Oberhausen. Die Erfolgs-Ausstellung mit über 875.000 Besuchern schließt am Sonntag um 18 Uhr. Am Montag startet die 14,5 Millionen Euro teure Sanierung.
Die Atmosphäre im halbdunklen Rund ist geradezu andachtsvoll – trotz der bereits zahlreichen Besucher am frühen Nachmittag. Im Parterre des Gasometers laden die Bergpanoramen im Format von 1,80 mal 2,50 Meter dazu ein, den Blick in Details zu versenken. Am Wochenende allerdings, den letzten beiden Tagen der Ausstellung „Der Berg ruft“, erwartet Jeanette Schmitz längere Schlangen vor dem Kassenhaus. In dieser Woche erreichte die im März vorigen Jahres eröffnete Schau 875.000 Besucher. „Es ist die dritterfolgreichste überhaupt“, strahlt die Geschäftsführerin der Gasometer GmbH.
Noch mehr staunendes Publikum fanden nur die Millionen-Ausstellung „Wunder der Natur“ 2016/17 mit 1.350.000 und die „Sternstunden“ des Kulturhauptstadtjahres mit 961.000. Und dabei hatten die Gasometer-Chefin und ihr Kurator Peter Pachnicke vorab mehr als eine skeptische Stimme gehört: „Berge? Hier im Ruhrgebiet? Wer soll sich dafür interessieren?“ Es interessierten sich wieder Hunderttausende. Unter den 16 Ausstellungen in der 117,5 Meter hohen Tonne verfehlte allein die betont modernistische Kunst-Schau „Ich Phoenix“ 1996 knapp die 100.000er-Marke – trotz bis heute klangvoller Namen wie Katharina Sieverding und Marie-Jo Lafontaine.
Das Depot wächst an auf 450 Bilder
Jetzt naht eine ausgedehnte Kunst-Pause: Am Sonntag, 27. Oktober, um 18 Uhr schließt „Der Berg ruft“, die 16. und für eineinhalb Jahre letzte Ausstellung. Jeanette Schmitz blickt dem Moment mit Freude und Wehmut entgegen: Freude über den Erfolg. Und Wehmut? Sie weist neben dem originalen Felsbrocken vom Matterhorn ins Weite der in konzentrischen Kreisen arrangierten Foto-Tableaus: „Weil ich hier überall Peter Pachnicke sehe.“ Der Erfolgs-Kurator und Kunstprofessor aus Dresden war 76-jährig zu Beginn des Jahres gestorben. Fürs Frühjahr 2021, den Neubeginn nach der anstehenden Sanierung für 14,5 Millionen Euro, hatte er noch ein Konzept hinterlassen. „Aber seine Genialität wird uns hier fehlen“, weiß die Gasometer-Geschäftsführerin. „Er zauberte für uns ständig neue Ideen aus dem Hut.“
Drinnen beginnt am Montag der Abbau der rund 150 Foto-Prints auf Alu-Dibond – und des spektakulär „kopfüber“ in die Tonne gehängten Matterhorn-Modells. Den 2017 per Hubschrauber vom Gipfel geklaubten Original-Brocken mit jener farbigen Maserung, die den Ursprung der Alpen aus der nordafrikanischen Erdplatte nachweist, wird stolz das Matterhorn-Museum in Zermatt in Empfang nehmen. Auch Reinhold Messner erhält seine Statue des in Tibet hochverehrten Yogi-Meisters und Poeten Jetsün Milarepa zurück – samt Seidenschal. Die Drucke der Satelliten-Aufnahmen gehen ans DLR-Zentrum nach Oberpfaffenhofen. Die große Mehrzahl der Fotos lässt das Gasometer-eigene Depot anwachsen – auf rund 450 Bilder.
Der Gasometer-Auftrag als Projekt von hohem Prestige
Und draußen werden am selben Montag die Büro- und Sanitär-Container angeliefert für die beginnenden Sanierungsarbeiten an der 90 Jahre alten Rost-Tonne. „Drinnen wird sich nichts ändern“, erklärt Jeanette Schmitz. Erster Schritt draußen: Das alte Fundament wird abgeschlagen. Währenddessen prüfen die Architekten und Statiker die Angebote der Gerüstbauer, ist mit dem Denkmalschutz das Verfahren – und die Farbe – für den Korrosionsschutz der unfassbar dünnen Stahlhülle von 0,5 Zentimetern abzustimmen. Die Gasometer-Chefin erwartet, „dass die Hülle mit vier neuen Farbschichten wieder etwas dicker wird“. Acht alte Farbaufträge ließen sich Außen auf dem Stahl nachweisen. Drinnen war er während der Jahrzehnte als Gichtgasspeicher durch einen Teerölfilm imprägniert.
30 Jahre Haltbarkeit, bis 2050, sind die Erwartungen an das 14,5 Millionen-Projekt. „Altbau!“ sagt Jeanette Schmitz (mit hörbarem Ausrufezeichen) und blickt Überraschungen gefasst entgegen. Immerhin: Für die Fachfirmen bedeutet der Gasometer-Auftrag ein Projekt von hohem Prestige. Da will man alles richtig machen. Statt des gewaltigen Matterhorn-Plakates werden je zwei 117 Meter hohe Gerüste zum Blickfang des Jahres 2020. Europas höchste Ausstellungshalle ist dann jeweils zur Hälfte eingerüstet.
Ein Bildband als bleibendes Souvenir
Eintrittskarten für den Gasometer kosten 10 Euro, ermäßigt 7 Euro. Ein schönes Souvenir aus dem doppelten Jubiläumsjahr – 90 Jahre als Industriebauwerk, 25 Jahre als Ausstellungsort – ist der Bildband „Gasometer Oberhausen“, erschienen im Klartext-Verlag, und für 14,95 Euro auch noch nach dem Ausstellungsfinale erhältlich.
Ein Interims-Programm während der Sanierungs-Arbeiten, bedauert Jeanette Schmitz, sei schon aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Die Gasometer-Geschäftsführerin hofft aber, zu einzelnen Terminen Baustellen-Führungen anbieten zu können. Online informiert gasometer.de
Schall- und Staubschutz sollen die Belästigung für die Nachbarn im Grafenbusch so gering wie möglich halten. Es werde aber montags bis samstags von 7 bis 20 Uhr gearbeitet. Die schon oft gehörte Frage, wie lange es denn dauern wird, beantwortet die Gasometer-Chefin so: „Ostern 2021 wollen wir die nächste Ausstellung zeigen. So ein Ziel muss man haben.“