Oberhausen. Die Komödie „Hase Hase“ von Coline Serreau vereint Screwball-Tempo mit satirischen Hieben. Klaus Zwick und Susanne Burkhard entzücken als Eltern.
Ein herzlich beklatschter ehelicher „Pas de deux“ in einer temporeichen Inszenierung, bei der die meisten Pointen gut platziert zünden: Mit der liebenswert-streitlustigen Chaosfamilie Hase kehrt Komödienschwung zurück ins Große Haus des Theaters Oberhausen. Dabei ist weder der Text von Coline Serreau noch die Inszenierung von Florian Fiedler glatt geschliffenes Boulevard – sondern durchaus doppelbödig mit herber politischer Note. Dem Vergnügen an knapp anderthalb rasanten Stunden mit manchem Screwball-Effet tut das keinen Abbruch.
Mamas Besetzung mit Klaus Zwick ist ein wunderbarer Coup
Coline Serreau soll Steven Spielbergs vier Jahre älterer „E.T.“ inspiriert haben, mit dem jüngsten Hase, also „Hase Hase“, einen Außerirdischen in diese sehr französische Familie zu schreiben: Nina Karimy in der Titelrolle ist allerdings hier ein komplett normaler „Alien“, wie ihn fast alle Eltern mit Teenager-Nachwuchs erleben: die Schule schwänzend und dauer-telefonierend. Nur dass Hase Hase halt Anschluss an die Heimat-Galaxie sucht.
Das Hase-Kind gibt dem ohnehin lustvoll verzwirbelten Plot zwar einige Extra-Wendungen – doch Science-Fiction-Elemente setzt diese Inszenierung nur ganz sparsam ein. Denn eigentlich ist die Sonne im Mittelpunkt dieses familiären Planetensystems natürlich: Mama. Deren Besetzung mit Klaus Zwick ist ein wunderbarer Coup – ebenso brillant gespiegelt in der Besetzung des Papa mit Susanne Burkhard. Mit diesen beiden Assen droht für keine Sekunde öde Travestie. Wenn das so liebevolle wie manchmal ruppige Paar zu „The Winner takes it all“ im kreiselnden Discolicht tanzt, ist das Publikum entzückt.
Superschmale Parodie einer Guckkastenbühne
Dabei klingt sogar der Text des ABBA-Hits hier ein bisschen politisch, denn neben dem großfamiliären Kuddelmuddel erzählt „Hase Hase“ im Geschwindschritt auch vom Abstieg aus den unteren Rängen des Bürgertums ins Prekariat. Die Kinder kehren zurück in die viel zu kleine Wohnung: geschieden, gekündigt, wegen subversiver Umtriebe von der Polizei gesucht.
Marie-Alice Bahra schuf dafür die superschmale Parodie einer Guckkastenbühne. Man könnte diesen Raum ohne Tiefe auch als gewitzten Kontrapunkt sehen zu den monumentalistischen Bühnen eines Ben Willikens. Jedenfalls kommt bald kaum noch ein Hase am anderen vorbei – inmitten all der Koffer und eilends herbei geliehenen Matratzen. Jeannot, der Subversive (Raphael Westermeier), trägt beim ersten Auftritt sogar ein irrwitziges Kostüm mit auf den Körper geformten Koffern. Daniel Kroh durfte sich hier ebenso kreativ austoben wie beim blauen Tülltraum, in dem Lucie heiraten sollte.
TV-Nachrichten als satirische Kabinettstückchen
Als gewaltbereite Furie, die ihrem Fast-Ehemann (Christian Bayer) den hohen Absatz in die Hand bohrt, holt Lise Wolle das Maximum an Schauwerten aus einer kleineren Rolle. Doch den zackigen Polizisten in der hinreißend absurden Uniform wickelt die frisch geschiedene Marie (Elisabeth Hoppe) mit geradezu akrobatischem Einsatz um den Finger.
Selbst die kurzen TV-Einblendungen, gestaltet von Bert Zander, sind satirische Kabinettstückchen: Sei es Torsten Bauer als Regierungschef am Rande der Panik. Sei es die schluchzende Nachrichtensprecherin von Agnes Lampkin, die auch als Nachbarin der Hases köstlich nervt.
Ein Filmtipp im Programmblatt
Weitere Aufführungen von „Hase Hase“ folgen am Freitag, 13., Samstag, 14., Freitag, 20., und Samstag, 21. Dezember, jeweils um 19.30 Uhr. Am Silvesterabend gibt’s sogar zwei Vorstellungen, die zum normalen Preis von 10 bis 23 Euro beginnt um 17 Uhr. Tickets für die 21-Uhr-Vorstellung kosten 69 Euro – Silvesterparty inklusive, 0208 - 8578 184, theater-oberhausen.de
Den im Programmblatt genannten Filmtipp sollte man unbedingt beherzigen: Es ist nicht etwa Coline Serreaus harmlose Erfolgskomödie „Drei Männer und ein Baby“ – sondern die japanische Produktion „Shoplifters“ von Hirokazu Koreeda: In einer kalten Nacht entdeckt der Vater einer Familie, die sich mit kleinen Diebstählen über Wasser hält, ein vernachlässigtes Mädchen – und nimmt die weinende Kleine auf in seine „Familienbande“.
Doch sie ist auch eine Verbündete der immer rebellischeren Familienbande, die in einem dilettantischen Coup versucht, den verhafteten Jeannot aus dem „Denunziationsbüro“ des Putschistenregimes zu befreien. Das hat definitiv nicht die Klasse von „Mission Impossible“ – aber hier führt ja auch kein Scientologe das Regiment. Sondern Mama.