Oberhausen. Die Situation in der Pflege verschlechtert sich seit Jahrzehnten. Die Bundesregierung setzt auf höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen.

Die Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland belief sich nach Angaben des Barmer Pflegereports aus dem vergangenen Jahr Ende 2020 auf rund 4,6 Millionen. Etwa ein Fünftel davon wurde vollstationär in Seniorenheimen versorgt. In Oberhausen sind aktuell 1900 Menschen so hilfsbedürftig, dass sie in einer Einrichtung betreut werden müssen.

Die miserable Situation in der Pflege ist nicht neu, sie verschlechtert sich seit Jahrzehnten. Die mittlerweile unzumutbaren Zustände sorgen längst bei immer mehr Betroffenen für Empörung. Denn während die Heimkosten stetig steigen, fällt die dafür gebotene Leistung ab.

Dabei ist abzusehen, dass sich die Zahl der Pflegebedürftigen in den kommenden Jahren noch einmal deutlich erhöhen wird. In Deutschland gab es Ende 2020 rund 18,3 Millionen Menschen, die 65 Jahre oder älter waren – das Land weist damit nach Italien die zweitälteste Bevölkerung in Europa auf. Mit zunehmendem Alter aber steigt das Risiko, pflegebedürftig zu werden. Zeitgleich flüchten aufgrund der hohen Arbeitsbelastung immer mehr Pflegekräfte aus ihrem Beruf. Besonders gravierend ist der Notstand schon heute in der Altenpflege.

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Zwar sieht der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP im Bund Verbesserungen für Pflegerinnen und Pfleger vor. Vor allem höhere Gehälter, bessere Arbeitsbedingungen und eine einheitliche Ausbildung sollen es richten. Die von der Bundesregierung einberufene Pflegekommission hat sich etwa auf eine Erhöhung der Mindestlöhne verständigt. Ab 1. September 2022 soll diese für Hilfskräfte schrittweise bis Ende 2023 von 12 auf 14,15 Euro steigen, die für qualifizierte Hilfskräfte von 12,50 auf 15,25 Euro und für Pflegefachkräfte von 15 Euro auf 18,25 Euro. Auch die Urlaubstage werden erhöht – um bis zu neun Tage.

Mit einem vergüteten Pflege-Studium und einer bundeseinheitlichen Ausbildung soll der Beruf attraktiver werden. Einig sind sich jedenfalls alle Beteiligten: Nur ein paar Bonuszahlungen reichen nicht. Trotz dieser Verbesserungen sehen Experten die Zukunft der Pflege kritisch. Denn diese hänge vor allem von einem verbindlichen Personalschlüssel für Kliniken und Alteneinrichtungen ab.

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Auch auf diese zentrale Forderung geht die Bundesregierung ein und will dafür mehr Menschen in die Pflege holen – unter anderem aus dem Ausland. Dies ist dringend nötig. Der Deutsche Pflegerat weist auf rund 200.000 Fachkräfte hin, die inzwischen fehlen. Und die geburtenstarken Jahrgänge, von denen viele in der Pflege tätig sind, werden ab 2030 in Rente gehen. Alle getroffenen Schritte sind überfällig. Bis sie greifen, vergehen Jahre. „Wir steuern sehenden Auges auf eine humanitäre Pflege-Katastrophe zu“, mahnte Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats, deshalb schon vor den Koalitionsverhandlungen eine zügige Umsetzung aller geplanten Maßnahmen an.

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Tatsächlich spielt die Pflege, auch die ambulante, in vielen Nachbarländern eine deutlich größere Rolle. Insbesondere in Dänemark und Schweden gilt das Angebot als vorbildlich. Für die Pflege, egal ob ambulant oder stationär, sind dort die Kommunen zuständig, die für diese Aufgaben aus Steuermitteln aber auch üppige Sätze erhalten. Dies hielt ein Diskussionspapier des Wissenschaftlichen Institutes der PKV (Verband der Privaten Krankenversicherungen) den Verantwortlichen in Deutschland bereits 2010 vor Augen. Geändert hat sich bei uns bis heute aber nicht viel. Dabei steht es doch so klar in unserem Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

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Welche Erfahrungen haben Sie mit der Pflege in Alten- und Seniorenheimen gemacht? Wenn Sie möchten, schildern Sie uns ruhig Ihre Erlebnisse und schreiben Sie eine Mail an: redaktion.oberhausen@waz.de. Auch die Sichtweise von Pflegekräften und Ihre Erlebnisse mit Angehörigen und Pflegebedürftigen interessiert uns für weitere Berichte.