Oberhausen. Vor 50 Jahren schrieb das Woodstock-Festival Musikgeschichte. Einige der Bühnen-Legenden brachten den Sommer der Liebe später nach Oberhausen.

Die Weidefelder eines Milchbauern in der US-Kleinstadt Bethel im Bundesstaat New York müssen meistens herhalten, wenn Musik-Liebhaber wieder in regendurchtränkten Wiesen einsacken und auf schlammigem Untergrund den Klangwelten lauschen. Woodstock! Vom 15. bis 18. August 1969 schrieb das rastlose Festival Musik-Geschichte. Auch wenn knapp 50 Jahre später beim hiesigen „Olgas Rock“ (9. bis 10. August, Eintritt frei) die Rock-Bands ihre Gitarren klirren lassen, wird der Festival-Geist des Sommers der Liebe mitschwingen. Schlammschlachten kennen sie im Olga-Park allemal!

Dabei verbindet Woodstock und Oberhausen nicht nur manches durchsumpfte Festival-Wochenende. Woodstock-Legenden von damals haben längst Oberhausener Konzertbühnen erkundet. Dabei standen die Musiker Ende der 1960er-Jahre oftmals noch am Anfang einer später folgenden Weltkarriere.

Joe Cocker sucht neben dem Centro die Nähe zu Sheffield

Erst Woodstock, dann die Arena Oberhausen: Joe Cocker wurde in der Neuen Mitte später zum Dauergast.
Erst Woodstock, dann die Arena Oberhausen: Joe Cocker wurde in der Neuen Mitte später zum Dauergast. © Getty Images

Zu den erst nach Woodstock hip werden Hippies gehört der 2014 im Alter von 70 Jahren verstorbene britische Rock- und Blues-Gigant Joe Cocker. Obwohl der Brite in dieser Zeit mit dem Beatles-Cover „Little Help from my Friends“ zündenden Karriere-Treibstoff erhielt. Am dritten Woodstock-Tag durfte Joe Cocker um 14 Uhr in der gestreiften Schlaghose auftreten: Flower-Power! Dafür soll es eine selbst für damalige Verhältnisse wenig feudale Gage von 1375 US-Dollar gegeben haben. Zum Vergleich: Die Jazzrocker Blood, Sweat & Tears kassierten demnach 10.000 US-Dollar für ihr Woodstock-Intermezzo.

In Oberhausen freundete sich Cocker Jahrzehnte später besonders mit der Arena Oberhausen an: Im Mai 2003, Dezember 2004 (Nokia Night of the Proms), Mai 2005, Oktober 2007 und Dezember 2010 besuchte der Mann aus Crookes bei Sheffield die Neue Mitte. Das Sheffielder Meadowhall-Einkaufszentrum diente übrigens 1996 als Vorlage für den Bau des neben der Oberhausener Arena ansässigen Centro. Zu seiner letztlich finalen „Fire it up“-Tour zeigte sich Cocker im Mai 2013 in Oberhausen puristisch, ohne Schnick-Schnack, ohne aufgesetzte Jugendlichkeit vor 8000 Fans.

Carlos Santana ändert in der Arena seine Klamotten-Marotten

Treibt es heute gerne bunt: Carlos Santana entzückt das Oberhausener Publikum regelmäßig als Gitarren-Großmeister.
Treibt es heute gerne bunt: Carlos Santana entzückt das Oberhausener Publikum regelmäßig als Gitarren-Großmeister. © Stephan EICKERSHOFF

Übrigens auch in Woodstock auf der Bühne: Cockers The Grease Band, die er gemeinsam mit dem Bassisten und Keyboarder Chris Stainton wenige Jahre vorher in Sheffield gründete. Stainton selbst besuchte ebenfalls schon die Oberhausener Konzertbühnen. Im Juni 2013 begleitete er als virtuoser Keyboarder Eric Clapton zu dessen Konzert-Stopp vor 10.000 Fans in der König-Pilsener-Arena.

Mit enger schwarzer Weste und Spitzbart zog Carlos Santana 1969 bei Woodstock andere Saiten auf. Der Gitarren-Großmeister errichtete auf dem freien Feld mit „Soul Sacrifice“ eine gewaltige Klangmauer.

My Generation! Roger Daltrey und Pete Townshend schauten 50 Jahre nach ihrer ersten LP in der Konzertstätte neben dem Centro vorbei.
My Generation! Roger Daltrey und Pete Townshend schauten 50 Jahre nach ihrer ersten LP in der Konzertstätte neben dem Centro vorbei. © Funke Foto Services | Kai Kitschenberg

Und an Faszination büßte der Liebhaber des Latin-Rocks auch in der Folge nichts ein. Fünf Konzerte des im mexikanischen Jalisco geborenen Musikers zählten die Betreiber der Arena in den vergangenen 22 Jahren. Die enge Weste tauschte er allerdings gegen teils flatterige und papageienhafte T-Shirts aus. Die feine Klangromantik blieb bestehen – auch am Juli 2015 suchte er in der Neuen Mitte seine „Black Magic Woman“ und fand 8000 jubelnde Fans.

Pete Townshend von The Who teilt wenig Woodstock-Romantik

Wer war noch in Woodstock? The Who! Als Nachtarbeiter brachten sie gegen 5 Uhr zu später (oder früher) Stunde ihr „My Generation“ unter die Menge. Dabei wird Gitarrist Pete Townshend heute nicht müde, in Interviews seine Abneigung gegenüber Woodstock zu betonen. Bequatscht worden sei er damals. Als heuchlerisch beschreibt er die Szenerie. Ein seltsames Sammelsurium mit kübelweise Drogen. Ein krasser Gegensatz zur häufig verbreiteten immergrünen Festival-Romantik.

Immerjunger Woodstock-Veteran: Neil Young verkündete auch in der Arena schon: „Rock’n’Roll will never die!“
Immerjunger Woodstock-Veteran: Neil Young verkündete auch in der Arena schon: „Rock’n’Roll will never die!“ © Thomas SCHILD

Roger Daltrey und Pete Townshend besuchten Oberhausen im besten Rock-Alter von 72 und 71 Jahren zuletzt im September 2016. Ein halbes Jahrhundert nachdem ihre erste LP den Weg in die Pressen fand. Hits von „I can’t explain“ bis „Tea & Theatre“ hörte das Publikum in der König-Pilsener-Arena bereits neun Jahre vorher. Eine Nostalgie-Nascheinheit bei der Roger Daltrey vor drei Jahren zu „Won’t get fooled again“ dem Mikrofon am baumelnden Kabel lange Leine lässt und es wie ein Lasso durch die Luft schwingt. Klassisch!

Neil Young arbeitet auch im Kollektiv als Lebensretter des Rock’n’Roll

Den Rock’n’Roll hat Neil Young nie sterben lassen. Als Crosby, Stills, Nash & Young trat der Kanadier am Woodstock-Sonntag noch im Kollektiv vor die Fans. Mit 23 Jahren. „Rock’n’Roll will never die“ wissen seine Anhänger des immerjungen Klangkonstrukteurs noch immer.

Im Juni 2001 und Juli 2008 hörten ihm die Oberhausener besonders aufmerksam zu. Der Draufgänger der dröhnenden Disharmonien betätigte sich in der Arena nahezu prophetisch. Vor einem rotierenden Großventilator meinte Young: „Time fades away!“ Die Zeit vergeht!

Der Sänger mit der höchsten Gage soll in Woodstock übrigens Jimi Hendrix mit 18.000 US-Dollar gewesen sein. In Oberhausen huldigen sie dem linkshändigen Gitarren-Gott jährlich mit dem Festival „Thanks Jimi Hendrix“ und mehreren Hundert gleichzeitig „Hey Joe“ spielenden Gitarren-Hobbymusikern auf dem Altmarkt.