OBerhausen. . Die GHH hatte am 15. Mai 1929 Europas größten Gasometer eingeweiht. Seit 25 Jahren ist die 117,5-Meter-Tonne ein Ausstellungsraum der Rekorde.

Europas höchste Ausstellungshalle ragt – überdimensional plakatiert mit alpenglühendem Matterhorn – zwischen Rhein-Herne-Kanal und zwei Bahntrassen stolze 117,5 Meter in die Höhe. Für Rekorde sorgte der Gasometer schon bei seiner Einweihung am 15. Mai 1929. Doch die bald 25-jährige Karriere als Schauplatz für „Magische Orte“ und „Wunder der Natur“ ist der wohl unwahrscheinlichste Coup in der nun 90-jährigen Historie dieses „Gasbehälters mit einem an der Innenwand gleitenden Abschlusskörper“.

Ein Millionending schon in den 20er-Jahren

So definiert das kaiserliche Patent von 1915 die Bauart dieses Gasometers. Denn für das Ruhrgebiet mit seinen Bergsenkungen, erklärt Jeanette Schmitz, die Geschäftsführerin der Gasometer GmbH, kamen die zuvor gebräuchlichen Teleskop-Gasometer kaum in Frage, denn die standen in viel zu schweren Wasserbecken.

Stattdessen gab’s im neuen MAN-Gasometer die Flüssigkeitsdichtung: Der konstante und hohe Gasdruck von 300 Kilogramm pro Quadratmeter bewegte – je nach Füllung mit dem Gichtgas der Gutehoffnungshütte – die über 1200 Tonnen schwere Scheibe oder „den Deckel auf der Blechdose“, wie Jeanette Schmitz sagt. Beständig lief zähes Teeröl die nur halbzentimeter starken Stahlwände hinab – und wurde beständig wieder von der Boden-„Tasse“ hinaufgepumpt.

Blechreihe um Blechreihe wuchs das Dach des Gasometers in die Höhe: Eine Aufnahme vom Anfang der Bauarbeiten
Blechreihe um Blechreihe wuchs das Dach des Gasometers in die Höhe: Eine Aufnahme vom Anfang der Bauarbeiten © Sammlung LVR Industriemuseum

Die Teer-Dichtung war auch ein perfekter Rostschutz – „aber leider nur von innen“, wie die Gasometer-Chefin bedauert. An sehr heißen Tagen, wie im letzten Sommer, „riecht man es noch“. Die Entsorgung des Ölteers aus dem Boden war später einer der teuersten Posten beim Umbau des Gasometers.

Doch ein Millionending war die größte technische Konstruktion ihrer Art in Europa schon während der über zweijährigen Bauzeit von Februar 1927 bis Mai 1929. Die Kosten von 1,74 Millionen Reichsmark hatten sich für die Gutehoffnungshütte allerdings binnen eines Jahres bezahlt gemacht. Denn jetzt wurde kein „Zuviel“ an Gichtgas mehr abgefackelt, sondern konnte kontinuierlich die Koksöfen beheizen – und das wertvollere Koksgas ging an die Ruhrchemie.

Nutzung als Indoor-Golfanlage war im Gespräch

Dafür lohnte sich sogar ein fast kompletter Wiederaufbau. Im Weltkrieg hatten Granaten den Gasometer getroffen, aber nicht zerstört. Doch bei Schweißarbeiten an der Behälterwand geriet der Bau im Januar 1946 in Brand. „Das Fundament und das Dach sind geblieben“, sagt Jeanette Schmitz. Die Demontage dauerte anderthalb Jahre, der Wiederaufbau erneut über zwei Jahre: Am 1. Januar 1950 nahm die HOAG als Nachfolgerin der Gutehoffnungshütte den neuen Gasometer in Betrieb.

© Sammlung LVR Industriemuseum

43 Jahre später stand der Umbau zum Ausstellungsraum der Rekorde an – nachdem in teils erhitzten politischen Debatten andere Optionen vom Abriss bis zur Indoor-Golfanlage verworfen worden waren. „Total behutsam“ nennt Jeanette Schmitz die Arbeit des Architekten Jürg Steiner – der auch selbst betonte, man dürfe den Gasometer keinesfalls seiner „unverwechselbaren und einmaligen Patina berauben“.

Der gläserne Panorama-Aufzug war der teuerste Posten des 16-Millionen-DM-Umbaus, gefolgt von der Ölteer-Entsorgung. Zuvor gab’s auch Pläne, die Riesentonne mit der dünnen Stahlhaut in ein inneres Gipskarton-Mäntelchen zu hüllen oder einen Turm mit vielen Etagen in den Gasometer hinein zu setzen. Sie sei „froh, dass das nicht gekommen ist“, betont Jeanette Schmitz. „Unser heutiges Raumerlebnis ist viel besser“.

Im Winter „ein ganz besonderes Erlebnis“

Selbst den aus reiner Terminnot gewagten Schritt, 2001/02 den Gasometer auch im Winter zu bespielen, nennt die Geschäftsführerin heute „einen Glücksfall: Es ist im Winter ein ganz besonderes Erlebnis“. Und zwar ohne Gipskartons.

>>> Info: Im September folgt das Fest zum Doppel-Jubiläum

Das Jubiläumsfest zu 25 Jahren Ausstellungsbetrieb und 90 Jahren Gasometer steigt erst am 7. und 8. September. Dann gilt für Besucher der halbe Eintrittspreis, sind die Führungen kostenlos, spielt draußen die Musik und für gute Küche ist auch gesorgt.

In 2500er Auflage erscheint der großformatige Bildband „Gasometer Oberhausen“ im Klartext Verlag. Neben der deutschen gibt’s auch eine englischsprachige Ausgabe des mit 14,95 Euro günstigen, 150 Seiten starken Buches, das alle 16 Ausstellungen auffächert: von „Feuer und Flamme“ bis zu „Der Berg ruft“.

Die aktuelle Ausstellung endet am 27. Oktober, denn dann stehen die Vorbereitungen für die umfassende Sanierung an.