Oberhausen. Noch vor wenigen Jahren hätte man diese Wahlergebnisse in der Arbeiterstadt Oberhausen für unmöglich gehalten.
Die Kommunalwahlen 2020 bedeuten einen historischen Einschnitt in der politischen Geschichte der einstigen Kohle- und Stahlstadt Oberhausen: Gleich mehrere Meilensteine der Vergangenheit pulverisieren sich.
CDU und SPD lieferten sich lange Zeit am Wahlabend ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Christdemokraten erringen zum ersten Mal seit 1956 so viele Stimmen, dass sie nun die stärkste Partei in Oberhausen sind. Die SPD stürzt ab – und erzielt ihr schlechtestes Ergebnis seit den 1950er Jahren. Beide Fraktionen erhalten jeweils 19 Ratsmandate – liegen also im Rat gleichauf.
Die Grünen holten seit ihrer ersten Wahlbeteiligung 1979 mit ihren Themen Verkehrswende, Klimaschutz und Digitalisierung ein Rekordergebnis. Und die ziemlich rechte AfD zieht gleich bei ihrer ersten Beteiligung an einer Oberhausener Kommunalwahl mit einem hohen Stimmergebnis in den Stadtrat ein. Die Wählergemeinschaften Bündnis Oberhausener Bürger (BOB), 2014 noch drittstärkste Fraktion, sowie ihre Abspaltung „Offen für Bürger“ (OfB) spielen diesmal keine besonders auffallende Rolle mehr.
Daniel Schranz (CDU) am 27. September in der Stichwahl gegen Thorsten Berg (SPD)
Der Christdemokrat Daniel Schranz, für so manchen Nicht-Oberhausener überraschend im Herbst 2015 zum Oberbürgermeister nach 60 Jahren SPD-Rathausführung gewählt, schafft es trotz Amtsbonus und gutem Corona-Krisenmanagement nicht, die Wahl zum Stadtoberhaupt im ersten Durchgang mit der absoluten Mehrheit von über 50 Prozent zu gewinnen. Dies ist ein Achtungserfolg für den politisch unerfahrenen Sparkassenkaufmann Thorsten Berg, der im Wahlkampf mit vielen Menschen und Gruppen gesprochen hat.
Oberbürgermeister Daniel Schranz zeigte sich offiziell nicht enttäuscht: „Bei sieben Kandidaten muss man damit rechnen, dass man in die Stichwahl geht.“ Zufrieden äußerste sich SPD-Oberbürgermeister-Kandidat Thorsten Berg: „Wir haben damit einen großen Schritt geschafft. Ich kämpfe ja hier gegen Amtsbonus, Krisenbonus und eine schlechte Performance der Bundes- und Landes-Partei.“ Und die Grünen lassen bereits ihre Muskeln spielen: „Wir werden mit unseren Kernthemen Klimaschutz und Verkehrswende deutlich unbequemer sein“, sagt Grünen-Spitzenkandidatin und Ratsfrau Steffi Opitz. „Das ist ein deutlicher Wählerauftrag an uns.“
Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen
Und noch eine historische Marke wurde durchbrochen: Bei keiner Wahl zogen es so viele Wahlberechtigte vor, schon vor dem eigentlichen Wahlsonntag ihre Kreuze auf den bis zu fünf Wahlscheinen zu machen: 29.000 von gut 160.000 Wahlberechtigten. Bei schönem Wetter kam es vor den Wahllokalen zu langen Schlangen – und Wartezeiten von bis zu einer Stunde.
Mit dieser Kommunalwahl wird der Stadtrat in seiner Zusammensetzung bunter: Nicht nur die AfD zieht erstmals in den Rat ein, sondern auch die Mini-Partei „Die Violetten - die Partei für spirituelle Politik“ wird im obersten politischen Entscheidungsgremium der Stadt vertreten sein. Hinzu kommen OfB und BOB.
Die CDU errang einst für Christdemokraten als unerreichbar geltende Mehrheiten in den Wahlbezirken – und sie brachte so viele Direktkandidaten gegenüber dem SPD-Konkurrenten in den Rat wie seit Jahrzehnten nicht. Die CDU gewinnt nach dem Stand der Auszählung am Abend mindestens acht von 29 Wahlbezirken. 2014 waren es nur sechs, 2009 nur zwei – und noch 2004 holten die SPD-Kandidaten die Mehrheit in allen 29 Wahlbezirken.