Oberhausen. Der gefragte Videokünstler Bert Zander inszeniert fürs Theater Oberhausen den „Roman der Stunde“ mit großem Ensemble, vielen Gästen und Bürgern.
Die Buchläden hatten gerade wegen Corona schließen müssen. Doch dieser vor 68 Jahren veröffentlichte Roman von Albert Camus war das Buch der Stunde – und der Rowohlt-Verlag hatte wochenlang keinen Nachschub parat. Jetzt verfilmt Bert Zander mit dem Ensemble des Theaters Oberhausen „Die Pest – eine Miniserie nach Albert Camus“. Die erste Folge startet online am Samstag, 2. Mai, um 19.30 Uhr.
„Das Drama sind nicht die, die durch die Hintertür zum Friedhof entwischen“, schrieb Gabriel Garcia Marquez über das Werk seines Nobelpreis-Kollegen, „sondern die Lebenden, die in ihren stickigen Schlafzimmern Blut schwitzten, ohne der belagerten Stadt entfliehen zu können“. Oran, die Stadt am Mittelmeer, wird von der unheimlichen Seuche befallen. Erst sind es nur tote Ratten, die in Mengen in Straßen und Häuserecken liegen. Dann infizieren sich die Menschen, erst vereinzelt, schließlich in rasantem Tempo. Der Arzt Dr. Bernard Rieux kämpft gegen die Seuche – angetrieben von einer absurd scheinenden Hoffnung.
Albert Camus – dessen persönliche „Pest“ die ihn lebenslang beeinträchtigende Tuberkulose war – ruft in seinem Roman und in seiner Philosophie dazu auf, sich des Absurden bewusst zu werden, es anzuerkennen und so eine Art „Sinn“ für das Leben zu entwickeln. Das Theater Oberhausen stellt sich dem beinahe grotesken Versuch, dem von der Pandemie bestimmten Leben und Arbeiten durch Anerkennung des Absurden einen Sinn zu geben – und Theater ohne physischen Kontakt zu ermöglichen.
„Genug von den Leuten, die für eine Idee sterben“
„Ich habe genug von den Leuten, die für eine Idee sterben“, sagt der Journalist Rambert in Camus’ Roman. „Mich interessiert nur noch, von dem zu leben und an dem zu sterben, was ich liebe.“ Corona ist nicht die Pest – vielmehr gilt das 1947 erstmals erschienene Buch, eine Pflichtlektüre aller französischen Schüler, als „Résistance“-Roman, der in der Seuche die mörderische Ideologie des Faschismus spiegelt.
Kooperation mit dem Kultursender 3sat
Wie es sich für eine Serie, auch online, gehört, gibt’s die fünf Folgen von „Die Pest“ stets um 19.30 Uhr an den fünf Mai-Samstagen auf die-pest.de.
Der ZDF-Kultursender 3sat, viel gescholten wegen seines Ausstiegs bei den Internationalen Kurzfilmtagen, bietet zwar in seiner Mediathek unter dem Stichwort „Pest“ derzeit Beiträge zum „Untergang des römischen Reiches“ und der „Pest auf Madagaskar“ – ist aber Kooperationspartner des Theaters Oberhausen.
Allerdings hatte Ulrich Greb für das Schlosstheater Moers bereits zum Auftakt der Spielzeit im September eine beängstigend visionäre „Pest“-Inszenierung vorgelegt: in einem Quarantäne-Zelt mit Ratten-Masken tragenden Schauspielern, die das Publikum wie in einer Triage sortieren.
In Oberhausen arbeitet nun „kontaktlos“ per Video-Mails Bert Zander wieder mit zahlreichen Bürgern als Erzählern: Als gefragter Videokünstler des deutschsprachigen Theaters inszenierte er in der Spielzeit 2017/18 die preisgekrönte „theatrale Filminstallation“ seines Solo für Christian Bayer plus dem kompletten Ensemble, das in eindringlichen Filmbildern mitspielt. Zudem schuf Zander in dieser Spielzeit für Florian Fiedlers reizende Komödie „Hase Hase“ die so bonbonbunten wie hysterischen Fernsehnachrichten.
Großes Aufgebot mit elf Spielern des Ensembles
Als Miniserie hat Zanders „Die Pest“ zwar nur fünf Episoden, gebietet aber über ein großes Aufgebot an elf Schauspielern des Ensembles plus Gästen. Und 60 Oberhausener sind als Erzählerinnen und Erzähler dabei. Leonie Rohlfing und Meike Sasse koordinierten deren Einsätze. Man darf gespannt sein, ob und wie sie den „Netflix-Thrill“ über den Bildschirm bringen.