„Der Deutschen zweithöchster Feiertag ist der 3. Oktober – direkt nach Weihnachten.” Schon der Einstieg klingt bissig und so setzt sich das Programm von Stephan Krawczyk (52) fort.

Der Gestus der Gitarrenbegleitung und des Gesangs erraten deutlich das Vorbild Wolf Biermann. Doch wo Biermann aus Trauer und Sehnsucht, aus Wut und Lebensgier seinen Stoff fand, da schlägt Krawczyk aus Bitterkeit und Zynismus die Saiten. Biermanns „Das kann doch nicht alles gewesen sein” stellt Krawczyk das Brecht-Lied „Vom Speichellecker” entgegen: „Das ist DDR-typisch, aber immer noch aktuell.” Krawczyk ist so überzeugend, dass OB-Kandidat Stefan Zowislo zum Schluss der Feier sagen wird: „Sie haben uns Wegzehrung gegeben.”

Krawczyk ist nicht nur Kritiker des DDR-Alltags, sondern auch das schlechte Gewissen Gesamtdeutschlands. Bis heute sei es den Deutschen, in Ost wie in West, nicht gelungen, sich daran zu erinnern, wie das Leben im SED-Staat wirklich war. Filme wie Sonnenallee „und der ganze Quatsch” verzerrten das Bild, wie es die Medien im übrigen auch täten. Die DDR werde als Volk von Spitzeln dargestellt, „aber es waren nur 100 000”. Das Thema deutsch-deutsches Verhältnis spielt eine große Rolle in Krawczyks Repertoir. So singt er die Parabel vom Hund und der Henne. „Der Hund liebt eine Henne/doch sie versteht nicht seine Sprache . . .” und krächzt dazu ein Bellen und Gackern. Unversöhnlich sind diese Lieder, hart und radikal könnte man auch sagen.

Dass er damit die Erwartungen der Alte-Bundesländer-Öffentlichkeit bedient, beschreibt er freimütig, als er sein „gelbstes Buch” vorstellt. Mit „zu heiter” hatten es deutsche Verleger abgelehnt – woraufhin das Buch in der Schweiz erschien. Einen humorvollen Krawczyk? Doch, und der verbindet seine lustig-schrägen Geschichten wunderbar mit der Kritik am Arbeiter- und Bauernstaat. Der Zuhörer erfährt Anekdoten aus dem kleinkarierten DDR-Alltag. „Man musste nur ein Jahr auf den Füherschein warten; die Regierung hatte Mitleid mit stehenden Autos.” Um Minuten später vom perfektionierten Spitzeltum im SED-Regisme zu erfahren. „80 Spitzel haben uns bewacht, die Wohnung war verwanzt, immer fuhren zwei Stasi-Autos hinter uns her.” Welch ein Kontrastprogramm! Dann sein Bekenntnis „Ohne Freya Klier hätte ich das nicht ausgehalten.” 1988 wurden Krawczyk und Klier als Regimegegner aus der DDR ausgebürgert.

Zum Schluss singt der Liedermacher das Lied vom „Schönen Lachen seines Sohnes” (vier Jahre). Ganz der stolze Vater. Und der Revolutionär? Er halte es für heldenhaft, einen kleinen Menschen vor dem „Dreckhaufen” zu beschützten, der ihm von der Marktwirtschaft und den Medien übergeschüttet werde. Doch noch ein Revolutionär!