Mülheim. . Rund 900 Gebäude stehen derzeit in Mülheim unter Schutzdenkmalschutz – und die Liste wächst jährlich. Jedoch gelingt es nicht immer, alle von der Erhaltungswürdigkeit zu überzeugen. Aktuell gibt es in der Stadt mehrere Beispiele mit Konfliktpotenzial.

Der Stuck an den Decken wurde restauriert, verdeckte Balken herausgearbeitet, zugemauerte Fenster wieder geöffnet – für Mülheims obersten Denkmalpfleger Thorsten Kamp ist die ehemalige Jugendherberge ein gutes Beispiel dafür, wie ein Investor „mit Herzblut“ ein Gebäude für eine neue Nutzung umgebaut und den Denkmalschutz gewürdigt hat. Nicht immer stößt der Denkmalschutz auf Begeisterung.

Nicht weit entfernt steht auf dem ehemaligen Bahngelände an der Duisburger Straße ein ganzes Ensemble ehemaliger Industriebauten unter Schutz. Darunter eine Werkhalle der Mülheimer Verkehrsgesellschaft. Die klagt gegen den Schutz. „Wir wollten die Halle abreißen und neu nach heutigen energetischen Gesichtspunkten aufbauen“, sagt MVG-Geschäftsführer Klaus-Peter Wandelenus und fragt sich: „Was ist daran denkmalwürdig?“ Der Schutz kostet die MVG Millionen zusätzlich. Geld, das sie nicht hat. In begründeten Fällen der Unzumutbarkeit, sagt Kamp, gebe es auch die Möglichkeit, einen Schutz aufzuheben.

Sanierung würde Millionen verschlingen

Lange gestritten über den Denkmalschutz wurde bis vor kurzem bei der Troostschen Weberei im Luisental, die als eine Art Wiege der frühen Mülheimer Industrialisierung gilt. Die Vereinigte August Thyssen-Stiftungen als Eigentümer kämpften gerichtlich gegen eine Unter-Schutz-Stellung, die Millionen erfordert hätte. „Wirtschaftlich nicht zumutbar“, erklärte Geschäftsführer Johannes Hartmann. Man einigte sich auf einen Kompromiss: Der größte Teil des Denkmals verschwindet, ein rekonstruierender Nachbau entsteht. „Das ist kein Denkmalschutz mehr, sondern eher Stadtbildpflege“, sagt Kamp und betont: „Wir sind an einem pragmatischen Schutz interessiert.“ Heißt: Natürlich sei ein Aufzug im Denkmal möglich.

Pragmatisch nennt er auch die Lösung im Rumbachtal, wo aus der Walkmühlenkapelle derzeit ein Wohnhaus entsteht: „Man wird auch später noch den ursprünglichen Charakter des Hauses von außen und innen erkennen können“, sagt Kamp. So werde der Besucher später noch sehen, wo sich einst Orgelraum oder Gebetssaal befanden. Auch die sakralen Fenster bleiben. „Es gibt viele Investoren und künftige Nutzer, die ja gerade die Integration alter Bestandteile in ihren Alltag schätzen.“

Dass sich Verhandlungen über den Denkmalschutz lohnen, zeigt sich aus Sicht der Behörde bei der Speldorfer Reithalle. Ganz bewusst habe ein Investor die Halle unter Schutz erworben und passe sie heutigen Bedürfnissen an. Dagegen könnte ein anderes städtisches Gebäude demnächst für Wirbel sorgen: Ist die VHS denkmalwürdig? Es wird geprüft. Manchem im Rathaus wäre der Schutz sehr ungelegen – es geht auch hier um Millionen für eine Sanierung.