Mülheim. . „Ich geh mal eben Zigaretten holen.“ Das sagte Heinz Gwisdalla seiner Frau und kehrte erst drei Wochen später aus DDR-Gefangenschaft nach Mülheim zurück. Erinnerungen an 1951.

Heinz Gwisdalla ist passionierter Musiker. Seine besondere Leidenschaft galt und gilt noch immer der Geige. Als 1951 die Weltfestspiele für Jugend und Studenten, die von Musik geprägt waren, in Ostberlin, genauer gesagt in Berlin-Köpenick stattfanden, war es für ihn keine Frage: „Da muss ich hin!“

Der damals 21-jährige Musikstudent wusste, dass seine Frau von einer Reise in die DDR nicht begeistert sein würde und sagte ihr daher nur knapp: „Ich geh mal eben Zigaretten holen.“ Mit dem Zug ging es von Mülheim aus nach West-Berlin. Damals gab es die Mauer zwar noch nicht, aber die Einreise westdeutscher Jugendlicher zum Festival war verboten. Über eine Bande von so genannten Schleppern gelang es Heinz Gwisdalla jedoch, die Grenze zu passieren und so am Festival teilzunehmen. „Es war toll“, erinnert sich Gwisdalla. „Ich habe viele Musiker kennengelernt und durch einen Zufall konnte ich sogar mein Talent auf einer Stradivari beweisen.“ Ein Dirigent war auf ihn aufmerksam geworden und ermöglichte ihm so einen Lebenstraum.

Stasi hielt Musikstudenten für Spion

Eigentlich war der Plan, dass Heinz Gwisdalla nach zwei Tagen nach Mülheim zurückkehren wollte. Doch da machte ihm die Stasi einen Strich durch die Rechnung. „Ich bin am zweiten Tag spazieren gegangen und irgendwie wieder im Westen gelandet“, so Gwisdalla. „Richtig erkennbare Grenzen gab es ja nicht.“ Ein Bach, an dem er damals entlang spazierte war jedoch die Grenze. Als er den Bach überquerte und wieder auf Boden der DDR war, tauchten plötzlich Grenzbeamte auf – Heinz Gwisdalla wurde mitgenommen. „Sie wollten wissen, wer ich sei, wer mich geschickt habe“, erinnert sich der heute 85-Jährige. „Die dachten wohl, ich sei ein Spion aus dem Westen.“

Der junge Student wurde in eine alte Schule gebracht, die als Gefangenenlager diente. Nach ein paar Tagen der Gefangenschaft kamen erneut Männer der Stasi und verhörten Gwisdalla. „Ich habe erklärt, dass ich Musiker bin und wegen des Festes in Köpenick sei – zehn Minuten später hatte ich eine Geige in der Hand und konnte so meine Geschichte beweisen.“ Trotzdem dauerte es noch drei ganze Wochen, bis die Stasi seine Geschichte und Identität überprüft hatte und er endlich gehen konnte.

Hunderte Kilometer zu Fuß

Hunderte von Kilometern ging er zu Fuß entlang der Autobahn, tauschte seine Kleidung gegen Lumpen und Nahrung. Endlich in Mülheim angekommen war der Empfang seiner Frau nicht gerade freundlich. „Geh dahin, wo Du herkommst“, habe sie gesagt, und Heinz Gwisdalla muss bei der Erinnerung schmunzeln. Eine halbe Stunde später ließ sie ihn dann doch wieder ins Haus.

Eines hat Heinz Gwisdalla aber nie wieder gemacht: „Ich sagte niemals mehr ‘Ich geh mal eben Zigaretten holen’ . . .“