Oberhausen. . Der erste Wolf in Nordrhein-Westfalen entwickelt sich allmählich zum Problemwolf: Das Wildtier riss überraschend viele Schafe – und sogar Rehe.
Sie überwindet offenbar Elektrozäune, ignoriert Schutzhunde und beißt dann grasenden Schafen und Rehen in die Kehle – die wohl aus Niedersachsen stammende Wölfin mit der Nummer GW954f entwickelt sich in Nordrhein-Westfalen zu einem „Problemwolf“. Das im Oktober 2018 großzügig ausgewiesene Wolfsgebiet am Niederrhein, das bis nach Oberhausen reicht, ist jetzt auch noch auf Emmerich und Rees erweitert worden. Erst in solch einer Wolfszone haben Nutztierhalter die Chance, vom Land NRW Schadenersatz für Schutzmaßnehmen gegen Wölfe zu erhalten, zum Beispiel für Elektrozäune.
Die Begeisterung über die Ansiedlung des ersten Wolfes in Nordrhein-Westfalen ist mittlerweile der Skepsis und der Sorge gewichen: In Schermbeck, am Flugplatz Schwarze Heide, in Dinslaken, ja sogar in Bottrop-Kirchhellen hat die Wölfin schon Schafe gerissen, um ihren Appetit zu stillen.
Nicht mehr zum Spielen in den Wald?
Auf der Schermbecker Lopaka-Ranch der Familie Lorei geht die Angst um, dass ihre Alpakas von der Wölfin gefressen werden. In Dinslaken schicken einige Mütter ihre Kinder nicht mehr alleine zum Spielen in den Wald. Die Stimmung ist so aufgeheizt, dass Oberhausener Bürger die Wölfin schon in Holten gesichtet haben wollen – das ließ sich aber nicht bestätigen, es handelte sich wohl um einen wild aussehenden Hund.
Dass Wölfe aber auch in den Norden unseres Stadtgebietes eindringen werden, davon ist Hubert Filarsky, Vertreter der Kreisjägerschaft im hiesigen Naturschutzbeirat, überzeugt: „Der Tisch ist reich gedeckt.“ Da die Wölfin schon nachgewiesen in Steinwurfweite zur Oberhausener Stadtgrenze gesehen wurde, sei es „zu hundert Prozent realistisch“, dass es auch hier bald Begegnungen mit dem Wildtier geben werde.
Als Naturschützer von der Rückkehr begeistert
Hubert Filarsky hält es für recht wahrscheinlich, dass sich die Wölfin mit einem Wolf paaren wird: „Dann wird sich ein Rudel bilden.“ Diese Aussichten betrachtet der Jäger mit gemischten Gefühlen: „Als Naturschützer bin ich von seiner Rückkehr begeistert. Ich bin nicht bange vor dem Zuzug wilder Tiere. Ich bin ein wehrhafter Mensch und mit der Natur vertraut. Dennoch freue ich mich nicht, weil der Wolf eine Gefahr für die Bevölkerung darstellt.“
Tatsächlich fordern Schafzüchter in Schermbeck bereits den Abschuss des Wolfes. „Dieser Wolf darf nicht weiter marodieren.“ In anderen Bundesländern sei klar: Wenn ein Wolf mehrfach den Schutzzaun für Herden überwinde, dann werde er gejagt, argumentiert der Schafzuchtverband. Sogar der Weseler Naturschutzbund-Vorsitzende Peter Malzbender meint: „Sollte dieser Wolf ein Problemwolf sein, der Schutzzäune überwindet und Hütehunde umgeht, muss er getötet werden,“
Die Ausweisung eines Wolfsgebietes findet Filarsky sinnvoll, weil Tierhalter dann entschädigt würden – auch wenn die gezahlten Beträge mickrig seien. Doch nicht nur finanzielle Probleme sieht der Jäger auf die Bauern zukommen: „Wenn ein Wolf ein Schaf reißt, dann ist die ganze Herde derart verstört. Die Angst sitzt so tief, dass selbst ein Schäferhund die Tiere in Panik versetzen kann.“
Den Zugang zum Wald behalten
Auch Hundehalter müssten sich überlegen, ob sie noch mit unangeleintem Tier durch den Hiesfelder Wald spazieren wollten. „Der Hund ist der Todfeind des Wolfes.“
Filarsky jedenfalls kritisiert die Medien für verharmlosende Darstellungen von Wildtieren. „Man kann mit Wölfen nicht schmusen“, sagt er, obwohl dies in Dokumentationen so dargestellt werde. „Das verfälscht die Realität und die Problematik, die aus dem massiven Auftauchen des Wolfes entsteht.“ Schließlich habe es bereits Übergriffe sogar auf Hunde gegeben.
Weder Menschen noch die Landwirtschaft dürfen nach Auffassung von Filarsky unter Wölfen leiden. Der Mensch müsse den Zugang zum Wald behalten. Was also tun? Wölfe, die als bedrohlich wahrgenommen werden, zum Abschuss freigeben? „Das würde sich von selbst ergeben“, meint Jäger Filarsky trocken, „falls der Wolf einen Menschen anfallen würde.“
>>> Wölfin heißt unter Experten nur GW954f
Die Wölfin am Niederrhein, der die Kennung GW954f verpasst wurde, soll aus einer niedersächsischen Wolfsfamilie stammen. Das NRW-Ministerium für Umwelt und Naturschutz hat Anfang Oktober das erste Wolfsgebiet des Bundeslandes ausgewiesen, zu dem neben der Stadt Bottrop und den Kreisen Wesel, Kleve, Borken und Recklinghausen auch Teile Oberhausens gehören.
Das Wolfsgebiet umfasst rund 958 Quadratkilometer. Dort können ab sofort Schutzmaßnahmen für Schafe und Ziegen zu bis zu 80 Prozent der Kosten gefördert werden. Zudem werden Schäden durch Wölfe in Bezug auf gerissene Tier zu hundert Prozent vom Land NRW ersetzt.