Oberhausen. Die preisgekrönte Antifa-AG des Bertha-von Suttner-Gymnasiums in Oberhausen wirkt weit über Schulgrenzen hinaus. Doch nun benennt sie sich um.
Das Bertha-von-Suttner-Gymnasium in Oberhausen hat den Ruf, eine im besten Sinne politische Schule zu sein. Mehr als vielleicht an anderen Bildungsanstalten wird an dem Gymnasium im Bismarckviertel darauf Wert gelegt, dass sich Schüler zu mündigen Erwachsenen entwickeln, die ihre eigene Meinung haben, sich aktiv einmischen, gar unbequem sind. Ein wichtiger Baustein dafür ist seit 40 Jahren die Antifa-AG, Antifaschistische AG – die jetzt nicht mehr so heißen will.
Verbrechen der NS-Zeit nicht vergessen
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Als die Schüler-Arbeitsgemeinschaft vor 40 Jahren als Antifa-AG ins Leben gerufen wurde, da ging es „den Gründern um die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit“, sagt Stefan Schubert. Der Lehrer und stellvertretende Direktor des „Bertha“ leitet die AG heute zusammen mit seinen Kollegen Jonathan Heuer und Lina Kindermann. Schubert verbindet eine lange persönliche Geschichte mit dem Projekt, denn er selbst war als Schüler am „Bertha“ Mitglied der AG. Sein Interesse an einem Geschichtsstudium sei durch die Arbeit in der Gruppe ausgelöst worden, sagt er.
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Zielsetzung der AG über die Jahrzehnte: Aktiv an das Unrechtssystem der Nationalsozialisten erinnern und vor allem: Nicht nur innerhalb der Schule wirken, sondern nach draußen gehen, Gesicht zeigen, sich Diskussionen stellen.
Für ihr Engagement hat die Antifa-AG einen Preis des Landes NRW erhalten, die Ehrennadel der Stadt Oberhausen und den Oberhausener Jugendkulturpreis. Die Schüler der AG gestalten Veranstaltungen zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar, zum Antikriegstag am 1. September oder zur Erinnerung an die Pogromnacht vom 9. November 1938 (am Standort der ehemaligen Synagoge an der Friedenstraße). Oder sie organisieren die Gedenkstättenfahrt der Jahrgangsstufe neun in das belgische Lager Fort Breendonk.
Von Extremismus distanzieren
Nun soll die Antifa- AG einen neuen Namen bekommen, der lautet ab sofort „AG Demokratie aktiv“. „Die Umbenennung fällt uns allen nicht leicht, aber dennoch halten wir es für den richtigen Schritt“, schreiben Schubert und seine Kollegen in einem Brief an die Redaktion. „Zum einen hat sich in den letzten Jahren unser Themenspektrum doch sehr erweitert, zum anderen wollen wir uns deutlich von jeglicher Form von Extremismus distanzieren“, erklären die Lehrer. „So wurden in den letzten Jahren immer wieder Zusammenhänge mit der radikalen Antifa hergestellt, die offen aggressiv agiert. Das entspricht und entsprach nie dem Grundgedanken unserer Arbeitsgemeinschaft, die sich immer für Frieden, Achtung und gegenseitige Toleranz eingesetzt hat.“
Die Verwechslung mit der außerschulischen „Antifaschistischen Aktion“ (Antifa) sei „fatal“, meinte Jonathan Heuer in einem Interview, „weil die Zielsetzungen unserer AG absolut gegensätzlich sind zu den Zielen und Methoden der außerschulischen Organisationen“.
Politische Neutralität?
Die „Antifa-AG“, nun „AG Demokratie aktiv“, ist eine politisch orientierte Arbeitsgemeinschaft an einer Schule. Ist das mit der politischen Neutralität von Schulen vereinbar? Lehrer Jonathan Heuer dazu: „Tatsächlich gibt es überhaupt kein allumfassendes Neutralitätsgebot gegenüber politischen Themen für Schulen. Der sogenannte ‘Beutelsbacher Konsens’ regelt, dass wir Lehrern den Schülern keine Meinung aufzwingen dürfen, ihnen zum Beispiel nicht vorschlagen dürfen, welche Partei sie wählen sollten.“
Heuer weiter: „Er zwingt uns aber keineswegs dazu, neutral oder tolerant gegenüber jeder politischen Position zu sein, also zum Beispiel gegenüber demokratieverachtenden Parolen oder menschenfeindlichen Äußerungen – egal von welcher Person oder welcher Partei sie geäußert werden. Im Gegenteil haben wir Lehrer in solchen Fällen die Verantwortung, als Anwälte von Toleranz und dem Prinzip der gegenseitigen Achtung aufzutreten.“
Viele Ehemalige des „Bertha“ seien engagiert – in den unterschiedlichsten Parteien und Organisationen.
Gegen Rassismus und Intoleranz
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Die Verengung der AG auf eine reine antifaschistische Arbeit sei nicht mehr zeitgemäß, ergänzt Lina Kindermann. Diese Arbeit werde aber weiterhin einen großen Teil der inhaltlichen Arbeit ausmachen sowie die Arbeit gegen das Vergessen der Verbrechen der NS-Zeit.
Der neue Name „AG Demokratie aktiv“ solle das breiter aufgestellte Spektrum der Themen besser abbilden. Dazu gehöre zum Beispiel das Engagement für internationale und europäische Zusammenarbeit. Lina Kindermann: „Man muss auf die Gegenwart reagieren und da erscheint uns ein klares Bekenntnis zur Demokratie als sehr sinnvoll, weil die aktuellen Entwicklungen ein solches Bekenntnis zu Demokratie, Menschenrechten und Grundgesetz nötig machen.“