Oberhausen. . Rieseln und Poltern vom Förderband: „Anmut der Vergeblichkeit“ im Theater Oberhausen fördert beim Besuch die Fähigkeit des kindlichen Staunens.

Albert Camus’ Dramen von edlen Anarchisten und einem existenzialistischen Kaiser Caligula sind längst zu Papier-Heroen zerknüllt, fern des Bühnenlebens. Aber da ist ja noch dieser eine Schlusssatz seines berühmten Essays: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“

Daraus formt Franziska Henschel als Regisseurin und Co-Autorin mit dem Ensemble im Saal 2 des Theaters Oberhausen – ja, was eigentlich? Kein Drama, kein Ballett – eher eine fast 80-minütige Choreographie, in der die Texte mal aufhorchen lassen, mal zu einem beiläufigen Summton wie Bordun-Musik werden.

Aufnahmeboxen wie in einem Tonstudio

Leer wäre der Saal 2 ein schwarzer Würfel. Wer ihn zur Premiere von „Die Anmut der Vergeblichkeit“ betritt, darf zunächst einen kleinen Kiesel entgegennehmen. Drinnen gibt’s fürs Publikum Barhocker und Stehgelegenheiten. Drei kleine gläserne Räume teilen die dunkle Fläche – wie Aufnahmeboxen in einem Tonstudio. Eine dieser Kapseln ist tatsächlich der Arbeitsplatz des Schlagzeugers.

Doch zunächst führt eine murmelnde Prozession zum Blickfang am Ende des Saals: einem steil in die Höhe führenden Förderband. Kleine Kiesel, wie sie die Zuschauer gerade zur Seite gelegt oder in die Tasche gesteckt haben, rollen die Fünf im aparten Endzeit-Look – Christian Bayer, Ana Berkenhoff, Banafshe Hourmazdi, Dominik Mahnig und Emilia Reichenbach – mit größtmöglichem Aufwand über den Parcours. Auch Blecheimer, Hocker und ein aus Folie geknautschter „Felsen“ dürfen wie der Brocken des glücklichen Sisyphos ganz langsam den steilen Förderband-Hang hinaufgleiten und herunterplumpsen.

Monty-Python auf Spielfilmlänge gedehnt

Was soll’s? Die minuziös abgezirkelte Choreographie dürfte auf manche wirken, als hätten die britischen Monty-Python-Komiker den uralten Sketch vom „Ministerium für alberne Gangarten“ auf Spielfilmlänge gedehnt. Es sei denn, man findet sein kindliches Staunen wieder – und blickt dann plötzlich gespannt auf die Sensation fallender Gegenstände: Mal mit Gepolter, mal fast lautlos wie jenes archaische Origami aus herabrieselnden Papier-„Steinen“.

Mit dem Text – nein, er ist nicht aus Camus’ „Sisyphos“-Essay – verhält es sich ähnlich zwiespältig: Hier und da durchzucken Geistesblitze die sicher auch gewollte Banalität. „Vielleicht war Sisy eine Frau. Vielleicht war es Teil ihrer Strafe, ein Mann zu werden.“ Wenn die Sätze nicht wie aus einer Endlosschleife aus unsichtbaren Lautsprechern kommen, sind sie oft Gemurmel zu bizarrer Bodenakrobatik: Es ist schon sehr gekonnt, wie Banafshe Hourmazdi mitsamt hohem Hocker über den Boden rollt – „wie man eins wird mit dem Hocker“. Oder wie Christian Bayer verquerstmöglich einen Eimer mit sich schleift – „Abkürzen is’ nich’!“

Langsamkeit und Wiederholungen

Das gilt auch für dieses mönchisch-skurrile Exerzitium in Langsamkeit und Wiederholungen. Einige Zuschauergrüppchen schart das Ensemble zu gewisperten „Führungen“ durch den Saal 2 um sich. Andere nicht. Camus hatte ja so recht: „Wenn es das Absurde gibt, dann nur im Universum des Menschen.“

Die nächsten Aufführungen sind am 3. und 7. April sowie am 15.Mai. Tickets: Tel. 0208 - 8578184. Weitere Informationen zum Stück gibt es auf der Internetseite des Theater Oberhausen.