-Nachfolgerin am Theater Oberhausen eine Saison 2022/23 der „großen Geschichten“: mit zwölf Uraufführungen.
Eigentlich versprüht Kathrin Mädler zwischen ihren Kolleginnen vom neuen Leitungsteam des Theaters eindeutig Vorfreude aufs kommende Bühnenjahr. Doch in Worten rudert die künftige Intendantin dann doch zurück, beschreibt das große Spielzeitmotto „Gute Hoffnung“ lieber vorsichtig als „einen etwas zaghaften optimistischen Impuls in dieser krisenhaften Zeit“.
Ganz lassen sich die Unwägbarkeiten der letzten Jahre eben doch nicht ausräumen – obwohl bei der Vorstellung des neuen Leitungsteams und seines ersten Spielplans von einem Plan B, C oder D keine Rede war. Damit hatte Mädlers Vorgänger und Noch-Intendant Florian Fiedler zur Genüge zu tun: vom digitalen Theater, das zwei längeren Lockdowns trotzte, bis zur Jubiläumskomödie für das 100-jährige Schauspielhaus in einer Schulaula. Verwaltungsdirektorin Doris Beckmann schilderte die weiteren bis 2025 anstehenden Bauarbeiten am Will-Quadflieg-Platz allerdings eher als hoffnungsvollen Ausblick auf ein grenzenloses „Theater der Zukunft“.
Ganz so stürmisch spielte Kathrin Mädler denn doch nicht nach vorne: Das Science-Fiction-Drama unter zwölf Uraufführungen der kommenden Spielzeit zeichnet unter dem Titel „Der lange Schlaf“ eine eher düstere Zukunftswelt. Autor Finegan Kruckemeyer schickt die Menschheit in einen einjährigen, chemisch induzierten Tiefschlaf, um den bedrohten Planeten zu retten.
Sehr zeitgenössisch – „und zweieinhalb Komödien“
Dabei sollten Theatergänger bitte hellwach bleiben, denn die Intendantin (die seit 2016 das Landestheater Schwaben in Memmingen leitet) verspricht für Oberhausen „einen sehr zeitgenössischen Abendspielplan mit großen Geschichten – und zweieinhalb Komödien“. Das heißt nicht, dass sie alle Neuerungen ihres Vorgängers abräumt. Ausdrücklich würdigt Kathrin Mädler die „tolle Arbeit der Theaterfaktorei“. Künftig heißt diese Sparte allerdings englisch-deutsch „Open Haus“, geleitet von Anne Verena Freybott. Die an vielen Schulen der Stadt bekannte Theaterpädagogin Anke Weingarte bleibt im neuen Team dabei. Auch beim jungen Theater will die Intendantin, wie sie sagt, „an Florian Fiedlers wunderbare Arbeiten anknüpfen“.
Sechs bleiben aus dem vertrauten Ensemble
Zehn Schauspielerinnen und neun Schauspieler bilden von der nächsten Spielzeit an das Ensemble. Sechs waren bereits während der fünf Fiedler-Jahre dem Publikum des Theaters Oberhausen vertraut: Es sind Anna Polke und Torsten Bauer (als Dienstälteste), Susanne Burkhard und Klaus Zwick sowie Ronja Oppelt und Daniel Rothaug. Weitere acht bringt Kathrin Mädler vom Landestheater Schwaben in Memmingen mit. Zudem setzt die Intendantin die von ihrem Vorgänger gestartete Kooperation mit der renommierten Zürcher Schauspielschule fort.
Der neue Webauftritt lässt sich dank eines Links auf der vertrauten Adresse theater-oberhausen.de bereits bestaunen. Auch der Webshop ist bereits geöffnet: Abonnenten können ab sofort für die Spielzeit 2022/23 buchen.
Los geht’s übrigens am 10. September (durchaus fiedleresk, wenn man so will) mit einem Liederabend: „Gute Hoffnung – Songs für Oberhausen“. Die beiden ersten Schauspiel-Premieren folgen Ende September: Zum einen mit der Wiederentdeckung der jüdischen Autorin Anna Gmeyner und ihres Textes „Welt überfüllt“ aus den 1920ern. „Ein bisschen Horvath, ein bisschen Fallada“, so beschreibt Mädler diese späte Uraufführung. Zum anderen mit ihrer eigenen Inszenierung von Noah Haidles herber US-Satire „Kissyface“: Diese Kriegsgroteske gewinne gerade „eine beängstigende Aktualität“, so die 46-jährige Theatermacherin.
Die erste von „zweieinhalb“ Komödien liefert am 14. Oktober der Brite Nick Hornby (von dem sich ein gewisser Frank Goosen am allerliebsten inspirieren lässt) mit „State of the Union“. Noch vertrauter sind sicher die literarischen Vorlagen der zwei großen Produktionen des jungen Theaters: Als Familienstück zur Vorweihnachtszeit kündigt sich Erich Kästners „Pünktchen und Anton“ an, im Februar 2023 gefolgt vom „Schimmelreiter“ nach Theodor Storm. Anne Verena Freybott betont die hohe Aktualität dieser klassischen Novelle: „Wandel und Fortschritt fallen auf Misstrauen.“
Festival für neues Theater aus Südosteuropa
Mit einer noch unbenannten „Urban Arts“-Produktion will die neue Theaterleitung im Februar nicht weniger als eine neue Sparte etablieren. Andere Novitäten sind für Oberhausen eher „retro“: So wird die Bar nicht mehr „Pool“, sondern wieder Bar heißen, der bisherige „Saal 2“ wieder als „Studio“ firmieren. Das von Kathrin Mädler angekündigte „mobile Theaterbüdchen“ gab’s so allerdings noch nicht. Zudem holt die Intendantin gleich sieben „Artists in Residence“ nach Oberhausen und lässt im Sommer 2023 mit „New Stages Southeast“ ein Festival in Kooperation mit dem Goethe-Institut steigen, dass den Westen des Reviers mit der neuen Theaterliteratur aus Südosteuropa bekannt macht: „Sie sehen, wir haben viel vor!“