Oberhausen. Die Ausstellung „Risse im Stein“ ist bis zum 1. März verlängert worden. Besucher können am Touchscreen neue Oberhausener Gedenkorte auswählen.
An zwei sehr unterschiedlichen Orten verlängern sich aktuelle Ausstellungen jeweils bis zum 1. März. Das niederländische Design Museum Den Bosch in Brabants historischer Hauptstadt ’s-Hertogenbosch landete mit „Design of the Third Reich“ einen überragenden Erfolg beim Publikum des Nachbarlandes – und kritische Stimmen aus Deutschland. Die ungleich kleinere Ausstellung „Risse im Stein“ der Gedenkhalle Schloss Oberhausen verlängert ebenfalls bis zum 1. März – und widmet sich ausführlich der über die NS-Zeit hinausreichenden Karriere eines Gestalters in Diensten des Faschismus.
Für die Schau in Den Bosch sollte man bereits online Tickets buchen, um überhaupt noch reinzukommen und jene Exponate zu sehen, die sonst in den „Giftschränken“ deutscher Museen archiviert sind. Einen vergleichbaren Erfolg, selbst im Maßstab einer Ein-Raum-Ausstellung, können die „Risse im Stein“ nicht verbuchen. „Es ist nicht wie mit unserer Marlene-Dietrich-Ausstellung“, bestätigt Clemens Heinrichs als Leiter der Gedenkhalle bedauernd.
Muskelprotzende Skulpturen für NS-Ordensburgen
Dabei ist Willy Meller (1887 bis 1974), dessen gewundene Bildhauerkarriere dieser kritische Blick auf die Gedenkkultur auffächert, mit Oberhausen direkt verbunden: Seine monumentale „Trauernde“ hält als vier Meter hoch aufragende Skulptur seit bald 60 Jahren ihren Posten wenige Schritte vor der Gedenkhalle. Derselbe Bildhauer schuf muskelprotzende Kraft-Skulpturen für NS-Ordensburgen und als Dekor des Berliner Olympiastadions.
Die kompakte Ausstellung im Schloss Oberhausen zeigt auch in Originalmodellen konkurrierende Entwürfe zur „Trauernden“ – eingereicht von jüngeren Künstlern, in einer das Monumentale brechenden Gestaltung. „Im Wettbewerb hatte Meller nur den dritten Preis geholt“, erklärt Clemens Heinrichs. „Doch der 24-jährige Preisträger aus Oberhausen galt als zu jung“ – jedenfalls für die damalige Auswahlkommission um Oberbürgermeisterin Luise Albertz (1901 bis 1979). „Man kann heute mit der Trauernden nicht mehr so umgehen wie seit 1962“, betont der Leiter der Gedenkhalle. Zumindest eine „veränderte Texttafel“ am Fuße des Monuments sei überfällig – und ein neues, ergänzendes Denkmal wünschenswert.
„Es waren die Kompromisse der Adenauer-Zeit“
Ungebrochen ist die Tradition des Volkstrauertages – Heinrichs nennt ihn „unseren komplexesten Gedenktag“: Alljährlich im November begleiten uniformierte Soldaten und Reservisten das Zeremoniell der Kranzniederlegung zu Füßen der „Trauernden“, ohne die NS-Verstrickung ihres Schöpfers zur Kenntnis zu nehmen. „Soldaten und Polizisten waren beteiligt am Menschheitsverbrechen der Schoah“, sagt Heinrichs. „Wir haben eine schwierige Geschichte. Das ist nicht zu glätten – aber das muss man aushalten.“ Jene Gruppen und Institutionen, die am 27. Januar den Gedenktag zur Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz gestalten, würden ein Zeremoniell wie am Volkstrauertag ablehnen.
Kritischer Blick auf Gedenkkultur bis 1. März
Die Ausstellung „Risse im Stein“ in der Gedenkhalle Schloss Oberhausen kuratierte Mareike Otters als wissenschaftliche Volontärin. Sie arbeitet inzwischen in der Gedenkstätte Sachsenhausen bei Berlin.
Die Gedenkhalle öffnet dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr; Eintritt frei. Über das pädagogische Angebot zur Sonder- wie Dauerausstellung informiert online die Seite gedenkhalle-oberhausen.de
Schauplatz der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz ist am Montag, 27. Januar, um 12 Uhr die Aula des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums an der Wilhelmstraße 77 in Sterkrade.
Wie polarisiert sich die Gruppen, Verbände – und damit die Termine – des Gedenkens gegenüberstehen, machte im Oktober die Farbattacke gegen das Ehrenmal im Ruhrpark deutlich. Zuvor war „Die Rechte“ dort aufmarschiert. Jusos und Linke forderten den Abriss des 1954 errichteten Ehrenmals für die gefallenen Soldaten beider Weltkriege. Der Bürgerring in Alstaden will sich den Gedenkort nicht nehmen lassen. Clemens Heinrichs nennt diese Reaktion „unterkomplex“ und verweist auf die Anfänge: In den 1950ern habe man dort das Flaggezeigen von Ehemaligen der Waffen-SS geduldet.
„Es waren die Kompromisse der Adenauer-Zeit“, so der Leiter der Gedenkhalle. Etliche Größen der NS-Bürokratie pflegten, noch in Amt und Würden, ihre Seilschaften. Ein potenziell „kritischer“ Gedenkort, obwohl bereits zur Zeit der Weimarer Republik erbaut, ist aus Sicht Clemens Heinrichs auch das Ehrenmal in Biefang: Der sterbende Krieger mit seinem Kurzschwert – ein seit der griechisch-römischen Antike überliefertes Motiv – spreche die Sprache des Revanchismus.
„Der Diskurs wird schwieriger und populistischer“
Die inzwischen über 75.000 Stolpersteine von Gunter Demnig – jene für Charlotte Salomon und Felix Nussbaum sind derzeit in Yad Vashem in Jerusalem ausgestellt – sind das Gegenteil: Monumental an der Zahl, klein und fast unscheinbar auf dem Bürgersteig. Clemens Heinrichs nennt sie „ein Lebenswerk“. In der Ausstellung „Risse im Stein“ gibt’s, erstmals in der Gedenkhalle, eine Medienstation, die zur Abstimmung einlädt: An welchen Orten in Oberhausen sollte man gedenken? Wem sollten Kunstwerke und Zeremoniell gewidmet sein?
Die Eingaben in diese interaktive Station hat das Team der Gedenkhalle noch nicht ausgewertet. Aber Clemens Heinrichs teilt – nicht erst seit der Debatte in Alstaden – eine Sorge: „Der Diskurs wird schwieriger und populistischer.“