In Sterkrade und Osterfeld werden drei Stolpersteine verlegt. Schüler des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums haben Patenschaften dafür übernommen.
Seit 2008 werden in Oberhausen regelmäßig Stolpersteine verlegt, um an Menschen zu erinnern, die von den Nazis verfolgt wurden. „Das ist ein ganz lebendiges Projekt. Es lebt davon, dass Menschen auf der ganzen Welt mitmachen“, findet Geschichtslehrerin Anette Kemper, die mit einem Kurs des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums Patenschaften für die Stolpersteine übernommen hat.
In Zusammenarbeit mit der Gedenkhalle haben die Schülerinnen und Schüler in Gruppen die Biografien der Verfolgten recherchiert. Heute werden sie bei der Verlegung an drei Adressen in Osterfeld und Sterkrade dabei sein und die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentieren.
Zuerst ging es für alle ins Landesarchiv nach Duisburg. „Da haben wir die Wiedergutmachungsakte bekommen“, erzählt Miriam, die sich mit ihrer Gruppe mit dem Schicksal von Andre Broniatowski beschäftigt hat. „Da drin waren ärztliche Befunde und auch eine Heiratsurkunde. So haben wir herausgefunden, dass er auch eine Frau und einen Sohn hatte.“
Die Recherche ging im Internet weiter und so fanden die Jugendlichen heraus, dass der Sohn inzwischen in den USA lebt. Sogar eine Telefonnummer haben die Schüler gefunden. „Ich war schon etwas nervös, als ich angerufen habe“, erzählt Jacqueline. Schließlich kommunizierten sie mit den Nachfahren per Mail. „Sie fanden das Projekt auch toll. Aber sie wollten sich nicht weiter damit beschäftigen, weil das Thema so belastend ist“, sagt Miriam. Deswegen kann für Andre Broniatowski kein Stolperstein verlegt werden.
Lärmbelästigung durch Singen
Spannend war auch das, was Anna und ihre Mitschüler über Artur Rosenbaum herausgefunden haben. „Er war selbstständiger Brotverkäufer“, erzählt die Schülerin. „In seinem Brotwagen hat er heimlich Frauen transportiert, damit sie ihre Männer in Gefangenschaft besuchen konnten.“ Dabei sei man ihm zwar auf die Schliche gekommen, „aber es konnte ihm nichts nachgewiesen werden“. Dafür war Rosenbaum, der Jude und „Andersdenkender“ war, mehrmals wegen Lärmbelästigung verhaftet: Er hat kommunistische Lieder gesungen. 1942 ist Artur Rosenbaum im KZ Auschwitz ermordet worden.
Wilhelm Meyer hingegen hat vier Jahre im KZ Dachau überlebt. „Er wurde befreit“, erzählt Christian. Die Recherche hat seine Gruppe nach Raesfeld im Westmünsterland geführt, wo Wilhelm Meyer als Kaplan gearbeitet hat. Die Akte aus dem Landesarchiv gab leider wenig Informationen her, deswegen hat die Gruppe auf dem Friedhof in Raesfeld angerufen und gefragt, ob dort ein Wilhelm Meyer liegt. Das war nicht der Fall – aber die Dame am Telefon konnte trotzdem weiterhelfen. „Sie kannte jemanden, der Wilhelm Meyer kannte. Und mit dem haben wir uns dann getroffen“, erzählt Christian.
Alle Schüler haben aus dem Projekt vieles mitgenommen. „Man hört immer, dass die Nazis sechs Millionen Juden umgebracht haben“, sagt Ajla. „Mit diesem Projekt haben die Menschen einen Namen bekommen.“ Auch Anna fand die Recherche spannender als den üblichen Geschichtsunterricht: „Wir haben gelernt, dass wir die Werte, die wir heute haben, wirklich schätzen sollten.“
Vor der letzten selbst gewählten Wohnung
Da die Verlegung eines Stolpersteins etwa 120 Euro kostet, die die Schüler nicht selbst tragen können, kann nicht für jeden Verfolgten ein Stein verlegt werden – wie im Fall der drei oben geschilderten Geschichten. Drei Stolpersteine werden aber am Donnerstag, 4. April, ihren Platz vor der letzten selbst gewählten Wohnstätte der Verfolgten finden. Interessierte können sich ab 12.30 Uhr der Gruppe anschließen und die Biografien der Verfolgten hören.
Wer die Verlegung der Stolpersteine als Pate unterstützen möchte, kann sich mit Clemens Heinrichs, Leiter der Gedenkhalle Oberhausen, in Verbindung setzen: 0208-607053113 oder gedenkhalle-bunkermuseum@oberhausen.de.
Walter Gluske
Los geht der Rundgang an der Kettelerstraße 35 in Osterfeld. Hier hat Walter Gluske, der 1898 in Bromberg in Polen geboren wurde, gewohnt. Er war Zeuge Jehovas, engagierte sich in deren Öffentlichkeitsarbeit und verteilte die Zeitschrift „Wachtturm“ und weitere NS-kritische Schriften – auch in Duisburg und in Oberhausen. Dafür saß er mehrfach im Gefängnis und wurde 1940 ins KZ Sachsenhausen gebracht. 1945 wurde er befreit. Später zog Walter Gluske wieder nach Polen, wo er verstarb.
Franz Hörstmann
An der Bottroper Straße 64 wohnte Franz Hörstmann, der 1874 im Kreis Lippstadt geboren wurde. Der überzeugte Sozialdemokrat war von 1919 bis 1933 Vorsitzender Osterfelder Ratsfraktion. Auch nach 1933 bezog er eine kritische Distanz zum Regime, weswegen er ab 1934 mehrfach verhaftet wurde. Mehrere Jahre verbrachte er im Zuchthaus Lüttringhausen. Franz Hörstmann überlebte die NS-Diktatur – trotz körperlicher Schäden. 1956 starb er in Oberhausen.
Rudolf Ramge
Rudolf Ramge, der 1879 in Frankfurt geboren wurde, kam 1904 als Lehrer an die Schladschule und wohnte an der Steinbrinkstraße 223. Später war er stellvertretender Direktor der gewerblichen Fortbildungsschule in Sterkrade. 1933 wurde er entlassen, weil er Mitglied der SPD war. Ab 1934 war Ramge nicht mehr politisch aktiv. Laut Gestapo soll er aber einen regen Kontakt mit Juden gehabt haben, weswegen er 1944 ins KZ Sachsenhausen deportiert wurde. Von dort aus kehrte er nicht zurück. Die letzte Nachricht an seine Frau datiert vom 6. Januar 1945.
Künstler Gunter Demnig diesmal nicht mit dabei
Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt seit 1997 handgefertigte Stolpersteine zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Darin sind Informationen zum Lebensweg und zum Schicksal der Verfolgten eingraviert.
In der Regel ist Demnig immer selbst vor Ort, wenn Stolpersteine verlegt werden. Zur aktuellen Verlegung am Donnerstag, 4. April, kann er aber leider nicht nach Oberhausen kommen.