Oberhausen. André Remy ist der neue Schulleiter am Sophie-Scholl-Gymnasium in Oberhausen-Sterkrade. Mit welchen Themen der 49-Jährige seine Amtszeit antritt.

Mit sicherem Schritt läuft André Remy durch die Hallen des Sophie-Scholl-Gymnasiums, die Worte „Wir“ und „Unsere Schule“ gehen ihm bereits locker über die Lippen, während er Gäste durch die Schule führt. Remy hat die Schulleitung des Gymnasiums in Sterkrade zum 1. August übernommen. Remy löst den kommissarischen Schulleiter Markus Veh ab, der im Oktober 2020 kurzfristig das Amt nach dem Weggang von Holger Schmenk übernommen hatte. Zum Schulstart blickt der 49-Jährige aus Essen nach vorne – in ein Schuljahr, das noch immer von der Corona-Pandemie geprägt sein wird.

Herr Remy, bisher waren Sie Lehrer für Biologie und Chemie am Adolfinum, einem Gymnasium in Moers, vorher Wissenschaftler an einer Universität. Jetzt der Sprung in die Schulleitung. Trauen Sie sich das Amt zu?

Als ich nach meiner Promotion 2004 ins Referendariat gewechselt habe, wusste ich, dass ich Menschen fördern will. Nach meinen Erfahrungen in den letzten Jahren weiß ich, dass ich das kann, sonst würde ich es auch nicht machen. Außerdem: In der Pandemie liegt viel Druck auf den Entscheidern – in der zweiten oder dritten Reihe kann man da nicht viel ausrichten. Deshalb will ich diese Verantwortung übernehmen. Nur in die Delegation von Aufgaben muss ich hineinwachsen, das fällt mir noch etwas schwer (lacht). Auch wenn ich jetzt ein Vorbild für Schüler und Lehrer gleichermaßen bin – ich traue mir das zu, habe aber auch Respekt davor.


Eltern der neuen Fünftklässler sitzen nach der Einschulungszeremonie auf dem Pausenhof des Sophie-Scholl-Gymnasiums in Oberhausen-Sterkrade.
Eltern der neuen Fünftklässler sitzen nach der Einschulungszeremonie auf dem Pausenhof des Sophie-Scholl-Gymnasiums in Oberhausen-Sterkrade. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wie kamen Sie zum Sophie-Scholl-Gymnasium?

Ich war in den letzten Jahren bereits Fachleiter für Biologie am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (Zfsl) in Oberhausen. Während der Ausbildung der Referendare konnte ich die Stadt bereits kennenlernen und habe das „Sophie“ als kompetente Schule empfunden. Als ich dann letztes Jahr die Schulleiterfortbildung abgeschlossen hatte, bekam ich einen Hinweis, dass hier eine Leitung gesucht wird – ich dachte sofort, das könnte passen. Ich habe ein gutes Bauchgefühl.

2010 haben Ihre Schüler Sie sogar zum „Lehrer des Jahres“ gekürt. Hat Sie das beflügelt?

Ich habe mich damals sehr darüber gefreut, aber gleichzeitig auch etwas geschämt. Ich weiß, dass ich meinen Job gut mache und mir nichts mehr beweisen muss, aber in Deutschland gibt es so viele Ausnahme-Pädagogen, richtige Leuchttürme in unserem Beruf. Da einer der 18 besten Lehrer bundesweit zu sein, konnte ich mir kaum vorstellen. Es hat mir aber gezeigt, dass ich anscheinend etwas richtig mache.

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Das beeindruckende Treppenhaus des Sterkrader Sophie-Scholl-Gymnasiums mit dem neuen Schulleiter André Remy.
Das beeindruckende Treppenhaus des Sterkrader Sophie-Scholl-Gymnasiums mit dem neuen Schulleiter André Remy. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Was macht denn für Sie einen guten Pädagogen aus?

In der Schule gilt die Biologie als „Lehre vom Leben“ – ich sehe das auch als wichtige Aufgabe von Lehrern, die Schüler lebenstüchtig zu machen und ihnen neben dem notwendigen Fachwissen auch Selbst- und Sozialkompetenz mit an die Hand zu geben. Lehrer haben nicht nur ein hohes Wissen, sondern können auch Organisation. Gute Pädagogen arbeiten nicht für sich selbst oder das Geld, sie machen ihren Job aus Fürsorge und Liebe. Deshalb werde ich auch weiter unterrichten, zwar vorerst nur einen Biologiekurs in der Oberstufe, aber ich freue mich darauf. Ich möchte kein Schulleiter sein, der sich im Büro verschanzt und nicht ansprechbar ist.

Passen denn die Lehrer am Sophie-Scholl-Gymnasium in ihr Idealbild eines Pädagogen?

Am „Sophie“ führe ich derzeit viele Gespräche mit einzelnen Kolleginnen und Kollegen und ich bin froh, dass ich hier so ein tolles Team habe. Alle sind engagiert, alle wollen sich einbringen. Diese Kraft werden wir für die kommenden Aufgaben auch brauchen.

Von welchen Aufgaben sprechen Sie konkret?

Es gibt einige Baustellen in unserem Bildungssystem und es braucht Mut, Dinge anzustoßen, die über gewisse Konventionen hinausgehen. Ich denke da konkret an den Fächerkanon – seit Jahrhunderten steht dasselbe auf dem Stundenplan. Natürlich gibt es hier und da Anpassungen, aber alles ist noch immer festgezurrt. Meiner Meinung nach ist es unumgänglich, Schülern wichtige Themen wie den Umgang mit Medien oder das Demokratieverständnis beizubringen. Den Stundenplan zu ändern, zieht einen riesigen Rattenschwanz hinter sich her, aber ich ärgere mich manchmal, nicht mutiger zu sein.

Das Sophie-Scholl-Gymnasiums in Oberhausen-Sterkrade.
Das Sophie-Scholl-Gymnasiums in Oberhausen-Sterkrade. © Morris Willner

Sehen Sie den Unterrichtsstoff als einziges Problem?

Nein, auch das Thema Raumnot ist ein Problem, wenn auch kein alleiniges „Sophie“-Problem. Doch spätestens wenn alle G9-Jahrgänge da sind, brauchen wir fünf neue Klassenräume, ein größeres Lehrerzimmer und Mehrzweckräume. In den letzten Jahrzehnten wurde eher Flickwerk betrieben, der Nachholbedarf ist groß. Hier im Gebäude herrschen teils unhaltbare Zustände, doch die Mittel der Stadt sind begrenzt – momentan befinden wir uns in der Feinabstimmung mit dem Schulamt und hoffen, dass es bald eine Lösung gibt. Leider ist auch die Digitalisierung noch nicht abgeschlossen – wir warten noch immer auf flächendeckendes WLAN im Gebäude. Teilweise haben unsere Lehrer im vergangenen Jahr mit ihrem eigenen Datenvolumen den Distanzunterricht gestreamt.

Zwei Milliarden Euro Bildungsförderung vom Bund

Das Sophie-Scholl-Gymnasium in Sterkrade ist mit 1200 Schülern das größte Gymnasium in Oberhausen. Inklusive Referendaren unterrichten dort 110 Lehrkräfte.

Die zusätzlichen Angebote für Schülerinnen und Schüler nach den Sommerferien sollen auch aus dem Anfang August vorgestellten Förderpaket „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“ kommen. Zwei Milliarden Euro stellt der Bund für die Jahre 2021 und 2022 zur Verfügung. Das Bundesbildungsministerium unterstützt dabei Schüler mit einer Milliarde Euro. Sie sollen Lernrückstände mit zusätzlichen Förderangeboten aufholen. Die zweite Milliarde fließt in die frühkindliche Bildung und die Freizeitgestaltung.

Sie übernehmen das Amt in einer denkbar unruhigen Zeit. Wie wird sich die Corona-Pandemie auf das Lernen im nächsten Schuljahr auswirken?

Corona ist und bleibt ein riesiges Thema. Wir starten in Präsenz, auch die Testungen bleiben. Wir müssen einen Raum bieten, wo die Schüler sich sicher fühlen und gleichzeitig ein Signal senden, dass diese Pandemie noch nicht vorbei ist. Die Schüler selbst haben Defizite in unterschiedlichen Bereichen. Die Struktur des Lernens ist durch Distanzunterricht und Co. kaputt gegangen, auch das soziale Lernen ist auf der Strecke geblieben. Schüler sind in psychische Krankheiten abgedriftet, die fachliche Kompetenz fehlt. Das Thema ist ungeheuer komplex.

Hat an seinem Schreibtisch im Sophie-Scholl-Gymnasium viel zu tun: Der neue Schulleiter André Remy.
Hat an seinem Schreibtisch im Sophie-Scholl-Gymnasium viel zu tun: Der neue Schulleiter André Remy. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Wie wollen Sie das beheben?

Wir wollen unsere Schüler stärken und planen mit finanzieller Unterstützung des Bundes Beratungsangebote, Workshops in Kooperation mit der Awo und zusätzlichen Unterricht in Form von Crash-Kursen. Zunächst lassen wir die Schüler aber drei bis vier Wochen ankommen. Die Lehrer haben den Auftrag, mit den Schülern in Kontakt zu kommen und sie zu beobachten. Die Ergebnisse dieser Diagnose tragen wir zusammen und wollen dann so individuell wie möglich fördern, um die Kinder und Jugendlichen abzuholen und aufzufangen.

Doch auch die Lehrer dürfen nicht vergessen werden. An den Kollegen ist das alles nicht spurlos vorbeigegangen – sie sind zwar alle hochmotiviert, haben aber auch an den Folgen des letzten Jahres zu knacken und sorgen sich um die Schüler.