Oberhausen. Mit einem kleinen Slang-Wörterbuch in gediegener Langenscheidt-Optik landet die Theaterfaktorei einen Volltreffer im Stadtteilbüro Osterfeld.
„Ja, nee“ – wie sonst sollte das Vorwort zu einem Büchlein beginnen, dass sich die Eigenheiten des Osterfelderischen vorknöpft. „Hier spricht man so, wie einem das Herz auf der Zunge liegt“, weiß Romi Domkowsky. Natürlich hörte die Theaterdramaturgin zunächst die skeptische Frage, „Osterfelderisch, gibt’s das überhaupt?“ – doch Antworten ließen nie lange auf sich warten: „Dann sprudelte es schon los.“ Dieser Wortsprudel ließ sich zwar nicht auf Flaschen ziehen, aber in einem schmucken Büchlein bändigen, stilecht in gediegener Langenscheidt-Optik.
„Wir haben in Osterfeld unser Sprachforschungszentrum eröffnet“, sagt die Gründerin der Theaterfaktorei am Will-Quadflieg-Platz, „und Wörter gesammelt“. Manchmal waren’s auch ganze Sätze – oder sogar Lebensprinzipien, verdichtet auf wenige Silben. Romi Domkowsky lehrte als Professorin für ästhetische Bildung, ehe sie 2017 die Faktorei für Theater-Selbermacher begründete: Hehre philologische Maßstäbe stecken aber nicht hinter dem handlichen „Universal-Wörterbuch“, im Gegenteil: „Wenn ein Vorschlag kam, ist er auch in unseren Topf gewandert.“ Beim Osterfelderischen gilt das Anti-Reinheitsgebot. Ursprünglich türkische und arabische Begriffe sind zwischen Klosterhardt, Vondern und Eisenheim ebenso heimischer Slang wie Plattdeutsch, osterfelderisches Englisch und sogar ein Bröckchen Dänisch.
„Es ist eine theatrale Behauptung“, sagt die Theaterpädagogin. Doch die Resonanz im Stadtteil bestätigt entschieden die beiden Sätze auf der Rückseite des gelben Bandes: „Osterfelderisch ist speziell. Osterfelderisch ist Kult.“ Und es schöpft aus vielen Quellen. Für die Forschenden von der Faktorei waren das die Gäste im Café Jederman, die Gemeindeglieder in der Auferstehungskirche und die sprachlich ungemein kreativen Gesamtschüler.
„Man schiebt zwei Wörter ineinander“
„Die GSO hat sehr eigene Codes“, erkannte Romi Domkowsky. „Die Lehrerinnen und Lehrer sprechen das richtig mit. Das muss man, um in Osterfeld anzukommen.“ Wie sehr selbst das Kollegium sein Osterfelderisch verinnerlicht hatte, wurde manchen erst bewusst, als es ans Wörtersammeln ging.
Erstauflage könnte schnell vergriffen sein
Das Stadtteilbüro Osterfeld machte eine Förderung möglich – und so konnte „Osterfelderisch“ noch kurz vor Jahresende bei Books on Demand erscheinen, komplett mit ISBN-13: 9783755756347. Weitere Auflagen wären jederzeit möglich – sie sind allein eine Finanzierungsfrage. Die erste Auflage könnte schon bald vergriffen sein.
Erhältlich ist das kleine „Universal-Wörterbuch“ sowohl im Besucherbüro des Theaters Oberhausen als auch im Stadtteilbüro Osterfeld, Gildenstraße 20 – und zwar für 4,61 Euro. Osterfelder erkennen in der Zahlenfolge natürlich sofort den Anfang ihrer Postleitzahl.
Ein Liebstes unter den Entdeckungen waren für die Professorin aus Berlin, die vor ihren Oberhausener Jahren an Theatern in Potsdam und Gera arbeitete und ein Community-Projekt im Wedding leitete, die „Eigenwortschöpfungen“, wie sie sagt: „Man schiebt zwei Wörter ineinander.“ Beispiel „Gönnjamin“, aus dem Gönner und Benjamin Blümchen. Nur einen Begriff, aber den hübsch verquirlt, enthält „Sarajoshe-Platz“ (dazu die Erklärung „irgendwo in Alt-Oberhausen“).
Dem Eindruck, dass Osterfelderisch – natürlich eine gesprochene Sprache und kein Schriftdeutsch – einen Schlag ins Derbe hat, will die Herausgeberin nicht widersprechen: „Osterfeld ist robust miteinander und kuschelig.“ Kuschelig: ist wohl eher „Sabaja“ für Mädchen. Robust: das eher abfällige „Schickse“, das immerhin auch auf eine jiddische Wurzel dieser polyglotten Sprache verweist.
Cool verknappte Redewendungen
Ob eine zweite Auflage finanzierbar sein wird, weiß Romi Domkowsky noch nicht. Doch sollte es sie geben, wird sie noch weit mehr als 150 Begriffe und cool verknappte Redewendungen enthalten. Schließlich reißt der Zustrom der Sprach-Tipps nicht mehr ab. „Und Lirich hat auch schon Bedarf angemeldet“, weiß Romi Domkowsky. Wäre sie nicht Dramaturgin – der zweite Job im Wörterbuch-Metier scheint gesichert zu sein.