Oberhausen. Intensive Schlingensief-Ausstellung widmet sich in Oberhausen besonderen Materialien in der Kunst. Ein Blick in den Nukleus der Provokation.

Es gibt Ideen, die sind gut. Es gibt Ideen, die sind mist. Und es gibt gute Ideen aus Mist. Eine Ausstellung, die eindeutig nicht alle Tage in Oberhausen zu sehen ist, zeigt seit Samstag im „Supermarkt der Ideen“ an der Stöckmannstraße einen Hasen, der aus Stallstroh und Hasenkot zur einer organischen Skulptur modelliert wurde.

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Karnickelköttelkarnickel (Scheißhase), und so heißt das 1972 erschaffene Werk des in Hannover geborenen Aktionskünstlers Dieter Roth wirklich, ist nur ein zerbrechlicher Baustein einer intensiven Ausstellung, die sich bis zum 1. November mit zwei zentralen Fragen beschäftigt: Von wem wurde der Allround-Künstler Christoph Schlingensief beeinflusst? Und bei welchen Künstlern hat der vor zehn Jahren verstorbene Oberhausener selbst Spuren hinterlassen? Herausgekommen ist ein urbaner Blick in den Nucleus der Provokation.

Schlingensief-Schau: Obszöne Materialien – doch banal ist nichts

Die Kuratoren Daniela Duca, Julian Volz und Marlena von Wedel vor „Schüttbild mit Malhemd“ von Hermann Nitsch. Das Acryl-Gemälde ist Teil der Ausstellung „Verschmutzung. Körperzustände. Faschismus – Christoph Schlingensief und die Kunst“ in Oberhausen.
Die Kuratoren Daniela Duca, Julian Volz und Marlena von Wedel vor „Schüttbild mit Malhemd“ von Hermann Nitsch. Das Acryl-Gemälde ist Teil der Ausstellung „Verschmutzung. Körperzustände. Faschismus – Christoph Schlingensief und die Kunst“ in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Die Kuratoren Daniela Duca, Julian Volz und Marlena von Wedel haben für „Verschmutzung. Körperzustände. Faschismus – Christoph Schlingensief und die Kunst“ natürlich nicht nur das Kaninchen, Roths stets wiederkehrendes Motiv, als Schnittmenge ausgemacht.

In den Räumen der ehemaligen Netto-Filiale in der Oberhausener Innenstadt geht es um ungewöhnliche, schier obszöne Materialien: Kot, Blut, Erbrochenes, Sperma, Müll und Dreck. Inhalte, die sich gegen die Sauberkeit der Kunst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wenden. Wie bei den Werken von Christoph Schlingensief wird es hochpolitisch. Banal ist nichts.

Selbst für Insider der bildenden Kunst sind seine Filme, Installationen und Werke allerdings oft nicht leicht zu durchblicken. „Wir wollen mit der Ausstellung einen Ansatz liefern, um Zugang zu Schlingensiefs Kunst zu erhalten“, sagt Marlena von Wedel. Die Exponate von Joseph Beuys, Günter Brus, Alexander Kluge oder Hermann Nitsch werden zusätzlich kommentiert.

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So ahmt Roths Hase aus Kot eine Schokovariante nach und zeigt sich höchst zerbrechlich. „Bei jeder Bewegung hinterlässt der Scheißhase ein paar Krümel seines Volumens und verkörpert dabei die Vergänglichkeit, die er zugleich thematisiert“, erläutern die Kuratoren.

Schlingensief-Schau: Ausstellung bis zum November in Oberhausen

Kunst, die sich auflöst: Das Werk „Private wet playground“ von Ileana Pascalau können Besucher vor dem „Supermarkt der Ideen“ an der Stöckmannstraße 78 im Schaufenster betrachten.
Kunst, die sich auflöst: Das Werk „Private wet playground“ von Ileana Pascalau können Besucher vor dem „Supermarkt der Ideen“ an der Stöckmannstraße 78 im Schaufenster betrachten. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Genauso sehenswert wie für Besucher unkompliziert zu betrachten, ist Ileana Pascalaus erst in diesem Jahr entstandene Installation „Private wet playground“. Die freischaffende Künstlerin untersucht den menschlichen Körper als kulturelles Konstrukt. Der von ihr gestaltete Pool steht im Schaufenster der Kunsthalle und soll an einen barocken Brunnen erinnern.

Eine durch die Wahl-Berlinern geformte Tonfigur zersetzt sich mit der Zeit in der Flüssigkeit und soll zum Ausstellungsende in drei Wochen komplett zerbröckelt sein. Die Künstlerin spielt in ihrem Werk mit Fetisch-Begriffen und sexuellen Praktiken mit Urin. Die Tonfigur soll das Verhältnis zwischen Begehren und seinem (un)erreichten Objekt symbolisieren.

Die Schlingensief-Schau können Interessierte bis zum Sonntag, 1. November, von donnerstags bis sonntags zwischen von 12 bis 20 Uhr an der Stöckmannstraße 78 besuchen.