Oberhausen. Das Theater Oberhausen kann nicht wie geplant die Spielzeit im Großen Haus eröffnen. Das hat auch mit der Flutkatastrophe im Ahrtal zu tun.

„Wie in einem schlechten Krimi“, sagt Florian Fiedler. In den tiefsten Theaterferien und ausgerechnet am Freitag, 13., bat Verwaltungsdirektorin Doris Beckmann den Intendanten um einen Rückruf: Die Bühnen-Baustelle im Großen Haus bleibt Baustelle – weit über den Septemberanfang hinaus, an dem Stadttochter SBO das 101-jährige Theater wieder der künstlerischen Leitung, den Schauspielern und schließlich dem Publikum zurückgeben sollte.

Die „typischen Überraschungen“ eines hundertjährigen Gebäudes: Hier die Ur-Version des Theaters als Gaststätte.
Die „typischen Überraschungen“ eines hundertjährigen Gebäudes: Hier die Ur-Version des Theaters als Gaststätte. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Die Verzögerung addiert sich auf drei Monate, erfuhr Florian Fiedler, der im Juni seine letzte Spielzeit 2021/22 in Oberhausen als Saison der Uraufführungen vorgestellt hatte: „Wir gehen für das Große Haus jetzt von Mitte Januar aus.“ Vorher könne dort keine Premiere steigen. Die in jedem Sinne dramatische Verzögerung erklären die Servicebetriebe Oberhausen (SBO) mit einem ganzen Bündel von Problemen: zunächst mit dem landauf, landab grassierenden Baustoffmangel. Zudem ist eine Fachfirma für Kabel mit Sitz im Überschwemmungsgebiet der jüngsten Flutkatastrophe als Lieferant ausgefallen. Dann erwiesen sich Schadstoffsanierungen als aufwendiger als zuvor angenommen. Und es gab, so zitiert der Intendant die SBO-Bauaufsicht, „weitere Überraschungen, wie sie typisch sind für ein hundertjähriges Gebäude“.

„Was geht?“ Diese Frage beantwortete sich der 44-jährige Theaterchef als gebürtiger Hamburger zunächst mit einem Anruf bei Stage Entertainment: Schließlich hat der hanseatische Musical-Konzern noch eine Immobilie am Centro. Im März 2020 endeten fast 21 Jahre Musical-Historie in Oberhausen. „Sie haben ein faires Angebot gemacht“, sagt Florian Fiedler. Doch leider haben die Musical-Bühnentechniker im Stage Metronom Theater auch gründlich abgeräumt. „Um dieses Haus wieder fit zu machen“, ein glamouröser Saal mit 1800 Plätzen, wäre laut Fiedler „ein mittlerer sechsstelliger Betrag“ nötig gewesen.

Neue Lüftungsanlagen allerorten

Wo immer Oberhausens Intendant anfragte, ob beim Musical-Theater in Duisburg oder beim Heinrich-Heine-Gymnasium an der Lohstraße: In den entscheidenden Herbstwochen werden hier wie dort neue Lüftungsanlagen eingebaut. „Jetzt fahr ich die Schulen ab“, sagte sich Fiedler – und entdeckte das Bertha-von-Suttner-Gymnasium an der Bismarckstraße. Der Vertrag ist geschlossen; die Schulaula mit 440 Plätzen (von denen das Theater jeweils 200 anbieten will) wird zum Schauplatz für die Jubiläumsproduktion.

Theaterfaktorei startet heute mit einem Kick-off

Die Theaterfaktorei bietet eine Vielzahl an Projekten und Workshops zum Mitmachen. Eine erste Gelegenheit, sich zum kompletten Programm für alle zu informieren, gibt es am heutigen Freitag um 18 Uhr im Saal 2 des Theaters. Hier wird beim diesjährigen Kick-off das neue Faktorei-Programm vorgestellt.Dabei sind Amira Bakhit als Leiterin der Faktorei sowie Andrea Barba, Romi Domkowsky, Alexandra Glanc, Leonie Rohlfing, Daniel Rothaug, Ronja Oppelt und Anke Weingarte. Das Theater bittet um kostenfreie Anmeldung unter 0208-8578 184 oder per Mail an besucherbuero@theater-oberhausen.de. Es gilt das 3G-Konzept.

„Humor ist unsere einzige Chance“ – und mit seiner Inszenierung „Hase Hase“ hatte Florian Fiedler bewiesen: Komödien funktionieren wunderbar auf einer extraschmalen Bühne.
„Humor ist unsere einzige Chance“ – und mit seiner Inszenierung „Hase Hase“ hatte Florian Fiedler bewiesen: Komödien funktionieren wunderbar auf einer extraschmalen Bühne. © Theater Oberhausen | Katharina Kemme

Florian Fiedler führt selbst Regie beim Auftragswerk „Kohlenstaub und Bühnennebel“ von Akin Emanuel Sipal. Der Autor war auch gerne bereit, seine Hommage an 100 Oberhausener Theaterjahre den kärglicheren Bedingungen auf der schmalen Bertha-Bühne anzupassen. „Humor ist unsere einzige Chance“, meint Florian Fiedler – und verweist auf seine frühere Komödien-Inszenierung „Hase Hase“, die ganz famos und nahezu akrobatisch über eine extraschmal eingerichtete Bühne geturnt war. Die „Kohlenstaub“-Proben beginnen in Kürze.

Fertige Inszenierungen, so der Intendant, lassen sich im Bertha nicht zeigen. Das Theater muss also für den Rest des Jahres ohne Repertoire auskommen. Auch den nachzuholenden Festtag zum Jubiläum, auf den nicht zuletzt die Kulturpolitik drängt, möchte Fiedler nicht in die Schulaula verlegen.

Die Spielzeit startet im Gasometer

Doch der Spielzeit-Start war für den 9. Oktober ohnehin nicht am Will-Quadflieg-Platz, sondern an einer anderen Noch-Baustelle vorgesehen: Im Gasometer inszeniert der New Yorker Choreograph Jeremy Nedd „Songs on the Sun“ als Bewegungstheater auf Inline-Skates. Lange war das Theater-Team etwas bange, ob der Gasometer auch rechtzeitig wieder öffnen wird – jetzt ist diese rare Spielstätte die Rettung. Im Saal 2, dessen Wiedereröffnung noch im November möglich sein soll, steigt als erste Premiere das längst komplett geprobte Kinderstück „Mermaids“ von Shari Asha Crosson.

Die meisten Neuheiten dieser Uraufführungen-Spielzeit waren ohnehin für die zweite Hälfte der Saison vorgesehen. „Das spielt uns etwas in die Karten“, meint Florian Fiedler – der allerdings seine ebenfalls längst vollendete „Peter Pan“-Inszenierung nun nicht in der Vorweihnachtszeit zeigen kann. Fazit des Intendanten: „eine absurde Situation“.