Oberhausen. An der Gesamtschule Osterfeld wurde eine Lehrerin im Unterricht angegriffen. Es soll nicht der einzige Vorfall gewesen sein. Direktor schweigt.
Ein gewalttätiger Vorfall sorgt an einer Oberhausener Schule für Unruhe. Eine Lehrerin der Gesamtschule Osterfeld wurde während des Unterrichts von einem Schüler körperlich attackiert. Die Schule möchte sich nicht dazu äußern und verweist auf die Bezirksregierung. Diese bestätigt den Vorfall. Im Raum stehen jedoch noch weitere Vorwürfe. In einer Mail an diese Redaktion wird von ständiger Gewalt und verängstigten Lehrerinnen berichtet.
Der Vorfall trug sich bereits am 18. Mai dieses Jahres zu. Die Lehrerin erstattete online Strafanzeige wegen Beleidigung und vorsätzlicher einfacher Körperverletzung. Das teilt die Polizei Oberhausen auf Nachfrage dieser Redaktion mit. Die Anzeige werde vom Fachkommissariat für Jugendkriminalität bearbeitet.
Schulleiter schweigt zum Vorfall
Auf den Vorfall machte eine Person in einer Mail an diese Redaktion aufmerksam, die anonym bleiben möchte. Sie schildert, dass die Lehrerin Vertretungsunterricht in einer sechsten Klasse gehabt habe. Sie ermahnte den Schüler, danach kam es zu Beleidigungen. Als die Lehrerin die Abteilungsleiterin anrief, sei der Schüler handgreiflich geworden, habe sie mit dem Rücken gegen die Tafel geknallt. Dabei sei auch das Kleid zerrissen worden, so dass die Lehrerin entblößt vor der Klasse gestanden habe. Der Schüler habe ihr auch an die Brust gefasst. Das kann die Polizei jedoch nicht bestätigen. Dies sei nicht zur Anzeige gebracht worden.
Schulleiter Gregor Weibels-Balthaus schweigt auf Nachfrage dieser Redaktion. Zu diesem Vorfall, aber auch zu den anderen Eindrücken, die in der Mail geschildert werden. Dass gerade bei jungen und weiblichen Lehrerinnen „blanke Angst“ herrsche. Dass es in einigen Klassen ein „massives Risiko der Bedrohung“ gebe. Dass es täglich unter den Schülerinnen und Schülern Gewalt gebe.
Gregor Weibels-Balthaus möchte sich zu all dem nicht äußern. Das betrifft auch den zur Anzeige gebrachten Vorfall im Klassenzimmer. Für diese Anfragen sei die Bezirksregierung zuständig.
Bezirksregierung: „Kollegium ist entsprechend geschult“
Anders als der Schulleiter äußert sich die Behörde in Düsseldorf ausführlich, geht jedoch nicht explizit auf die Fragen ein. Sie bestätigt, dass der Vorfall am 18. Mai der Schulaufsicht bekannt ist. „Alle notwendigen und möglichen Maßnahmen sowie schulischen Ordnungsmaßnahmen wurden von der Schulleitung in enger Absprache mit der Schulaufsicht unverzüglich umgesetzt“, so eine Sprecherin. Der Schüler nehme nicht mehr am Unterricht teil und werde nach den Sommerferien eine Förderschule besuchen.
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Die Gesamtschule Osterfeld stelle sich „mit großem Engagement den Herausforderungen einer sehr heterogenen Schülerschaft“, teilt die Sprecherin weiter mit. „Das Kollegium ist entsprechend geschult und geht mit diesen Herausforderungen sehr professionell um.“ Es gebe Fortbildungen, Unterstützung aus dem Landesprogramm „Bildung und Gesundheit“, Netzwerke für Deeskalationstraining und Konfliktmanagement. Jüngere Lehrkräfte würden von älteren unterstützt. Zudem gebe es vier Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter.
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Zuletzt sei es in Zusammenarbeit mit dem Schulträger gelungen, das Betreten von schulfremden Personen einzuschränken. Ein Problem, das auch in anderen Städten diskutiert wird. An der Gesamtschule Osterfeld wurden neue Außentore angebracht und durch Aufsichten ergänzt. Dies habe zu einer „vertrauensvolleren Atmosphäre in der Schulgemeinschaft“ beigetragen.
1400 Schülerinnen und Schüler – und es werden mehr
Mögliche Probleme würden konsequent dokumentiert und analysiert, so die Behörde. Welche Schlüsse Schulleiter Weibels-Balthaus aus dem Vorfall zieht, ist geheim. Bekannt ist dieser Redaktion aber, dass es eine Mail an die Lehrerschaft gab, die daran erinnert, dass Verschwiegenheit über alle schulischen Angelegenheiten zu wahren sei.
Immerhin gesteht Weibels-Balthaus bei einem persönlichen Treffen zumindest ein, dass die Gesamtschule Herausforderungen zu leisten habe. Im vergangenen Schuljahr hatte sie 1405 Schülerinnen und Schüler in 45 Klassen. Die Schülerschaft wird von rund 150 Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. Damit ist die Schule nicht nur die älteste Gesamtschule der Stadt, sondern auch die größte. Und sie wächst weiter. Laut Schulausschuss-Statistik erwartet die Schule rund 200 Neuanmeldungen. Weibels-Balthaus geht von deutlich mehr aus, die nach dem Sommer eingeschult werden. Die Gesamtschule ist die einzige weiterführende Schule im Stadtteil Osterfeld.
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Die von der Bezirksregierung angesprochene Heterogenität folgt aus der des Stadtteil. In Osterfeld leben nach den städtischen Daten exakt 37.535 Menschen, darunter ein hoher Anteil von Familien mit Migrationsgeschichte. Gleichzeitig leidet dieser multikulturelle Stadtteil sichtlich unter Armut. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Jeder Fünfte erhält Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe. Die Arbeitslosenquote von Osterfeld-Mitte liegt deutlich über dem Stadt-Durchschnitt bei fast 12 Prozent.
Weibels-Balthaus sieht seine Schule für die Herausforderungen gerüstet. Derzeit wird eine neue Aula gebaut, ein Millionen-Projekt, das den Stadtteil zusammenführen soll. Er würde lieber darüber sprechen.