Oberhausen. Die Gedenkhalle am Schloss Oberhausen feiert ihren 60. Geburtstag. Warum die Gründung 1962 eine große Besonderheit für ganz Deutschland war.

Sie entstand in einer Zeit des Verdrängens: 1962, im vorletzten Jahr der Kanzlerschaft Konrad Adenauers, war selbst das einstige KZ Bergen-Belsen, in dem Anne Frank als 15-Jährige umkam, noch keine Gedenkstätte. Mit der kleinen Gedenkhalle, die den Platz einer Remise des Schlosses einnimmt, „war Oberhausen tatsächlich voraussetzungslos“. So sachlich beschreibt Clemens Heinrichs jene Pioniertat, für die sich vor 60 Jahren Luise Albertz als Oberbürgermeisterin stark gemacht hatte.

Den Festakt zum Jubiläum begleitet am 2. September die zweite Repräsentantin des Staates: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, erfuhr der Leiter der Gedenkhalle, will sich Zeit nehmen – auch für die kritische Ergänzung des Denkmals der „Trauernden“. Mit der Monumentalskulptur war eine erste Initiative der CDU-Ratsfraktion für ein Mahnmal – nach heutigen Maßstäben überaus kritikwürdig – umgesetzt worden. Doch auch die Gedenkhalle von 1962 entsprach noch längst nicht dem Standard, den sich die heutigen 29 Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen gesetzt haben.

Die Wanderausstellung des Anne Frank Zentrums – „Lasst mich ich selbst sein“ – kommt im September in die Gedenkhalle.
Die Wanderausstellung des Anne Frank Zentrums – „Lasst mich ich selbst sein“ – kommt im September in die Gedenkhalle. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Von ihnen gründeten sich die meisten erst in den späten 1980er und frühen ‘90er Jahren. Erst in dieser Zeit, erklärt Clemens Heinrichs, „wurde auch aus der Bürgerschaft geforscht“. Sich den Verstrickungen der NS-Zeit in der eigenen Stadt zu stellen – das war 1962 noch eine außergewöhnliche Initiative. Und so vermengte das „Gedenken“ in dieser frühen Zeit noch die Erinnerung an die deutschen Vertriebenen und an den alliierten Bombenkrieg mit der Würdigung des Widerstands und der jüdischen NS-Opfer. Bereits 1967 hatte Erik Emig, damals Oberhausens Stadt-Pressesprecher, mit „Jahre des Terrors“ eine Stadtgeschichte dieser Zeit und ein „Gedenkbuch“ für die Verfolgten vorgelegt.

Clemens Heinrichs erinnert aber auch an Wilhelm Bettinger (1903 bis 1985), nach dem der kurze Weg zur Gedenkhalle benannt ist: Mit seinen Vorträgen an Schulen und seinem Einsatz für zeithistorische Lehrer-Fortbildung begründete der frühere Widerstandskämpfer im Alleingang das pädagogische Programm. „Dazu gäbe es noch einiges im Stadtarchiv nachzuforschen“, meint der Kunsthistoriker Heinrichs, der nun seit 19 Jahren die Gedenkhalle leitet.

Neue Themen: Zwangsarbeit und Erinnerungskultur

An der zweiten Dauerausstellung von 1988 hatte der bis heute in Sachen Oberhausener Stadtgeschichte aktive Klaus Oberschewen großen Anteil: Der sichtbarste Akzent galt dem Widerstand gegen die Tyrannei – und der Kritik an „Steigbügelhaltern“ der Nationalsozialisten, wie dem GHH-Industriellen Paul Reusch. „Die Zeit schreitet fort, es gibt neue Fragen und Perspektiven.“ Für Clemens Heinrichs war nicht akzeptabel, dass der Blick auf die Verfolgung jüdischer Oberhausener damals auf der Empore der Gedenkhalle „in der zweiten Reihe“ gelandet war.

Clemens Heinrichs, der Leiter der Gedenkhalle, in der hauseigenen Bibliothek mit dem Katalog zur „Marlene Dietrich“-Ausstellung.
Clemens Heinrichs, der Leiter der Gedenkhalle, in der hauseigenen Bibliothek mit dem Katalog zur „Marlene Dietrich“-Ausstellung. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

„Der Holocaust war noch unterrepräsentiert“, sagt der 59-Jährige. „Das haben wir geradegerückt.“ Auch die Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs im Ruhrgebiet und die Erinnerungskultur selbst sind bis heute Themen der 2010 eingerichteten dritten Dauerausstellung. „Fehler“ sieht Heinrichs rückblickend beim Ausstellungsdesign mit den zwar zurückhaltend weißen, aber unverrückbaren Blöcken.

Denn sie erlauben nur kleine Sonderausstellungen, die sich mit dem schmalen Platz entlang der Außenwände begnügen müssen. „Eine Dauerausstellung hat irgendwann ihr Publikum erreicht“, weiß der Leiter der Gedenkhalle. Eingekaufte oder selbst recherchierte Ausstellungen – wie die besonders erfolgreiche Schau zu Marlene Dietrich „Die Diva. Ihre Haltung. Und die Nazis“ – ließen sich attraktiver platzieren, wäre die wuchtige stadthistorische Schau „in Teilen mobil“.

Das Bunkermuseum ist bis heute Unikat

Das pädagogische Programm der Gedenkhalle dagegen musste lange aus dem einen Grund zurückstecken, weil engagierte, aber stets wechselnde Volontärinnen keinen haltbaren Kontakt zu den Schulen aufbauen konnten. Claudia Stein, selbst gelernte Lehrerin, kann diese wichtige Arbeit nun verstetigen.

Propaganda und Zeitzeugenschaft: eine Wand der Dauerausstellung in kühlen Grautönen.
Propaganda und Zeitzeugenschaft: eine Wand der Dauerausstellung in kühlen Grautönen. © FFS | Gerd Wallhorn

Clemens Heinrichs selbst hat seine Doppelaufgabe als Leiter von Gedenkhalle und Bunkermuseum jener ABM-Stelle zu verdanken, die ihn 2001 ins Knappenviertel brachte. Das vor 21 Jahren etablierte Museum im Souterrain des Bürgerzentrums Alte Heid ist sogar bis heute das einzige Museum seiner Art in NRW. „Das passt super zusammen“, meint Heinrichs – trotz einiger Kilometer zwischen „seinen“ beiden Erinnerungsorten: „Manche Gruppen kamen für einen ganzen Tag zu uns.“

Einen solche Anlass gäbe wieder die kommende Sonderausstellung: Schließlich bewegt seit der Erstausgabe von „Het Achterhuis“ vor 75 Jahren das Schicksal von Anne Frank über Generationen hinweg. „Lasst mich ich selbst sein“, die biografische Ausstellung des Anne Frank Zentrums, zeigt die Gedenkhalle vom 8. bis 29. September.

Festakt und Container-Schau

Den Jubiläumstag, Freitag, 2. September, begeht die Gedenkhalle mit hochrangigen Gästen: Als Präsidentin des Bundestages spricht Bärbel Bas bei dem um 14 Uhr beginnenden Festakt im TZU, Essener Straße 3. Weitere Ansprachen halten Oberbürgermeister Daniel Schranz und Prof. Dr. Alfons Kenkmann, der als Historiker an der Universität Leipzig lehrt.

Die Übergabe der neuen Informationstafeln zur Gedenkskulptur der „Trauernden“ folgt um 16 Uhr vor der Gedenkhalle. Und um 16.45 Uhr eröffnet im Innenhof des Schlosses Oberhausen die in einem aufklappbaren Übersee-Container gestaltete Ausstellung „#Stolen Memory“: Die Arolsen Archives zeigen hier den letzten Besitz von KZ-Inhaftierten und erläutern, wie es heute noch gelingt, diese sogenannten „Effekten“ – Taschenuhren, Fotografien oder Schmuckstücke – an Familien der Opfer zurückzugeben.