Oberhausen. Die Gesamtschule Osterfeld ist die größte Schule in Oberhausen. Schulleiter Gregor Weibels-Balthaus über Vielfalt, Potenzial und Vorurteile.

Als größte Schule Oberhausens ist die Gesamtschule Osterfeld (GSO) ein wichtiger Teil in der städtischen Schullandschaft. Doch immer wieder sieht sich die Schule mit einem schlechten Ruf konfrontiert, der unter Eltern die Runde macht: schwache soziale Strukturen, lange Fahrtwege an den Rand der Stadt und Vielfalt, die das eigene Kind zu verschlucken droht. „Als Oberhausener bin ich bestens mit dem widersprüchlichen Ruf meiner Schule vertraut“, sagt Schulleiter Gregor Weibels-Balthaus offen. „Von Außenstehenden verpönt, wird die GSO geliebt von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Ehemaligen.“

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Der 58-Jährige erkennt in der Mundpropaganda elterliche Sorgen, dass das Kind Schaden nehmen könnte, weil es mit Kindern anderer Herkunft, Religion, Sprache oder Schicht in einer Schule zusammenlebt und gemeinsam lernt. Der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund sei tatsächlich höher als in anderen Oberhausener Schulen, weiß der Schulleiter. Osterfeld sei zudem ein sozial schwächerer Stadtteil. Eine Herausforderung sei dies auf jeden Fall.

„Aber: Es ist die Aufgabe einer Gesamtschule, die Breite der Gesellschaft abzubilden. Wir wollen die Herausforderungen, die damit einhergehen, in Potenzial verwandeln. Vielfalt ist soziale Verantwortung. Ich bin der festen Überzeugung, dass jedes Kind davon profitiert zu sehen, dass seine Mitschüler individuell und anders sind. Egal in welcher Hinsicht. Vielfalt ist hier nicht einfach nur ein Begriff, er ist gelebte Realität.“

Abteilungsleiter und Sozialpädagogen sorgen für Struktur in den Jahrgängen

1450 Kinder und Jugendliche besuchen die Gesamtschule Osterfeld, Leiter Gregor Weibels-Balthaus wird von rund 140 Mitarbeitern unterstützt – darunter Lehrer, Sozial- und Sonderpädagogen. „Die brauchen wir auch“, sagt Weibels-Balthaus. „Nur so können wir den Fähigkeiten unserer Schüler auch gerecht werden.“

Deshalb legt die Schule ein besonderes Augenmerk auf Sprachförderung, um Kindern Deutsch beizubringen, setzt aber auch auf ein kulturelles Bildungsprogramm. „’Darstellen und Gestalten’ ist bei uns ab Klasse 7 ein Hauptfach, bei dem schauspielerische und tänzerische Elemente im Vordergrund stehen“, so Weibels-Balthaus. „Der Seiteneinsteiger aus Syrien kann so auch Elemente seiner Kultur einbringen und uns bereichern. Wir verstehen das als Chance.“

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Das Schulleben gelinge auch durch die Aufteilung in vier kleinere Systeme – so sind die Fünft- und Sechstklässler in einem eigenen Gebäudeteil, ebenso wie die Siebener und Achter, die Neunt- und Zehntklässler und die Oberstufe. Jedes System hat einen eigenen Abteilungsleiter und zwei Sozialpädagogen, was für mehr Struktur in den Jahrgängen führe. In der fünften und sechsten Klasse hat zudem jede der 16 Klassen zwei Klassenlehrer.

Langer Schulweg aus dem Oberhausener Süden beschäftigt die Schulleitung

Auch die langen Fahrtwege aus dem Süden der Stadt beschäftigen den Schulleiter. „Ich habe dazu bereits das Gespräch mit der Schulverwaltung der Stadt gesucht, um hoffentlich eine Kulanzregelung für das Schokoticket zu erwirken, damit die Kosten übernommen werden können. Es gibt aber schon jetzt viele Eltern, die den Weg aus dem Süden gerne in Kauf nehmen, weil sie von unserer Schule überzeugt sind.“

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In Corona-Zeiten setzt die Schule nicht nur auf die Notbetreuung für die Kleinen, sondern auch auf ein erweitertes Bildungsangebot für Schüler, die zu Hause nicht gut lernen können. „Wir haben ausnahmslos jeden Schüler im Blick und können individuell fördern und das Umfeld für die persönliche Charakterbildung schaffen. Das verstehe ich als Aufgabe einer Gesamtschule – hier geht kein Kind unter oder wird alleine gelassen“, sagt Weibels-Balthaus weiter.

Gesamtschule Osterfeld bezeichnet sich selbst als „Schule mit Herz“

Zwischen Abitur und Hauptschulabschluss

Rund 80 Schülerinnen und Schüler werden in diesem Jahr ihr Abitur an der GSO ablegen. „Aber es gibt auch Schüler, die hier sehr stolz mit einem Hauptschulabschluss nach der neunten Klasse abgehen“, meint Weibels-Balthaus.

Im kommenden Schuljahr wird es außerdem eine „Langzeitpraktikumsklasse“ geben, die Schüler auf das Berufsleben vorbereitet, wenn keine Chance auf den Hauptschulabschluss nach Klasse 10 besteht.

In Zukunft setzt auch die GSO auf das Thema Digitalisierung – bereits im nächsten Schuljahr starten die neuen Fünftklässler ins digitale Klassenzimmer: „Ein Entwicklungsschwerpunkt der nächsten Jahre“, analysiert der Schulleiter. „Auch wenn E-Mails, Tablets und Lernplattformen das soziale Miteinander vor Ort nicht ersetzen können, geht es darum, die Digitalisierung anzunehmen und den sicheren Umgang damit zu lernen. Wir setzen allerdings nicht auf konstantes Gedaddel, sondern auf den konzentrierten und reflektierten Umgang mit digitalen Lernmitteln.“

Als eine der sieben Gründungsgesamtschulen, die 1969 in NRW installiert wurden, versucht die Schule in Osterfeld, offener zu werden. Da die GSO noch Kapazitäten für die neuen Fünftklässler im nächsten Jahr hat, werden derzeit die noch nicht angemeldeten Schulkinder in Oberhausen von der Stadt angeschrieben. Diesem Brief liegt auch ein Schreiben der Gesamtschule bei. „Wir wollen Eltern und Kinder willkommen heißen. Es geht meiner Meinung nach nicht darum, wie viele Schüler auf eine Schule gehen, sondern wie gut die Institution aufgestellt ist, um allen gerecht zu werden. Da sage ich ganz klar: Das sind wir.“

Besonders hebt der Schulleiter die Arbeit der Lehrer hervor. „Hier arbeiten Pädagogen, die sich bewusst für unsere Gesamtschule entschieden haben, weil sie die breite Aufgabenpalette schätzen. Man muss gut ausgebildet sein – und außerdem ein großes Herz haben.“