Oberhausen. Ein Krankenpfleger aus Oberhausen erzählt, wie Corona seinen Arbeitsalltag verändert hat – und warum er seinen Beruf trotz der Belastung liebt.

Pflegekräfte gelten als die Helden der Corona-Krise. Doch die oftmals angespannten Arbeitsbedingungen verschlechtern das Image des systemrelevanten Berufs. Trotzdem ist Raphael Brebeck seit mehr als zehn Jahren Krankenpfleger aus Überzeugung. Der 32-Jährige aus Dinslaken arbeitet bei der vor einem Jahr gegründeten Oberhausener Personalvermittlungsfirma „Curadu“ und wird in verschiedenen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen eingesetzt. Sein Chef hat ihn für den Award „Pfleger des Jahres“ nominiert. Wir haben mit ihm über seine Liebe zum Beruf, Veränderungen durch die Corona-Pandemie und die Zukunft der Pflege gesprochen.

Herr Brebeck, Sie haben als Krankenpfleger einen ohnehin sehr anstrengenden Beruf. Hat sich die Situation durch Corona noch verschärft?

Das Arbeitspensum ist natürlich stark gestiegen. Man merkt, dass die Leute an ihre Grenzen kommen. Ich habe auf Corona-Stationen gearbeitet und gesehen, wie knapp es manchmal wird: Wir fangen morgens mit dem ersten Zimmer an und kurz vor Feierabend bin ich im letzten Zimmer angelangt. Man merkt ganz stark, dass die Patienten leiden, weil sie isoliert sind. Sie sehen die ganze Zeit nur dieses kleine, starre und sterile Zimmer. Aber man kann selbst Corona etwas Gutes abgewinnen.

An Corona soll es etwas Gutes geben?

Nicht am Virus. Aber die Pflege bekommt durch die Pandemie mehr Aufmerksamkeit in der öffentlichen Debatte. Es sind zwar immer nur kleine Schritte, aber es passiert etwas. In den letzten Jahren gab es auch noch weitere positive Entwicklungen. Es arbeiten inzwischen mehr Männer in der Pflege. Auch die Digitalisierung hat einen großen Fortschritt gemacht. Es gibt Krankenhäuser, in denen es schon fast keine Dokumente mehr gibt, die auf Papier gedruckt werden. Und es gibt endlich mehr höhenverstellbare Elektrobetten. Das erleichtert unsere Arbeit. Dennoch haben Pflegeberufe gerade bei jungen Leuten keinen guten Ruf.

Was müsste passieren, um den Beruf attraktiver zu machen?

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Wir haben ganz oft noch minderjährige Praktikanten, die mehrere Wochen bei uns sind. Sie werden notgedrungen mit schwierigen Situationen konfrontiert: Menschen sterben, man sieht schwere Wunden. Das lässt sich leider nicht vermeiden. Die Jugendlichen sind oft persönlich noch nicht so weit, um mit solchen Fällen klar zu kommen. Sie werden auch ein Stück weit damit alleine gelassen und trauen sich vielleicht auch nicht, etwas zu sagen. Und uns fehlt für eine Betreuung oft die Zeit.

Raphael Brebeck über seinen Beruf: „Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten. Es ist unglaublich, wie individuell alle Patienten sind und dass man so viele Leute kennenlernt.“
Raphael Brebeck über seinen Beruf: „Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten. Es ist unglaublich, wie individuell alle Patienten sind und dass man so viele Leute kennenlernt.“ © FUNKE Foto Services | Ulla Michels

Wie kann man das Ihrer Ansicht nach ändern?

Ich finde, dass Leute erst ab 18 Jahren ein längeres Praktikum bei uns machen sollten. Es ist nicht anders als wie bei einem Horrorfilm, den man auch erst gucken darf, wenn man volljährig ist. Ich glaube, dass Schnuppertage eine gute Lösung wären, an denen sich auch das Personal Zeit nehmen kann, so dass man den jungen Leuten auch die positiven Seiten des Berufs zeigen kann. Ich glaube auch, dass der Beruf insgesamt präsenter werden muss. Wir brauchen mehr Werbung. Erklärvideos zum Beispiel, die man jetzt öfter im Internet findet – aber nicht oft genug. Dieser Beruf ist einfach wunderschön und das muss auch gezeigt werden. Man muss den Menschen vermitteln, dass es nicht nur darum geht, anderen den Hintern abzuwischen.

Was hat Sie denn damals dazu gebracht, den Beruf zu erlernen?

Ich wusste früher nicht, was ich gerne machen möchte. Ich war ein fauler Schüler und habe mich nie so richtig für etwas interessiert. Und dann hieß es irgendwann, dass ich ein Jahrespraktikum machen muss. Ein Praktikum im Kindergarten hat nicht geklappt. Die nächste Anlaufstelle war ein Krankenhaus. In dieser Zeit hat mich besonders eine Ordensschwester geprägt, Ursa. Sie hat mich angeleitet und mir den Lebensweg geebnet. Nach dem Praktikum sagte sie zu mir: Du bist für diesen Beruf geboren. Und seitdem kann ich mir auch nichts anderes mehr vorstellen.

Was begeistert Sie an Ihrem Beruf?

Ich liebe es, mit Menschen zu arbeiten. Es ist unglaublich, wie individuell alle Patienten sind und dass man so viele Leute kennenlernt. Es gibt immer wieder etwas Neues, was man lernen kann. Im Krankenhaus merkt man, dass jeder Mensch gleich ist, egal welche Hautfarbe, Herkunft oder Sexualität jemand hat.

Heute arbeiten Sie nicht mehr nur noch in einem Krankenhaus, sondern wechseln regelmäßig ihren Arbeitsort. Wie ist es für Sie, immer wieder in einem neuen Team anzufangen?

Oft sind die Unterschiede von Station zu Station groß. In verschiedenen Krankenhäusern sind sie noch einmal deutlich größer. Am Anfang dachte ich, dass ich damit nicht klar komme. Mittlerweile macht es mir aber sehr viel Spaß, verschiedene Arbeitsweisen und Techniken kennenzulernen. Das hilft mir, mich persönlich weiterzuentwickeln. Nachdem ich acht Jahre auf einer Station gearbeitet habe, wollte ich noch einmal andere Dinge kennenlernen und mehr Abwechslung im Arbeitsalltag.

Nehmen Sie die Arbeit mit nach Hause? Denken Sie auch im Feierabend noch an Ihre Patienten?

Wertschätzung in der Pflege

Raphael Brebeck arbeitet auch auf Corona-Isolierstationen. Dort liegen nicht nur Patienten, die wegen der akuten Corona-Infektion behandelt werden, sondern beispielsweise mit gebrochenem Bein eingeliefert werden und einen positiven Test aufweisen. Man hat es dort mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern zu tun.

„Dort ist womöglich gar nicht mehr zu tun als üblich, aber man muss bedenken, dass man sich jedes Mal komplett umziehen muss“, sagt Brebeck. „Man muss die Hygieneregeln noch konsequenter einhalten.“ Manchmal verbringe er allein wegen der Routine-Checks eine halbe bis ganze Stunde in einem Krankenzimmer. Auf normalen Stationen gehe das viel schneller.

Vor einem Jahr gab es die ersten Corona-Infektionen in Oberhausen. In unserer Serie erläutern wir, wie sich die Stadt seitdem verändert hat.

Normalerweise kann ich relativ schnell abschalten. Sobald ich das Krankenhaus verlasse, lasse ich die Arbeit hinter mir. Es gibt aber immer wieder Tage, an denen man nach Hause kommt und denkt: Hast du an diese oder jene Sache gedacht? Man sollte sich zu Hause keine Gedanken mehr machen, tut es aber dennoch. Man darf nicht vergessen, dass wir mit Menschen arbeiten und viele Entscheidungen treffen, die für diese Menschen überlebenswichtig sein können.

Die Arbeitsbedingungen sind hart. Wird sich daran wohl jemals etwas ändern?

Ich glaube daran, dass es besser wird. Es wird Druck gemacht, irgendwann wird der Kragen platzen, es werden mehr Leute aufstehen. Im Moment sind wir eine der wenigen Berufsgruppen, die kaum oder selten streiken. Allein schon aus unserer Verpflichtung heraus machen wir das nicht. Ich glaube, dass irgendwann der Bruch kommen wird, nachdem wir mehr Vergütung und Personal bekommen werden. Durch die Pandemie wird das noch einmal beschleunigt.