Oberhausen. Den Krankenhäusern laufen die Pflegekräfte weg, in vielen Kliniken fehlt Personal. Doch die Betreiber der Hospitäler bilden oft gar nicht aus.
Worte des Staunens äußern Stefan Zimkeit und Frederick Cordes bei ihrem Besuch der Oberhausener Pflegeschule der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Andere Bildungsinstitute könnten bei dem Anblick der hellen und modern ausgestatteten Unterrichtsräume neidisch werden, glaubt Zimkeit. Die beiden SPD-Landtagsabgeordneten besuchen die Oberhausener Berufsfachschule, um über Herausforderungen und Chancen in der Pflege zu sprechen.
Die gute Nachricht vorweg: Mit dem neuen Pflegeberufegesetz habe sich die Situation in der Pflegeausbildung bereits verbessert, berichtet Schulleiter Thomas Reick. Zum Beispiel in finanzieller Hinsicht. Vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes 2020 bekam die Schule monatlich 280 Euro pro Schülerin oder Schüler in der Altenpflegeausbildung. Die Krankenpflegeausbildung hingegen erhielt stets mehr als 500 Euro. „Die Altenpflegeschulen waren jahrelang unterfinanziert“, so Reick. Heute liege der Betrag pro Azubi in der neuen generalisierten Ausbildung bei rund 600 Euro.
Räume für Hybrid- und Digitalunterricht ausgestattet
Dank besserer Finanzierung – auch durch Fördergelder – könne man nun „eine Ausbildung auf superhohem Niveau anbieten“, sagt Reick. Um den höheren Qualitätsanforderungen gerecht zu werden, beschäftige die Schule zum Beispiel mehr Lehrkräfte. Außerdem wurden die Räume für Hybrid- und Digitalunterricht ausgestattet – nicht nur bedingt durch die Corona-Pandemie, sondern auch mit Blick auf die Zukunft.
„Pflege ist ein gesellschaftlich unheimlich wichtiger Bereich“, betont Stefan Zimkeit, der auch Mitglied im Vorstand der Oberhausener Awo ist. Darum sei es besonders wichtig, hier zu investieren. Eine gut ausgestattete Schule ohne Kreidetafel und Overhead-Projektor ermögliche nicht nur eine zeitgemäße Ausbildung, sie vermittle den Lehrenden und Lernenden auch Wertschätzung. Das werfe außerdem ein besseres Licht auf die Pflegeberufe selbst, findet Schulleiter Reick.
Zimkeit: 35-Stunden-Woche könnte Job attraktiver machen
Und das hat die Branche bitternötig. Leidet ihr Ansehen doch unter Fachkräftemangel, Schichtdienst, hoher Arbeitsbelastung, schlechter Bezahlung und familienunfreundlichen Arbeitszeiten. Rund sieben Jahre bleiben Mitarbeitende in der Pflege in ihrem Beruf, bevor sie aussteigen, berichtet Thomas Reick. Ziel müsse sein, die Verweildauer zu erhöhen, so Zimkeit. Aus Gesprächen mit Pflegekräften weiß der Politiker: „Es geht weniger um die Bezahlung als um die Belastung.“
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Folglich müssten die Rahmenbedingungen verbessert, zum Beispiel eine 35-Stunden-Woche eingeführt werden. Das sei nicht sofort umsetzbar, räumt der Sozialdemokrat ein, biete aber womöglich eine Perspektive und einen Anreiz, in der Pflege tätig zu werden. Auch ein Azubi-Ticket, das die gleichen Vorteile wie ein Semesterticket bietet, könnte den Nachwuchs für dieses Berufsfeld begeistern, weist Frederick Cordes auf eine Forderung der SPD hin. „Es wäre gut, wenn es sowas im Rahmen von Gleichstellung von Ausbildung für alle gäbe“, ergänzt Parteikollege Zimkeit.
Drei Ausbildungsjahrgänge pro Jahr
Rund 280 Schülerinnen und Schüler besuchen die Oberhausener Pflegeschule. Sie kommen aus Duisburg, Bottrop, Mülheim, Gelsenkirchen. Oberhausen sei günstig gelegen und der Standort der Schule gut erreichbar, erklärt Awo-Geschäftsführer Gerrit Plein. Jährlich bietet das Bildungsinstitut drei Ausbildungsjahrgänge an. Sieben Kurse nach dem neuen Pflegeberufegesetz gibt es hier aktuell, drei nach dem alten System. Die neue generalisierte Ausbildung kurz erklärt: „Man hat aus drei Ausbildungsgängen einen Ausbildungsberuf gemacht“, sagt Thomas Reick. So lernen die Auszubildenden nun unterschiedliche Bereiche wie die Alten- und die Krankenpflege, aber auch die Pflege von Kindern und Kleinkindern kennen.
Hier ergebe sich jedoch ein Nadelöhr, berichten Reick und Plein. Denn es gebe wenige Kooperationspartner in der Pädiatrie. Wenn die Schule in diesem Bereich aber keine Praxiseinsätze vermitteln könne, könne der Ausbildungsgang nicht starten. Hier wünscht sich die Awo mehr Flexibilität und die Möglichkeit, die Azubis bei Bedarf und Interesse in anderen Fachbereichen für ihr Praktikum unterzubringen.
Schulleiter: Generalisierte Ausbildung bietet mehr Perspektiven
Ein weiteres Problem: Krankenhäuser seien nicht verpflichtet, mit Pflegeschulen zu kooperieren. Oft hielten sich Krankenhausträger aus der Ausbildung von Pflegekräften heraus, profitierten am Ende aber vom gut ausgebildeten Nachwuchs. Hier müssten die Kliniken mehr in die Pflicht genommen werden, fordern Reick und Plein.
Geflüchtete Fachkräfte als Chance für die Pflege?
Ob man den Fachkräftemangel in der Pflege nicht auch teils mit geflüchteten Fachkräften decken könne, will SPD-Landespolitiker Frederick Cordes beim Besuch der Oberhausener Pflegeschule der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Oberhausen wissen. Grundsätzlich sei jede und jeder, der in dem Berufsfeld tätig werden möchte, bei der Awo willkommen, entgegnet Awo-Geschäftsführer Gerrit Plein.Die Pflegeschule biete bereits Sprachunterricht an, damit mangelnde Deutschkenntnisse nicht zur unüberwindbaren Hürde werden, den Beruf zu erlernen, erläutert Plein. Mit Blick auf die Geflüchteten aus der Ukraine ist er noch etwas zurückhaltend. Es sei noch nicht sicher, ob die Geflüchteten langfristig in Deutschland bleiben wollen. Viele von ihnen müssten zudem traumatische Erlebnisse verarbeiten.Ein weiteres Problem sei, dass die Geflüchteten für ihren Einsatz in der Pflege ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis bräuchten. Da in der Ukraine Krieg herrsche, sei dieses im Moment aber nicht zu bekommen.
Im Großen und Ganzen bewerten sie die generalisierte Ausbildung aber positiv. „Sie bietet wesentlich mehr Perspektiven“, sagt Schulleiter Reick. Sie biete mehr Abwechslung und Entwicklungsmöglichkeiten. Aspekte, die bei der jüngeren Generation hoch im Kurs stehen, so sein Eindruck. Darum würden auch Zeitarbeitsfirmen, die Pflegekräfte zum Beispiel an Kliniken vermitteln, zu einer immer größeren Konkurrenz für Pflegeheime. Denn die Zeitarbeitsfirmen bieten nicht nur Abwechslung bei den Einsatzorten, sondern auch verlässlichere Arbeitszeiten.
Umso wichtiger sei es, attraktivere Rahmenbedingungen in der Pflege zu schaffen – und so vielleicht auch bereits ausgebildete Fachkräfte wieder für den Job zu begeistern. Denn die Pflege sei ein tolles Jobfeld mit guten Aufstiegschancen, findet Thomas Reick. „Sonst hätten wir nicht so einen Zulauf.“