Mülheim. .

Zugegeben, Manfred Mons und seine Freunde der Ruhr River Jazzband hatten das mit dem Mauerfall schon geahnt. Als sie am 9. November 1989 von Mülheim nach Dresden aufbrachen, hätten sie allerdings nicht gedacht, dass sie ein Konzert mitten im politischen Weltgeschehen spielen würden. Mit dem Tag der Deutschen Einheit verbinden sie nicht nur die Wiedervereinigung und den Mauerfall, sondern eine ganz besondere Freundschaft.

Auf Einladung der Papa Binnes Jazzband reisten die sechs Ruhr-River 1989 zum 30-jährigen Binnes-Geburtstag, um Konzerte in Dresden und Berlin zu spielen. Bereits 1988 lernten sie die Ostberliner Band bei einer Gastspielreise kennen. Nun standen sie gemeinsam im Dresdener Club „Die Tonne“ auf der Bühne. „Die Einreise in die DDR hat zwei bis drei Stunden gedauert“, erinnert sich Manfred Mons. „Jedes Instrument haben sie an der Grenze durchleuchtet, jedes Gepäckstück auf den Kopf gestellt.“

Die Stasi an den Fersen

Wie bereits bei früheren Besuchen klebten auch diesmal so genannte Betreuer, Stasi-Spitzel, an ihren Fersen, die jeden Griff in die Saite beobachteten. Während des Auftritts kochte die Stimmung im Club langsam hoch. „Es herrschte Unruhe im Saal“, erinnert sich Mons. Dann machte der Moderator eine Ansage, für die er einige Wochen zuvor wohl noch verhaftet worden wäre: „Die Mauer ist gefallen.“ Manfred Mons und seinen Mülheimer Bandkollegen wurde die Bedeutung dieses Konzertes mit einem Mal bewusst – sie spielen Geschichte! Aus Flüstern wurde Freudenjubel.

Am nächsten Tag schlugen sich die Musiker nach Berlin durch. Schließlich waren sie zusammen mit der Papa Binnes Band im Ostteil der Stadt für einen Auftritt im Haus der Russischen Offiziere gebucht. „Wir sahen, wie die Leute in eine Richtung liefen und begriffen gar nicht, was da los war.“ Sie alle hatten ein Ziel: West-Berlin. „Die sechsspurigen Straßen waren mit Trabbis zugeparkt. Die Reststrecke durch die Mauerlücken zum Ku’damm nahmen die Massen unter ihre Füße, weil das schneller ging“, berichtete Mons 1989 der WAZ, die nach dem Mauerfall berichtete.

Ein Mauer-Bruchstück zum Jubiläum

Zum 30-Jährigen der Binneband-Jazzer waren auch Musiker aus Hamburg eingeladen. Sie schenkten den Ost-Berlinern ein Mauer-Bruchstück zum Jubiläum. „Das war sehr bewegend.“ Eine weitere Begegnung sollte Manfred Mons im Gedächtnis bleiben. „Durch Zufall besuchte Kurt Biedenkopf unser Konzert.“ Die Gattin eines Binneband-Jazzers hatte ihn auf der Straße getroffen und spontan eingeladen. Zwei Stunden lang plauderten die Musiker mit dem CDU-Politiker und Jazzfan über Musik und Politik. So erlebten die Mülheimer „bewusst ein Stück Geschichte mit.“ Mons meint: „Ich wusste bereits damals: Das ist einmalig und nie wiederholbar.“ Zurück ging es für die Mülheimer dann über eine freie Grenze – ohne Kontrollen.

Mit den Binneband-Freunden schlossen die Mülheimer schließlich einen Pakt: „Zum Tag der Deutschen Einheit spielen wir zusammen in Westberlin.“ Und so trafen sich die Bands am 3. Oktober 1990 am Berliner Dom wieder, gleich neben dem Palast der Republik. „Wir haben auf einer Riesenbühne gespielt, vor tausenden von Menschen – das war einmalig“, erinnert sich Mons immer noch sichtlich bewegt. Seitdem pflegen sie ihre Freundschaft sorgsam und besuchen sich regelmäßig rund um den Tag der Einheit. Kommenden Freitag, 5. Oktober, ist es wieder so weit. „Unsere Freunde spielen bei uns im Jazzclub.“ Ab 20.30 Uhr starten sie mit Dixieland, Blues und Swing in den Abend. Lieder, die zuerst in Sklavenvierteln erklangen – und bis heute von Freiheit erzählen.

Die Papa Binnes Jazzband kommt am Freitag, 5. Oktober, zum Sonderkonzert in den Mülheimer Jazzclub im Hopfen-Sack an der Kalkstraße 23. Ab 20.30 Uhr.