Oberhausen. Mit dieser Aussage schockiert der EVO-Vorstand bei der Sitzung der Oberhausener Linken: Die Energiepreise werden weiter in die Höhe schnellen.
Die Strom- und Gaspreise bewegen sich in nie zuvor gekannten Rekordhöhen – und das Schlimmste: „Die Rechnungen für alle Verbraucher dürften auch in den kommenden Monaten und Jahren immer weiter steigen.“ Mit dieser düsteren Aussicht schockierten EVO-Vorstand Hartmut Gieske und EVO-Vertriebsleiter Arnd Mucke die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fraktionssitzung der Linken in Oberhausen. Alarmiert durch viele besorgte Bürgeranfragen hatten die Parteimitglieder die Chefetage des städtischen Energieversorgers am Mittwoch, 5. September 2022, zum Gespräch geladen.
„Seit vier Monaten beobachten wir voller Sorge einen ungebremsten Preisanstieg an der Börse“, sagt EVO-Vorstand Hartmut Gieske. Mittlerweile müssten die Energieversorger Strom und Gas zu zwölf- bis 13-fach höheren Kursen einkaufen als vor dem Ukraine-Krieg. Einen nachvollziehbaren Grund für derartig enorme Sprünge können allerdings weder Gieske noch Mucke erkennen. „Was wir aktuell an der Börse erleben, ist pure Panik.“ Dabei könnten sich die Kunden in Oberhausen fast noch glücklich schätzen. „Wir mussten unsere Energiekosten um rund 35 Prozent anheben, in der Region stiegen die Preise dagegen vielerorts sogar um bis zu 130 Prozent“, führt Gieske aus.
Dieser gedrosselte Anstieg sei nur gelungen, weil der Oberhausener Energieversorger mit seinen Anteilseignern eine geringere Gewinnmarge vereinbaren konnte. „Von den sonst üblichen elf Millionen Euro können in diesem Jahr voraussichtlich nur 6,1 Millionen Euro fließen.“
EVO soll auf Gewinnausschüttung komplett verzichten
Für Jürgen Dittmeyer, Aufsichtsratsmitglied der IKF Internationale Kurzfilmtage Oberhausen gGmbH und für die Linken im Kulturausschuss aktiv, macht eben genau der Börsenhandel einen Großteil des Problems aus. „Energie ist ein Grundrecht, das überhaupt nicht an der Börse gehandelt werden dürfte.“ Um die Folgen der Preisspirale für ärmere Oberhausener abzufedern, fordert er von der EVO einen Verzicht auf Sanktionen, falls diese die Kosten für Strom und Heizung nicht mehr aufbringen könnten. „Aber auch einen Verzicht auf die Gewinnausschüttung an die Anteilseigner, um so die Energiepreise weiter abzufedern.“
„Wir können den Börsenhandel nicht im Alleingang beenden“, hält Gieske dagegen. Auch Stromsperren etwa könne die EVO nicht einfach von sich aus aussetzen, ergänzt Mucke. „Wir müssen uns an die gesetzlichen Vorgaben halten.“ Diese könnten nur von der Politik geändert werden. „Angesichts zu erwartender unzähliger Liquiditätsprobleme nicht nur von Privatkunden, sondern auch aus dem Mittelstand hoffen wir da aber ebenfalls auf rasche, neue politische Regelungen“, betont Gieske. Mit den Gewinnen würden vor allem der Öffentliche Nahverkehr und damit die Stoag in Oberhausen subventioniert sowie Projekte für Kinder und Jugendliche finanziert. „Allerdings erwarten wir auch in diesen Bereichen deutliche Einschnitte, denn es ist schon jetzt abzusehen, dass unsere Gewinne in den kommenden zwei Jahren gegen null gehen dürften.“
Bereits früh habe die EVO davor gewarnt, dass Energie nicht zum Luxusgut werden dürfe. „Doch genau das ist jetzt geschehen.“ In den Punkten Versorgungssicherheit, Preisstabilität und Klimaneutralität habe die Energiepolitik in Deutschland „eine glatte Sechs verdient“. Dabei bezieht der EVO-Vorstand ausdrücklich auch seine eigene Branche mit ein. „Wir haben uns viel zu lange von russischem Gas abhängig gemacht und sollten jetzt zusehen, dass wir unsere Energieversorgung in die eigenen Hände nehmen und nicht erneute Abhängigkeiten mit wem auch immer eingehen.“
Zu zögerlich beim Ausbau erneuerbarer Energien?
Ob nicht auch die EVO selbst in der Vergangenheit viel zu zögerlich beim Ausbau der erneuerbaren Energien gewesen sei, will Volker Köster wissen. Photovoltaik sei wichtig, um die Klimaneutralität zu erlangen, und sei deshalb bei der EVO seit Jahren Thema, kontert Gieske. So investiere der Energieversorger gezielt in den Ausbau von Fernwärme, Solarenergie sowie einer Biokraftanlage. „Wir rüsten unsere Dächer und auch die Dächer unserer Anteilseigner wie etwa der Stoag mit Solaranlagen aus, aber wir haben in dieser Stadt doch keinen Zugriff auf die Dächer der privaten Hausbesitzer“, sagt Gieske. Auch in diesem Punkt sei die Politik gefragt.
„Hätten wir bereits vor Jahren die Vorgaben gehabt, dass etwa kein Neubau mehr ohne Photovoltaik, Erdwärme und Wärmepumpen gebaut werden dürfte, hätten wir jetzt gar kein Energieproblem.“ Die entsprechenden technischen Anlagen beispielsweise für Eigenheime habe die EVO selbstverständlich im Angebot. „Wir helfen auch bei der Finanzierung und sprechen mit den Banken, damit unsere Kunden möglichst gute Kredit-Konditionen erhalten“, erläutert Mucke. Ein wenig Hoffnung auf günstigere Heizkosten kann er immerhin vielen Tackenbergern machen: „Die Vorarbeiten für den Anschluss des Ortsteils ans Fernwärmenetz laufen auf Hochtouren.“
Das alles sei sicherlich richtig, helfe nach fünf Preissteigerungen innerhalb weniger Monate aber den Oberhausenern nicht, die ihre Strom- und Heizkosten schon jetzt kaum noch bezahlen können, meint Henning von Stoltzenberg von den Linken. „Welche Lösungen bietet die EVO in Bedrängnis geratenen Kunden jetzt an?“ Gemeinsam entwickelte Zahlungspläne, mehr Informationen über die Möglichkeiten, Strom- und Heizkosten einzusparen und den Verleih von entsprechenden Messgeräten, führt Gieske als Sofortprogramm an.
Weitere Hilfspakete für Geringverdiener und Mittelstand erforderlich
„Es kommen derzeit viele Menschen zu uns, die Hartz IV beziehen, eine Grundsicherung erhalten oder nur über eine kleine Rente verfügen, die sparen, wo es nur geht, sie kochen oft gemeinsam, nutzen kaum Strom – ihr Verbrauch ist bereits auf rund 800 Kilowattstunden pro Jahr geschrumpft, weiteres Einsparpotenzial gibt es dort nicht“, erzählt Hilde Kirsten. Das von der Bundesregierung geschnürte dritte Entlastungspaket sei für die Betroffenen „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Die Politikerin meint: „Wir benötigen gerade für diese Menschen dringend eine gezielte Unterstützung auch aus der Kommune.“
Mehr Unterstützung vom Bund, vom Land und den Kommunen sei tatsächlich notwendig, bestätigen Gieske und Mucke: „Denn es wird auch in Oberhausen ganz viele Menschen geben, die sich bald weder Strom noch Heizung mehr leisten können, und damit meinen wir auch viele Bürgerinnen und Bürger aus dem Mittelstand.“ Die Politik sei dringend gefordert gegenzusteuern. „Zumindest in den nächsten ein bis zwei Jahren, denn wir sind davon überzeugt, dass wir bis dahin das Schlimmste dank neuer Energiebezugsquellen und des fortschreitenden Ausbaus klimaneutraler Energien überstanden haben.“