Oberhausen. Die Oberhausener Grünen sind der klare und eigentliche Gewinner der Ratswahl in Oberhausen. Sie verhandeln nun mit der CDU über eine Koalition.
Jahrzehntelang ist die einstige Kohle- und Stahlstadt Oberhausen von der Sozialdemokratie dominiert worden: Lange Zeit, von 1964 bis 2004, holten die eifrigen Parteimitglieder des SPD-Unterbezirks noch absolute Mehrheiten, als in anderen Großstädten des Ruhrgebiets die SPD-Bastionen geschleift wurden.
Jetzt hat es auch die Oberhausener SPD erwischt: Die Christdemokraten ließen sich dafür feiern, dass sie am 13. September 2020 erstmals in der Stadtgeschichte mehr Wählerstimmen für sich verbuchen konnten als die SPD. Dennoch verlor auch die CDU an Zuneigung der Oberhausener: 0,2 Prozentpunkte – und ein Mandat weniger als noch im Jahr 2014.
Eigentlicher Sieger der Kommunalwahl wurden die Grünen, die fast sechs Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl vor sechs Jahren dazu gewannen: 14,4 Prozent und damit acht Ratsmandate, drei mehr als noch im alten Rat, kann man durchaus als Sensationsergebnis in einer so industriell geprägten Großstadt wie Oberhausen bezeichnen.
Gerade im gut situierten Norden, in Hochburgen der CDU, sollen nicht wenige gutbürgerlich einzustufende Wähler ihre Stimme diesmal den Grünen gegeben haben – intern betrachten Christdemokraten dies als Grund, warum sie prozentual betrachtet zwar ein ordentliches Ergebnis erzielten, aber kein Traumresultat.
Selbstbewusst mit Rückenwind: die Grünen
Kein Wunder, dass die Grünen mit diesem Rückenwind nun sehr selbstbewusst auftreten – und versuchen, so viele grüne Ziele zu erreichen wie noch nie zuvor. Stefanie Opitz, die seit 2009 als Ratsfrau mit leidenschaftlichem Einsatz für Soziales und Menschenrechte im obersten Entscheidungsgremium der Stadt auffiel, ist erstmals zur Vorsitzenden der vergrößerten Ratsfraktion gewählt worden. Ihr Bürgermeisteramt, seit 2012 neben Elia Albrecht-Mainz (SPD) und Klaus-Dieter Broß (CDU) ausgeübt, gibt die 41-jährige Erzieherin ab.
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Die CDU hat als stimmenstärkste Partei die Grünen mit Stefanie Opitz bereits zu mehreren Gesprächen über eine feste Koalition eingeladen, nach den Herbstferien soll es weitergehen. Spricht man mit Teilnehmern, laufen die Gespräche einigermaßen, einfach wird die ganze Sache aber nicht. Zumal für eine Ratsmehrheit mindestens ein weiterer Partner fehlt: FDP oder BOB, die jeweils zwei Sitze haben. Bei einem Dreierbündnis mit dann 29 Stimmen müsste allerdings häufiger Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) mit seiner Stimme den Ausschlag für eine Mehrheit im 58-köpfigen Rat geben.
SPD hält sich zurück
Ausgeschieden aus den Koalitionsüberlegungen sind bisher die AfD, mit der keine andere Ratspartei etwas zu tun haben will, und die Linken, die ein festes Bündnis ablehnen, aber je nach Thema politisch einschreiten wollen, um zuzustimmen oder abzulehnen. Und die SPD schaut nach ihrem schlechtesten Ergebnis seit 1952 erstmal in Ruhe zu, wie sich die anderen abstrampeln – nach einer Koalition will man erst einmal nicht rufen.
Ein Herzensthema der Oberhausener Grünen ist in Klimawandel-Zeiten die Wende zu einer anderen Mobilität. „Wir wollen die Bevorzugung des motorisierten Individualverkehrs, also vornehmlich des Autos, aufbrechen und wollen den öffentlichen Nahverkehr, die Radfahrer und die Fußgänger besser stellen. Nicht die Schwächeren sollen auf die Stärkeren Rücksicht nehmen, sondern umgedreht“, gibt Opitz die Ziele vor. „Das Radwegenetz und die Wege für Fußgänger müssen künftig verstärkt ausgebaut werden.“ Noch vergeblich hatten die Grünen im Sommer einen Radweg zulasten der Autofahrer auf der wichtigen Mülheimer Straße durchsetzen wollen.
Erstmals acht Parteien im Stadtrat
Der neue Rat der Stadt Oberhausen konstituiert sich am Montag, 16. November 2020 – mit all seinen Fachausschüssen und den Kandidaten für die Aufsichtsräte der Stadttöchter. Normalerweise muss bis zu diesem Termin die grobe Absprache zwischen den möglichen Koalitionspartnern stehen.
Erstmals in der Stadtgeschichte sitzen acht Parteien im Stadtrat – und verteilen sich auf 58 Mandate. SPD (minus vier) und CDU (minus eins) haben mit je 19 Sitzen die gleiche Zahl an Ratspolitikern. Die Grünen errangen acht Mandate (plus drei), die Linken nur noch drei (minus zwei).
Die erstmals bei der Ratswahl angetretene AfD zieht mit vier Politikern in den Rat. Zwei Sitze haben jeweils BOB (minus drei) und FDP (keine Veränderung). Offen für Bürger (OfB) ist mit einem Ratsmitglied vertreten.
Schon in den vergangenen Jahren hatte die CDU im Rat immer wieder ihren grünen Blinker angestellt, mal bessere Radwege, mal mehr Grün auf den Dächern, mal mehr Bäume im Stadtgebiet gefordert. Doch Daumenschrauben will der Oberhausener CDU-Vorsitzende Wilhelm Hausmann den Autofahrern nicht anlegen. „Wir wollen da nichts verbieten oder einschränken, sondern wollen Radlern und Fußgängern ein besseres Angebot machen, damit mehr Menschen freiwillig umsteigen.“
Wie üblich bei guten Verhandlungsführern halten sich beide Seiten erst einmal dahingehend bedeckt, wie sehr sie sich eine Koalition wünschen. „Wir loten aus, welche Projekte die CDU mitträgt. Wenn es nicht klappen sollte, wären wir aber auch nicht traurig“, beteuert Opitz. In der vergangenen Wahlperiode hatten die Grünen ja in der Ampelkoalition mit SPD und FDP keine guten Erfahrungen gemacht – und schieden aus.
Doch nur eine lose Kooperation im Stadtrat?
Und Hausmann spricht schon jetzt von der Möglichkeit, auch nur eine lose Kooperation zu bilden. Sollte es nicht mit den Grünen klappen, will man auch mit der SPD reden. „Die Oberhausener SPD-Politiker sind sich ihrer politischen Verantwortung für diese Stadt sehr bewusst. Sie können keine Fundamentalopposition machen, sie stellen ja schließlich drei Beigeordnete an der Stadtspitze.“
Sollte kein einziges festes Bündnis zustande kommen, bleibt nur übrig, ständig neue wechselnde Mehrheiten für Projekte und Themen zu suchen – wie in den vergangenen anderthalb Jahren nach Scheitern der Ampelkoalition. Doch für die ehrenamtlich neben ihrem eigentlichen Beruf tätigen Politiker im Stadtrat würden die Dauerverhandlungen um jede Sache eine hohe zeitliche Belastung bedeuten.