Oberhausen. . Noch ist er Kämmerer und Kulturdezernent. Doch im kommenden Jahr möchte Apostolos Tsalastras Oberbürgermeister von Oberhausen werden. Die Stadt habe große Probleme, aber auch ebenso große Chancen, sagt er. Im Interview spricht er über Teamarbeit, Humor und rassistische Witze.
Oberhausen wird im kommenden Jahr einen neuen Bürgermeister bekommen. Wer für die SPD ins Rennen um das Amt des Stadtoberhauptes gehen wird, steht noch nicht fest. Zwei Kandidaten stellen sich der Basis: Awo-Geschäftsführer Jochen Kamps und Apostolos Tsalastras, jetziger Kämmerer und Kulturdezernent der Stadt. Im Interview verrät Tslastras, warum er ein guter Oberbürgermeister wäre. Und wo Oberhausen Nachholbedarf hat. Das Interview mit seinem Kontrahenten Jochen Kamps folgt.
Herr Tsalastras, Sie erhöhen als Kämmerer Steuern und Parkgebühren, Sie sorgen für Einschnitte bei Grünpflege, Spielplätzen und beim Stoag-Busverkehr. Warum glauben Sie trotzdem, dass Sie als möglicher OB-Kandidat der SPD gute Chancen bei der OB-Wahl haben?
Apostolos Tsalastras: Die Bürger wissen genau, dass wir seit Jahren durch den Strukturwandel in einer sehr schwierigen Finanzsituation stecken. Die bewältigen wir nicht, in dem wir mehr Geld ausgeben, sondern nur, in dem wir den Haushaltsausgleich erreichen. Eine bessere Alternative haben wir nicht: Wir würden sonst die Handlungsfähigkeit der Stadt aufgeben und auch keine Fördermittel mehr erhalten. Nur wenn wir sparen und zugleich in die Zukunft investieren, können wir der Stadt eine Perspektive geben. Die Bürger verstehen das, die sind intelligenter als viele meinen.
Sie sind jetzt seit über zehn Jahren in verschiedenen Bereichen als Dezernent im Rathaus tätig. Ist das im parteiinternen Wettkampf um die OB-Kandidatur ein Nachteil, weil Sie damit auch für die lange Zeit verhaltene Entwicklung Oberhausens mitverantwortlich sind?
Tsalastras: Nein, mit Sicherheit nicht. Viele Bereiche, für die ich verantwortlich war und bin, stehen gut da: Nur in wenigen Ruhrgebietsstädten gibt es so eine hervorragende Kulturlandschaft wie bei uns in Oberhausen; als Sportdezernent konnte ich die Sportstättenlandschaft entscheidend verbessern und im Finanzbereich haben wir seit drei Jahren endlich wieder genehmigte Haushalte. Das sind gute Ergebnisse.
Und was sagen Sie den Kritikern, die die vergangenen zehn Jahre als schwach einstufen? Im Vergleich zu den Drescher-Jahren, als das Centro gebaut wurde, war das hier lange Zeit sehr ruhig.
Tsalastras: Ja, wir hatten tatsächlich fünf Jahre, in denen es in Oberhausen besonders schwierig war. In dieser Zeit hat uns die schwarz-gelbe Landesregierung kommunale Finanzmittel vorenthalten und wir waren von Fördermitteln abgeschnitten. Wir mussten hohe Sparauflagen erfüllen ohne aber Perspektiven entwickeln zu können. In dieser Zeit ging es uns besonders schlecht. Alle beantragten Fördermittel wurden wegen fehlender Eigenanteile abgelehnt. Das hat sich erst unter der rot-grünen Landesregierung geändert.
Warum möchten Sie denn überhaupt Oberbürgermeister in dieser so schwierig zu regierenden Stadt werden? Kämmerer und Kulturdezernent sind ja auch gute Jobs.
Tsalastras: Ja, ich mache tatsächlich beide Aufgaben sehr gerne. Doch ich meine, wir müssten noch mehr Perspektiven für unsere Stadt entwickeln. Das möchte ich in größerer Verantwortung als bisher mit den Bürgerinnen und Bürgern verwirklichen. Denn heutzutage muss man eine Stadt als Ganzes entwickeln und nicht einzelne Fachbereiche herausnehmen. Dafür braucht man die Gesamtverantwortung.
Wo hat nach Ihrer Meinung Oberhausen Nachholbedarf? Was wollen Sie verbessern, wenn Sie Oberbürgermeister werden?
Tsalastras: Wir haben jetzt neue Chancen, vor allem die Stadtteile stärker zu beleben und zu entwickeln. Das muss man stärker koordinieren und inhaltlich begleiten, um die Gesamtstadt nach vorne zu bringen. In der Wirtschaft haben wir großen Nachholbedarf: Die Neuordnung der Wirtschaftsförderung muss mehr Impulse bringen, damit wir mehr Arbeitsplätze bekommen und unsere Finanzen stärken.
Schlechte Noten für die Bildung in Oberhausen
Muss sich Oberhausen nicht auch mehr in der Bildung engagieren? Die Schüler unserer Stadt schneiden bei den Lernstandserhebungen im Lande vergleichsweise schlecht ab.
Tsalastras: Dies liegt zum Großteil daran, dass unsere Sozialstruktur schwierig ist. Bemerkenswert ist aber, dass sich unsere Ergebnisse bei den Lernstandserhebungen in den vergangenen Jahren stärker verbessern als die in anderen Städten. Das finde ich sehr ermutigend. Zudem wollen wir die Schullandschaft als Ganzes neu aufstellen: Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung müssen Schulstandorte zwar reduziert werden, aber dafür können wir an anderen Schulstandorten investieren und die Bildungsvoraussetzungen verbessern.
Die Mehrheitsverhältnisse im Rat sind für die rot-grün-gelbe Koalitionsmehrheit knapp, auf die OB-Stimme kommt es an. Macht dies die Arbeit für den Oberbürgermeister nicht unglaublich schwierig?
Für sein Hobby fehlt im Moment die Zeit
Geboren am 27. August 1964 in Hilden; Schulzeit: Wilhelm-Fabry-Realschule Hilden; Abitur auf dem Helmholtz-Gymnasium Hilden; danach Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Köln.
Beruf: SPD-Bezirk Niederrhein, zuständig für Bildungsarbeit; Mitarbeiter im Heinz-Schleußer-Abgeordneten-Büro in Oberhausen; Referent für Sozialpolitik beim Awo-Bundesverband in Bonn/Berlin; ab 2003 Dezernent für Jugend, Sport, Gesundheit, Soziales der Stadt Oberhausen; dann für Kultur, Gesundheit und Sport; danach für Kultur und Finanzen.
SPD: 30 Jahre SPD-Mitglied; Juso-Vorsitzender in Hilden; Mitglied im Ausländerbeirat und Ratsmitglied in Hilden; zehn Jahre Vorsitzender des SPD-Ortsvereins; Mitglied im Landesvorstand und im Präsidium der NRW-SPD.
Privat: wohnhaft in Hilden, verheiratet seit 1994 mit Anabela Pires Barata; SPD-Fraktionsvorsitzende im Rat der Stadt Hilden; keine Kinder. Hobby: Badminton, hat aber aus Zeitmangel schon länger nicht mehr gespielt.
Tsalastras: Absolut. Das ist eine große Herausforderung. Auf der einen Seite muss die Koalition handlungsfähig sein, auf der anderen Seite muss man als Oberbürgermeister eine stärker integrative Rolle im Rat spielen. Ich will dafür sorgen, breite Mehrheiten zu gewinnen. Wir müssen in Zukunft viel stärker im Rat gemeinsam nach außen treten, um mit klaren Positionen gegenüber den anderen Ebenen, Bund und Land, selbstbewusst aufzutreten, um auch ernst genommen zu werden. Im Parteienstreit geht dieser Punkt leider manchmal unter.
Was sehen Sie als Ihre persönlichen Stärken und Schwächen an?
Tsalastras: Ich kenne die Stadtverwaltung sehr gut, war in fast allen Bereichen tätig. Ich bin jemand, der ein absoluter Teamspieler ist und verstehe es sehr gut, Leute zu integrieren und ihr Potenzial zu nutzen. Ich gehe gerne auf Menschen zu: Ich nehme ihre Probleme wahr und will zu ihrer Lösung beitragen. Persönliche Schwächen hat ja jeder, aber das sollen andere beurteilen.
Rassistische Untertöne
Kann es Ihnen als Nachteil ausgelegt werden, dass Sie bisher in Hilden wohnen oder kommt es auch bei den Oberhausenern darauf an, wer der bessere Mann ist?
Tsalastras: Es ist sicherlich eine entscheidende Frage, wer der bessere Kandidat ist. Aber wenn ich für das Oberbürgermeister-Amt kandidiere, ist es für mich selbstverständlich, meinen Erstwohnsitz nach Oberhausen zu verlegen. Bisher war das nicht so entscheidend: Ich glaube, ich bin bisher hier in Oberhausen sehr präsent gewesen.
Tsalastras sieht Diskussionen gelassen
Sie sind in Deutschland geboren, haben griechische Eltern. Das hat schon so einige zu merkwürdigen Witzen verleitet – nach dem Motto: Ausgerechnet ein Grieche kümmert sich ums Geld der armen Stadt Oberhausen. Ist das für Sie schon Rassismus?
Wenn das mit einem amüsanten Unterton passiert, kann ich damit leben. Ich bin jemand, der viel Humor hat. Aber ich habe auch viele Erfahrungen machen müssen, die mit Spaß nichts zu tun hatten – da gab es schon rassistische Untertöne. Im Prinzip sind wir doch alle, die hier in Deutschland viele Jahre mit unterschiedlichen Herkünften aufgewachsen sind, ein gemeinsames Volk und streben das Beste für unser Gemeinwesen an. Ich sehe solche Diskussionen relativ gelassen.
Glauben Sie, dass Ihr Zuwanderer-Hintergrund Oberhausener Bürger zögern lässt, Sie zum Oberbürgermeister zu wählen? Oder ist das kein Kriterium mehr in der heutigen Zeit?
Ich bin sicher, dass das keine Rolle spielt, wenn sich ein Bürger für oder gegen mich entscheidet. Ich glaube, dass die Herkunft der Eltern für die Oberhausener kein Thema ist. Ich erlebe viel Zuspruch für meine Arbeit und bisher ist mir in Oberhausen eine solche Haltung nicht begegnet.
Was halten Sie von Ihrem Konkurrenten um die OB-Kandidatur, Awo-Geschäftsführer Jochen Kamps?
Tsalastras: Jochen Kamps und ich kommen sehr gut miteinander aus. Wir teilen ähnliche politische Ansichten und ich glaube, wir beide halten uns für gute Kandidaten.
Rechnen Sie mit einem klaren Ergebnis bei der internen SPD-Wahl oder einem sehr knappen Ausgang?
Tsalastras: Das weiß ich nicht: Ergebnisse vorherzusagen, halte ich bei Wahlen ohne vorherige Umfragen für sehr sehr schwierig.
Sehen Sie die Gefahr, dass Sie oder Herr Kamps bei einer hohen Niederlage bei der Kandidatenwahl persönlich stark beschädigt wird?
Tsalastras: Nein, das glaube ich nicht. Wir sind zwei Kandidaten für eine große Volkspartei, das ist schon sehr wertvoll an sich. Die Parteimitglieder entscheiden sich ja in einer fairen Auseinandersetzung für den einen oder anderen. Wir beide werden daher nicht aus dem parteiinternen Wettbewerb beschädigt herausgehen. Im Übrigen: Wenn es bei Kandidaturen zu einer Beschädigung der Person käme, könnte es in Zukunft ja gar keine basisdemokratischen Entscheidungen mehr geben, weil sich keiner mehr für solch ein Risiko zur Verfügung stellt. Und das fände ich sehr schade.